Coup der Sicherheitsbehörden Gingen mexikanische Drogenbosse in eine Falle?


Die Festnahme erfolgte nach der Ankunft der Männer in den USA.
(Foto: REUTERS)
Es ist eine Nachricht wie ein Paukenschlag. Die US-Strafbehörden setzen zwei Bosse des berüchtigten mexikanischen Sinaloa-Kartells fest. Ismael Zambada García und Joaquín Guzmán López werden auf amerikanischem Boden verhaftet. Aber wie war das möglich?
Es war ein Coup, wie er den US-Strafbehörden nicht jeden Tag gelingt: In El Paso, im US-Bundesstaat Texas, werden zwei Männer verhaftet, Ismael Zambada García und Joaquín Guzmán López. Die Nachricht verdrängte in den US-Nachrichten zwischenzeitlich sogar den sonst alles dominierenden Wahlkampf. Denn Experten vermuten, dass die Doppelfestnahme auf einem Rollfeld die Struktur der mexikanischen Drogenkartelle einschneidend verändern könnte.
Auch wenn die Namen hierzulande kaum jemandem etwas sagen, Zambada und Guzmán sind führende, wenn nicht die Köpfe des sogenannten Sinaloa-Kartells, das die Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten mit Drogen überschwemmt. Mit der Festnahme setzen die US-Drogenfahnder gleich zwei Generationen des Kartells fest.
Der 76-jährige Zambada, genannt "El Mayo", ist einer der bedeutendsten Drogenhändler in der Geschichte Mexikos. Zusammen mit dem seit 2017 an die Vereinigten Staaten ausgelieferten Joaquín Archivaldo Guzmán Loera, besser bekannt als "El Chapo", begründete er das Drogenkartell.
Seit El Chapo eine lebenslange Haftstrafe in einem US-Hochsicherheitsgefängnis verbüßt, war der Mann, der Medienberichten zufolge schon als 16-Jähriger ins Drogengeschäft einstieg, die graue Eminenz. Seinen Spitznamem "El Mayo" soll er seinem zweiten Vornamen Mario verdanken. Nach außen gab er sich unauffällig als wohlhabender Rancher. Tatsächlich bezahlte er in großem Stil Polizisten und Politiker, um für seine Geschäfte freie Bahn zu haben. Während des Prozesses gegen El Chapo argumentierten dessen Anwälte, dass Zambada der wahre Anführer des Kartells sei. Er habe die mexikanische Regierung bestochen, um dem Angeklagten etwas anzuhängen und die kriminelle Organisation selbst weiterzuführen. Bis zum heutigen Tag konnte Zambada für sich in Anspruch nehmen, der einzige der 37 meistgesuchten Drogenbosse Mexikos zu sein, der nie gefasst worden war.
"Einer ergibt sich"
Die US-Behörden hatten für die Ergreifung von Zambada eine Belohnung von 15 Millionen Dollar ausgesetzt, für Guzmán hingegen lediglich 5 Millionen Dollar. Der 38-Jährige ist einer der vier Söhne von El Chapo. Die vier sind bekannt als Los Chapitos oder die Little Chapos und haben den Anteil ihres Vaters am Sinaloa-Kartell geerbt. Einer der Brüder, Ovidio Guzmán, wurde bereits im vergangenen Jahr verhaftet und an die Vereinigten Staaten ausgeliefert.
Noch ist unklar, wie es zu der Festnahme kam. In mexikanischen Medienberichten ist die Rede davon, dass sich beide den US-Behörden gestellt haben sollen. In US-Medien wird hingegen berichtet, sie seien in eine Falle gelockt worden. Vermutlich stimmt beides, nur nicht für beide. Nach Informationen des "Wall Street Journals" wurde die Aktion, die zur Verhaftung führte, vom Ministerium für Innere Sicherheit und dem FBI monatelang vorbereitet. Zambada und Guzmán wurden demnach unter einem Vorwand in ein Flugzeug gelockt, das dann nicht zu einem Ziel in Mexiko, sondern in die Vereinigten Staaten flog. Dort erfolgte der Zugriff des FBI.
Die verdeckte Operation diente offenbar in erster Linie der Ergreifung Zambadas. Zusammen mit Guzmán bestieg er angeblich das Flugzeug, um potenzielle geheime Landeplätze in Mexiko zu besichtigen, berichtet der US-Nachrichtensender CNN unter Berufung auf zwei mit der Verschwörung vertraute Polizeibeamte. Mindestens einer der Männer an Bord habe nicht gewusst, dass sie in die USA unterwegs waren, hieß es. Fox News und die New York Times berichteten, Guzmán habe Zambada davon überzeugt, das Privatflugzeug zu besteigen. Ein Fox-News-Reporter berichtete auf X, dass sich Guzmán nach der Landung ergab, während El Mayo gefangen genommen wurde. Fotos zeigen US-Grenzbeamte neben einem Privatflugzeug in Dona Ana County, im US-Bundesstaat New Mexico. Inzwischen sollen die Sinaloa-Bosse nach Chicago weitergeflogen worden sein.
