Panorama

Neuer Horror-Prozess in Avignon Chirurg soll fast 300 Kinder missbraucht haben

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Der Chirurg Joël Le Scouarnec hat unter anderem in der Klinik von Jonzac geabeitet.

Der Chirurg Joël Le Scouarnec hat unter anderem in der Klinik von Jonzac geabeitet.

(Foto: IMAGO/ABACAPRESS)

Er ist einer der mutmaßlich schlimmsten Kinderschänder Frankreichs: Joël Le Scouarnec. Zwischen 1989 und 2014 soll er sich in Hunderten Fällen an Kindern vergangen haben - er nutzte dabei seine Stellung als Chirurg. In Tagebüchern beschreibt der Mann, wie er dabei vorging.

Gut zwei Monate nach der Verurteilung von 51 Vergewaltigern in Avignon beginnt in Frankreich am Montag ein Verfahren gegen einen der mutmaßlich schlimmsten Kinderschänder des Landes: Der 74 Jahre alte frühere Chirurg Joël Le Scouarnec - der bereits wegen anderer Fälle von Kindesmissbrauch inhaftiert ist - steht im Verdacht, 299 seiner Patienten sexuell missbraucht zu haben. Seine Opfer waren im Schnitt elf Jahre alt.

Es gibt Parallelen zum Prozess gegen den Serienvergewaltiger Dominique Pelicot in Avignon: Viele von Scouarnecs Opfern waren laut Anklage während der Taten bewusstlos. Der Chirurg führte wie Pelicot sorgfältig Buch über seine Schandtaten und hortete Fotos und Videos. Der Unterschied: Während es im Pelicot-Prozess ein Opfer - Pelicots damalige Frau Gisèle - und 50 Täter gab, sind es nun ein Täter und knapp 300 Opfer.

Le Scouarnec muss sich wegen 111 Vergewaltigungen und 189 anderer sexueller Übergriffe vor Gericht verantworten. Der Tatzeitraum umfasst zweieinhalb Jahrzehnte, zwischen 1989 und 2014. In dieser Zeit arbeitete Le Scouarnec in zahlreichen Krankenhäusern - obwohl manche seiner Chefs und Kollegen wussten, dass er bereits früher wegen Kinderpornografie verurteilt worden war. Dies hat zu einem zweiten Ermittlungsverfahren geführt, in dem es um Behördenversagen geht.

Verräterische Tagebücher

Ähnlich wie im Fall Pelicot kamen die Taten ans Licht, weil es wegen einer anderen Anzeige zu einer Hausdurchsuchung gekommen war. Dabei kamen Tagebücher des Chirurgen zutage, deren Inhalt an Perversität nur schwer zu überbieten ist.

Die Zeitung "Le Monde" veröffentlichte Auszüge, die es Lesern kalt den Rücken herunterlaufen lässt. Le Scouarnec notiert dort, wie er seine Stellung als Chirurg nutzt, um sich an möglichst vielen Kindern zu vergehen. "Der Vorteil von kleinen Mädchen ist, dass man sie anfassen kann, ohne dass sie Fragen stellen", schreibt er da etwa.

An älteren Kindern vergriff er sich demnach, wenn sie unter Narkose waren - auf dem Operationstisch oder im Aufwachraum. Dabei kam es auch zu Penetrationen mit dem Finger. Kein Sperma, keine Verletzungen, keine Erinnerungen - "nahezu das perfekte Verbrechen", resümiert "Le Monde".

"Ich wusste immer, dass irgendwas nicht stimmte"

Viele der Opfer erfuhren erst im Erwachsenenalter, was ihnen widerfahren war. "Ich wusste immer, dass irgendwas nicht stimmte", sagte die 42 Jahre alte Amélie Lévêque, die von Le Scouarnec im Alter von neun Jahren am Blinddarm operiert und nach Einschätzung der Ermittler missbraucht worden war. Sie hatte später eine Krankenhausphobie, litt an Essstörungen, war depressiv.

Dank der minutiösen Aufzeichnungen des Arztes konnten die 299 mutmaßlichen Opfer identifiziert werden. Le Scouarnec soll schon in seiner Jugend ein Faible für Listen aller Art gehabt haben.

Der Angeklagte ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft weitgehend geständig. Er wolle sich während des Prozesses zu den Taten äußern, sagte sein Anwalt Thibaut Kurzawa. Der Prozess findet im bretonischen Ort Vannes in einem eigens zum Gericht umgebauten Universitätsgebäude statt. Er ist auf vier Monate angelegt, an mindestens sieben Tagen soll die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Der Angeklagte war bereits 2020 zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, weil er in den 1990er Jahren vier Mädchen missbraucht hatte, unter ihnen zwei Nichten, eine Patientin und die sechs Jahre alte Tochter der Nachbarn. Es war die Vergewaltigungsanzeige des Nachbarskindes, das die Hausdurchsuchung ausgelöst und damit das schockierende Ausmaß des mutmaßlichen Massenmissbrauchs ans Licht gebracht hatte.

Quelle: ntv.de, Benjamin Massot, AFP

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