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Grüne-Gewölbe-Prozess vor Urteil "Der Diebstahl hat sich für die Remmos gelohnt"

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Seit Januar vergangenen Jahres müssen sich die sechs Angeklagten vor Gericht verantworten.

Seit Januar vergangenen Jahres müssen sich die sechs Angeklagten vor Gericht verantworten.

(Foto: picture alliance/dpa/AFP-Pool)

Der Prozess um den Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe steht vor dem Ende. Ein Großteil der Beute ist dank eines Deals mit der Staatsanwaltschaft zurück in Dresden. Doch auch die Angeklagten aus der berüchtigten Großfamilie Remmo könnten gut wegkommen.

Wenn am Dienstag das Urteil im Prozess um den Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe gesprochen wird, und danach sieht es aus, findet einer der spektakulärsten Kriminalfälle Deutschlands seinen vorläufigen Abschluss. Fünf der sechs Angeklagten - allesamt Angehörige der Berliner Großfamilie Remmo - droht eine Haftstrafe, unter anderem wegen schweren Bandendiebstahls und Brandstiftung. Zugute kommt ihnen wohl ein Deal mit der Staatsanwaltschaft, durch den ein Großteil der Beute wieder zum Vorschein gekommen ist.

Die mutmaßlichen Täter auf der Anklagebank, die Schätze zurück in Dresden - der Rechtsstaat scheint als Sieger aus dem Millionencoup vor dreieinhalb Jahren hervorzugehen. Doch ganz umsonst war das Unterfangen für die Remmos womöglich nicht. "So wie es aussieht, hat sich der Einbruch für die Familie Remmo am Ende doch gelohnt", sagt der Kunstfahnder Willi Korte im Gespräch mit ntv.de.

Dass viele der gestohlenen Schmuckstücke bald wieder im Grünen Gewölbe ausgestellt werden können, ist fraglos ein Ermittlungserfolg, den kaum jemand für möglich gehalten hatte. Von einem "Weihnachtswunder" war die Rede, als im vergangenen Dezember der Anwalt eines Angeklagten die in 31 Einzelteile zerstückelte Beute an Beamte übergab. Doch von einer Handvoll Klunker fehlt nach wie vor jede Spur, darunter Schätze wie die mit Brillanten bestückte Große Brustschleife der Königin Amalie Auguste und der "Sächsische Weiße", ein knapp 50 Karat schwerer Diamant.

"Mit großen Diamanten kann man was verdienen"

An ein Wunder glaubt Korte nicht - er wittert Kalkül hinter der unvollständigen Rückgabe. Es würden ausgerechnet die Exemplare fehlen, in die besonders große Edelsteine eingearbeitet sind. "Den Kleinkram unter den Steinen kann man auf dem Schwarzmarkt nur schwer gewinnbringend absetzen, aber mit den großen Diamanten kann man was verdienen", sagt er.

Von der Großen Brustschleife der Königin Amalie Auguste fehlt jede Spur.

Von der Großen Brustschleife der Königin Amalie Auguste fehlt jede Spur.

(Foto: picture alliance/dpa/Polizeidirektion Dresden)

Den genauen Wert der verschollenen Juwelen kennt der Kunstdiebstahl-Experte nicht, und auch die Staatsanwaltschaft hält sich mit Verweis auf das laufende Verfahren bedeckt. Zumal Unikate wie die Brustschleife nicht in Gänze, sondern nur in einzelne Steine zerhackt verkauft werden können. Lukrativ sei das dennoch - und eventuell sogar schon geschehen, sagt Korte.

Es könnte an fehlenden Abnehmern liegen, dass ein beträchtlicher Teil der Beute offenbar drei ganze Jahre in Berlin herumgelegen hat. Korte hält allerdings auch eine andere Theorie für möglich. "Vielleicht wurden die Juwelen bewusst zurückgehalten, um sie für einen späteren Deal mit den Behörden einzusetzen - als eine Versicherung für die Diebesbande." Schließlich müsse jeder professionelle Kriminelle auch damit rechnen, geschnappt zu werden.

Die sechs angeklagten Brüder und Cousins können jedenfalls eine breite Vorstrafenpallette vorweisen. Zwar sind nicht alle der Hunderte Mitglieder starken Remmo-Familie kriminell. Einzelne Zweige fallen aber notorisch durch Straftaten aller Art auf, was der Familie den Ruf eines Clans eingebracht hat. Der Angeklagte Wissam Remmo etwa sitzt bereits im Gefängnis, weil er am Diebstahl der "Big Maple Leaf"-Goldmünze 2017 im Berliner Bode-Museum beteiligt war. Die auf einen Wert von 3,8 Millionen Euro geschätzte Münze ist bis heute verschollen, wahrscheinlich wurde sie eingeschmolzen.

Alles nur ein Abenteuer?

Ungewöhnlich im Dresdener Prozess: Vier der sonst überaus schweigsamen Remmos haben Geständnisse abgelegt, formuliert und verlesen von ihren Verteidigern. Ihre Darstellung eines von langer Hand geplanten Einbruchs deckt sich mit dem Bild der Ermittler. Befragt zu ihren Motiven geben sich die zwischen 24 und 29 Jahre alten Männer naiv. Einer habe sich als "Meisterdieb" gewähnt, ein anderer spricht von einem "echten Abenteuer". Einen konkreten Plan zur Verwertung der Juwelen soll es nicht gegeben haben.

Oberstaatsanwalt Christian Kohle nannte die Geständnisse im Februar "zumindest lückenhaft" und zweifelte an, dass keiner der Angeklagten von der Tat profitiert haben will. Die Ermittler gehen überdies von zahlreichen Hintermännern, Drahtziehern und Mitwissern aus. Der Deal verpflichtet die Angeklagten jedoch nicht dazu, diese zu nennen. Unbekannte Mittäter wurden in den Verhandlungen als Person "X" und "Y" bezeichnet.

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Durch Juwelen-Rückgabe und Geständnisse hat sich das geforderte Strafmaß, das bis zu zehn Jahren Jugendstrafe und bis zu 15 Jahre bei Erwachsenen vorsah, deutlich verringert. Vorstellbar ist sogar, dass manche Haftbefehle außer Vollzug gesetzt werden, die Täter also unter Auflagen freikommen. Einer der Angeklagten kann dank eines vorgebrachten Alibis auf einen Freispruch hoffen.

Alles in allem ein guter Deal für die Remmos, findet Experte Korte. "Bei den geforderten Strafen von vier bis sechs Jahren Gefängnis können sie damit rechnen, mit guter Führung in wenigen Jahren wieder rauszukommen, und sie sind ja noch im besten Alter", sagt der Kunstfahnder. "Dann würden sie immer noch mit einem lachenden Auge davonkommen."

Quelle: ntv.de

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