Schlag in das Herz des Kartells
FBI-Direktor Christopher Wray sagte, Zambada und Guzmán hätten sich "jahrzehntelang den Strafverfolgungsbehörden entzogen" und "werden nun in den Vereinigten Staaten vor Gericht gestellt". Die beiden sollen den Handel mit "Zehntausenden von Pfund Kokain, Heroin, Methamphetamin und Fentanyl in die USA sowie die damit verbundenen Gewalttaten" überwacht haben, so Wray.
Die Verhaftungen träfen "das Herz des Kartells, das für den Großteil der Drogen, einschließlich Fentanyl und Methamphetamin, verantwortlich ist", betonte Anne Milgram, die Leiterin der Drug Enforcement Administration, in einer ersten Stellungnahme. Und die Festnahme des Sohnes von El Chapo ist "ein weiterer schwerer Schlag für das Sinaloa-Kartell", fügte Milgram hinzu.
Das Sinaloa-Kartell, das nach dem mexikanischen Bundesstaat benannt ist, in dem die Organisation in den späten 1980er-Jahren gegründet wurde, ist eine der international mächtigsten Verbrecherorganisationen. Das Kartell handelt in mehr als 50 Ländern rund um den Globus mit Drogen und nimmt jährlich Milliarden US-Dollar ein.
Der Mann, der das Fentanyl brachte
Gleichzeitig hat sich Fentanyl, ein extrem wirksames synthetisches Opioid, zur häufigsten Todesursache bei Amerikanern im Alter zwischen 18 und 45 Jahren entwickelt. Nach Angaben der Centers for Disease Control and Prevention gab es in den Vereinigten Staaten im Jahr 2023 mehr als 107.000 Todesfälle durch Überdosis Drogen. Etwa 70 Prozent davon entfielen auf Fentanyl. Nach Angaben der US-Regierung wird Fentanyl häufig aus Produkten hergestellt, die aus China stammen, und dann von Drogenhändlern, insbesondere dem Sinaloa-Kartell, von Mexiko aus über die Grenze geschmuggelt.
In der jüngsten Reihe von US-Anklagen gegen ihn wurde Zambada im Februar der Verschwörung zur Herstellung und zum Vertrieb von Fentanyl angeklagt. Fentanyl "war weitgehend unbekannt, als [Zambada] vor mehr als drei Jahrzehnten das Sinaloa-Kartell gründete, und ist heute für unermesslichen Schaden verantwortlich", so Breon Peace, US-Staatsanwalt für den östlichen Bezirk von New York, in der Anklageschrift. Seit 1989 habe Zambada "riesige Mengen an Betäubungsmitteln" importiert und vertrieben und damit Milliarden von Dollar verdient, heißt es in der Anklageschrift.
Bei dem anstehenden Prozess gegen Zambada können die US-Behörden auf die Unterstützung eines weiteren "Verräters" hoffen. Denn Zambadas Sohn, Vicente Zambada Niebla, sitzt bereits in US-Gewahrsam und war bisher schon recht redselig. Im Prozess gegen El Chapo gab er 2018 zu, Befehle für Morde und Entführungen weitergegeben zu haben. 2019 wurde er von einem Bundesrichter in Chicago zu 15 Jahren Haft verurteilt. Laut einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft kooperiert er bereits seit 2011 mit den US-Behörden und habe den Behörden dabei geholfen, Mitglieder des Sinaloa-Kartells und einer rivalisierenden Bande ins Visier zu nehmen. Dies habe zur Anklage "Dutzender hochrangiger Zielpersonen und Hunderte ihrer Komplizen" geführt.
Die Festnahmen von Zambada und Guzmán López sind ein Zeichen für die massiven Bemühungen der US-Behörden, die Aktivitäten des Sinaloa-Kartells einzudämmen. "Fentanyl ist die tödlichste Drogenbedrohung, mit der unser Land je konfrontiert war", so Generalstaatsanwalt Merrick Garland in seiner Erklärung nach der Festnahme. "Das Justizministerium wird nicht ruhen, bis jeder einzelne Kartellführer, jedes Mitglied und jeder Mitarbeiter, der für die Vergiftung unserer Gemeinden verantwortlich ist, zur Rechenschaft gezogen wird."
Quelle: ntv.de