
Das Grüne Gewölbe in Dresden beherbergte zahlreiche Kunstobjekte mit unschätzbarem Wert.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Die Rückkehr eines erheblichen Teils der Dresdner Juwelen ist eine frohe Kunde in einer Zeit, in der eine schreckliche Nachricht die nächste jagt. Das Wunder ist menschgemacht und zeigt zweierlei: Unsere Polizei leistet beste Arbeit. Und: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Wer in Dresden das Grüne Gewölbe, die Schatzkammer von August des Starken, besucht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Goldene und mit Edelsteinen besetzte Schmuckstücke funkeln um die Wette. Dass wir die Sammlung, die vor drei Jahrhunderten angelegt worden ist, heute bewundern können, gleicht einem Wunder. Als Dresden im Februar 1945 von alliierten Bomben in Schutt und Asche gelegt wurde, befanden sich die Kunstwerke der Gemäldegalerie und des Grünen Gewölbes an sicheren Orten in der Sächsischen Schweiz. Die "Trophäenkommission" der Roten Armee beschlagnahmte die Schätze als Entschädigung für die unfassbaren Zerstörungen durch die deutsche Wehrmacht in der Sowjetunion.
Mitte der Fünfzigerjahre begann die Rückgabe an die DDR, 1958 kehrte das Inventar des Grünen Gewölbes heim. Seither waren die sächsischen Kunstsammlungen auch Trost, weil sie die Zerstörung Dresdens überstanden hatten. Die Schatzkammer hat kunsthistorischen Weltrang, da die Juwelengarnituren aus dem 18. Jahrhundert vollständig und perfekt erhalten geblieben waren und die Herkunft der berühmtesten Steine lückenlos dokumentiert ist. Doch dann kam der 25. November 2019. Eine Diebesbande stahl 21 mit mehr als 4300 Diamanten und Brillanten besetzte Schmuckstücke aus dem Grünen Gewölbe.
Der Schock, verstärkt durch Ratlosigkeit und Überforderung, saß umso tiefer, da der Versicherungswert von gut 114 Millionen Euro ein Klacks ist gegen den Verlust der Objekte, die nicht durch Nachahmungen ersetzt werden können. Vor allem aber: Die Nachricht von der Blamage, die rund um den Erdball eilte, traf auf ein Gefühl, das sich in der Bevölkerung - schon vor Beginn der Corona-Pandemie - zunehmend breit machte: Dass es abwärts gehe mit Deutschland, das so runtergekommen sei, dass es noch nicht mal mehr in der Lage war, seinen Staatsschatz vor Dieben zu schützen. Angeblich war das Grüne Gewölbe so stark gesichert wie die nicht zu knackenden Tresore von Fort Knox, in denen die Goldreserven der USA lagern.
Vertrauen in Rechtsstaat ging verloren
Und als dann noch bekannt wurde, dass hinter dem Coup mutmaßlich Mitglieder des Remmo-Clans steckten, einer arabischstämmigen Großfamilie in Berlin-Neukölln, die bekannt ist für Straftaten aller Art und auch die 100 Kilogramm schwere Goldmünze aus dem Bode-Museum inmitten der Bundeshauptstadt gestohlen hatte, war der Verdruss noch gewaltiger. Denn einen Schatz der deutschen Nation teils zu zerstören, teils mitgehen zu lassen, konnte nun wahrlich nicht als Beleg für gelungene Integration und ein Bekenntnis zum kulturellen Erbe der Bundesrepublik gewertet werden, sondern vielmehr als Respektlosigkeit nach dem Motto: Macht den kaputt, der euch als Flüchtlinge aufgenommen hat.
Der Diamantenklau von Dresden - Raub ist es, wenn Gewalt gegen Opfer angewandt oder damit gedroht wird - war ein vorübergehender Triumph des organisierten Verbrechens, der fassungslos machte. Er befeuerte die während der Flüchtlingswelle begonnene Diskussion um die existenzielle Frage, ob der Staat noch seinen wahrscheinlich wichtigsten Auftrag - immerhin Verfassungsauftrag - erfüllen kann, Leib und Leben seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Dort, wo das Sicherheitsgefühl abhandenkommt, weil kriminelle Banden als übermächtig erscheinen, geht Vertrauen verloren, in den Rechtssaat und seine Institutionen. Wohl auch aus dieser Erkenntnis heraus hat die Dresdner Sonderkommission alles getan, die Täter rasch zu schnappen, und nie aufgegeben, die Beute zu suchen.
Nun - drei Jahre nach dem dreisten Einbruch - hat es erneut ein wunderschönes Wunder rund um den Dresdner Schatz gegeben: Ein beachtlicher Teil der geklauten Diamanten ist wieder aufgetaucht. Auch wenn bedeutende Stücke weiterhin fehlen und noch nicht klar ist, wie gut die jetzt aufgetauchten erhalten sind - nach allem, was bisher bekannt ist, spricht sehr viel für ihre Echtheit -, so ist das eine frohe Kunde in einer Zeit, in der eine schreckliche Nachricht die nächste jagt, ein Weihnachtsgeschenk für alle Deutschen und sogar die ganze Welt. Das Wunder ist menschgemacht und zeigt zweierlei: Unsere Polizei leistet beste Arbeit. Und: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Weihnachtswunder wird mies gemacht
Es war Marion Ackermann, Generaldirektorin der Dresdner Kunstsammlungen, die die Rückkehr der Diamanten von Anfang an zu einer "Frage der Zeit" erklärte und allen Experten widersprach, die immer wieder sagten, der Schmuck sei längst zerhackstückelt worden, weil er sonst nicht zu verkaufen sei. Ackermann argumentierte umgekehrt: Wer die Diamanten herausbreche, entwerte die Objekte, beim Abschleifen der Steine sei der Verlust enorm. Nun sagte sie im MDR: "Wir bekommen Nachrichten aus der ganzen Welt, die Menschen können es kaum fassen. Das ist ein echtes Weihnachtswunder."
Nur leider hat ein Teil der Deutschen die Fähigkeit verloren, Glück als solches zu betrachten und anzunehmen. In sozialen Medien und Leserkommentaren wird das Weihnachtswunder mies gemacht, heißt es beispielsweise, von einem Ermittlungserfolg könne kaum die Rede sein, denn die mutmaßlichen Diebe, die seit Monaten in Dresden vor Gericht stehen, wollten nur ihr Strafmaß reduzieren. Wer solchen Unsinn redet, vergisst, wie der Rechtsstaat funktioniert - und: Um einen Deal auszuhandeln, muss man erst einmal die Täter fassen, was definitiv ein Ermittlungserfolg ist.
Vor allem aber: Entscheidend ist das Ergebnis, dass ein großer Teil der Dresdner Juwelen in das Grüne Gewölbe zurückkehrt und Deutschland einen kunsthistorischen Schatz von Weltrang wieder hat. Das ist millionenfach wichtiger als ein hartes Urteil für die Diebe, auch wenn sie einem Clan zugerechnet werden.
Quelle: ntv.de