Panorama

Dekra-Experte zu Frachterbrand "Elektroautos sind so gefährlich wie normale PKW"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Löscharbeiten an der "Fremantle Highway" vor der niederländischen Insel Ameland.

Löscharbeiten an der "Fremantle Highway" vor der niederländischen Insel Ameland.

(Foto: dpa)

Ein brennendes Elektroauto ist grundsätzlich nicht gefährlicher als ein normaler PKW, sagt Dekra-Experte Jörg Zganiatz im Interview mit ntv.de. Beim Brand des Frachters in der Nordsee sei das zentrale Problem die Menge an Fahrzeugen. "Ob da vereinzelt Elektrofahrzeuge dabei sind oder nicht, spielt bei so einem Geschehen keine Rolle."

ntv.de: Der vor den Niederlanden brennende Autofrachter hat knapp 3800 PKWs an Bord, davon 25 Elektroautos. Wie gefährlich sind brennende E-Autos?

Jörg Zganiatz ist Fachabteilungsleiter Unfallanalytik und technische Gutachten bei der Dekra in Essen.

Jörg Zganiatz ist Fachabteilungsleiter Unfallanalytik und technische Gutachten bei der Dekra in Essen.

(Foto: privat)

Jörg Zganiatz: Grundsätzlich ist ein brennendes Elektroauto nicht gefährlicher als ein alternativ betriebener PKW. In beiden Fahrzeugen haben Sie eine große Menge Energie gespeichert: bei einem normalen PKW im Kraftstofftank, bei einem E-Auto im Hochvoltakku.

Das Problem mit brennenden Akkus ist, dass scheinbar gelöschte E-Autos wieder in Brand geraten können. Wie lässt sich das verhindern?

Die Akkus sind so eingebaut, dass sie vor Wasser und anderen Flüssigkeiten geschützt sind. Im Normalbetrieb soll ja - etwa in der Waschstraße oder wenn es regnet - kein Wasser in den Hochvoltakku eindringen. Deswegen sind diese Akkus sehr gut gekapselt, auch, um bei Unfällen geschützt zu sein. Wenn eine Zelle in einem Hochvoltakku in Brand gerät, dann laufen da chemische Prozesse ab, auch in den umliegenden Zellen, die einen sogenannten Thermal Runaway auslösen. Dieser Prozess führt dazu, dass die Zellen sich immer weiter erhitzen, bis sie schließlich anfangen zu brennen. Um diesen Brand zu löschen und das weitere Erhitzen zu verhindern, muss Flüssigkeit in den Akku eingebracht werden.

Wie macht die Feuerwehr das normalerweise?

Dafür gibt es spezielle Löschlanzen, die man in den Akku hineinschlägt. Am anderen Ende haben die einen Anschluss, und über den kann man das Löschwasser in den Akku fließen lassen. Das ist die einfachste Möglichkeit.

Und dann geht keine Gefahr mehr vom Fahrzeug aus?

Grundsätzlich nicht. Es ist jedoch möglich, dass ein Akku, wenn er nicht vollständig gelöscht und heruntergekühlt wurde, zu einem späteren Zeitpunkt, auch noch einen Tag später, wieder anfängt zu brennen. Für Elektroautos gibt es deshalb mittlerweile gesetzliche Vorgaben, wie bei einem Brand vorzugehen ist. Werkstätten, die ein ausgebranntes Fahrzeug zu sich nehmen, müssen das in einem speziellen Bereich abstellen und Mindestabstände zu anderen Fahrzeugen und Gebäuden einhalten.

Ist es nötig, ausgebrannte Elektroautos in Container mit Wasser zu stellen, damit die Batterie nicht erneut Feuer fängt?

Das hat man am Anfang so gemacht, weil das zunächst als einfachste Möglichkeit erschien. Aber der Kollateralschaden, der dadurch am gesamten Fahrzeug entsteht, ist meist viel höher als der eigentliche Schaden. Deswegen findet das in der Regel kaum noch statt - soweit ich weiß, machen die Feuerwehren das nicht mehr. Die versuchen, den Brand dort zu löschen, wo er entsteht, also im Akku, um nicht das ganze Fahrzeug zu zerstören.

Gelegentlich heißt es, Elektroautos seien eine Gefahr für Tiefgaragen oder Parkhäuser. Stimmt das?

Nein. Elektroautos sind genauso gefährlich oder ungefährlich wie normale PKWs auch. Da besteht kein Unterschied. Das ist die Angst vor dem Neuen und Unbekannten, die dazu führt, dass solche Gerüchte in Umlauf kommen. Wir haben keine Erkenntnisse, dass Elektroautos sich bei einem Brand kritischer verhalten als normale PKWs.

Bei dem Brand auf dem Frachter vor der niederländischen Küste ist es kaum möglich, Löschlanzen einzusetzen. Wie lange würde es dauern, bis ein Elektroauto inklusive Batterie komplett ausgebrannt ist?

Aus meiner Sicht hängt das vor allem davon ab, wie groß das Fahrzeug ist. Eine Luxuskarosse brennt länger als ein Kleinwagen, weil dort mehr brennbares Material verbaut ist. Generell bestehen PKWs heute schon von der reinen Masse her aus sehr viel mehr brennbarem Material als beispielsweise Fahrzeuge in den 1980er Jahren - die Ausstattung und die Fahrzeuge sind viel größer geworden.

Geht vom Transport von Elektroautos ein erhöhtes Risiko aus?

Wichtig ist erst mal: Normalerweise brennen die nicht. Das Problem bei so einem riesigen Frachter ist, dass die Möglichkeiten zum Löschen sehr schlecht sind. Von außen ist es nicht möglich, einen Einzelbrand zu bekämpfen. Bis überhaupt jemand auf das Schiff kann, muss der Frachter noch stark runtergekühlt werden.

Vergrößern diese 25 Elektroautos auf dem Frachter das Problem oder spielen die angesichts der gut 2800 anderen PKWs keine Rolle?

Ich weiß nicht, was den Brand ausgelöst hat. Aber wie gesagt: Grundsätzlich ist ein Elektroauto nicht unsicherer als ein normaler PKW. Im normalen Alltagsgeschehen kann die Feuerwehr beide Fahrzeuge gleich gut löschen. Bei diesem Frachter ist das Problem die schiere Menge an Fahrzeugen. Ob da vereinzelt Elektrofahrzeuge dabei sind oder nicht, spielt bei so einem Geschehen keine Rolle.

Wäre es möglich, Batterien so in Elektroautos einzubauen, dass sie leichter zu löschen sind?

Vor allem ist wichtig, ein Fahrzeug so zu konstruieren, dass es im Alltag sicher funktioniert. Dazu muss die Batterie gut geschützt sein. Das Fahrzeug muss auch bestimmte Crashtests bestehen, und auch der Akku muss sich dabei entsprechend verhalten. Die Tatsache, dass so ein Fahrzeug vielleicht mal gelöscht werden muss, steht da eher hinten an - das passiert einfach sehr selten. Deshalb würde ich nicht sagen, dass Akkus bei dem derzeitigen Stand der Technik anders eingebaut werden müssten, um das Löschen zu erleichtern.

Mit Jörg Zganiatz sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen