Nach Amoklauf in Schule Eltern des 15-jährigen Attentäters angeklagt
03.12.2021, 20:36 Uhr
"Du musst lernen, dich nicht erwischen zu lassen", schrieb die Mutter ihrem Sohn in einer SMS.
(Foto: AP)
Nachdem ein Zehntklässler in Michigan vier seiner Mitschüler erschießt, sollen nun auch die Eltern des 15-Jährigen vor Gericht. Der Grund: mangelndes Verantwortungsbewusstsein. Die Faktenlage sei in diesem Fall "ungeheuerlich", sagt die Staatsanwaltschaft. Die Eltern fliehen zunächst, wollen sich nun aber stellen.
Nach den tödlichen Schüssen in einer Schule im US-Bundesstaat Michigan hat die Staatsanwaltschaft die Eltern des mutmaßlichen 15-jährigen Täters angeklagt. James und Jennifer C. werde Totschlag in jeweils vier Fällen vorgeworfen, erklärte Staatsanwältin Karen McDonald. Die Eltern hätten die Tatwaffe gekauft, ihrem minderjährigen Sohn Zugang zu der Pistole erlaubt und Warnungen ignoriert, schilderte McDonald. Eine Anklage gegen die Eltern eines Täters bei einem solchen Gewaltakt in Schulen sei sehr selten, aber in diesem Fall seien die Fakten "ungeheuerlich", sagte sie.
Die Eltern ergriffen offenbar zunächst die Flucht - ihre Anwälte erklärten dann jedoch, sie wollten sich den Behörden stellen. Der Aufenthaltsort der Eltern blieb unbekannt. Ihre Anwälte Shannon Smith und Mariell Lehman sagten, dass die Eltern in der Nacht nach dem Vorfall "zu ihrer eigenen Sicherheit" die Stadt verlassen hätten. Sie würden nach ihrer Anklage nun zurückkehren und sich den Behörden stellen.
Der 15-Jährige hat nach Polizeiangaben am Dienstag mit der Waffe, die sein Vater erst Tage zuvor gekauft hatte, vier Schüler getötet. Zudem verletzte er sechs Schüler und eine Lehrerin. Der Zehntklässler ist unter anderem wegen Terrorismus mit Todesfolge und vierfachem Mord angeklagt. Die Anklage geht von einer vorsätzlichen Tat aus.
Der Vater James habe die Waffe am 26. November im Beisein des Sohnes gekauft. Dieser habe noch am gleichen Tag in sozialen Medien ein Foto davon mit dem Kommentar "Habe heute meine neue Schöne bekommen" veröffentlicht, wie McDonald erklärte. Die Mutter des Täters soll die Waffe auf Online-Plattformen als "Weihnachtsgeschenk" für ihren Sohn bezeichnet haben, wie Staatsanwältin McDonald mitteilte.
In der High School in Oxford sei der Sohn von einem Lehrer erwischt worden, als er im Internet nach Munition suchte. Die Schule habe die Mutter telefonisch und per Email informiert, aber keine Antwort erhalten, schilderte McDonald. Die Mutter habe dem Sohn daraufhin folgende SMS geschrieben: "lol - Ich bin nicht sauer. Du musst lernen, nicht erwischt zu werden". Der 15-Jährige selbst haben am Abend vor der Tat ein Handyvideo aufgenommen, in dem er die Tat ankündigte.
"Die Gedanken wollen nicht aufhören. Helft mir."
Am Morgen der Tat fand eine Lehrerin demnach bei dem späteren Schützen eine Zeichnung, die sie so verstörend fand, dass sie ein Foto davon machte. Zu sehen war darauf laut Staatsanwaltschaft eine Zeichnung der Waffe. Zudem stand dort: "Die Gedanken wollen nicht aufhören. Helft mir." Neben der Zeichnung einer Kugel befanden sich demnach die Wörter "überall Blut", an anderer Stelle hieß es "die Welt ist tot". Daraufhin seien die Eltern sofort an die Schule zitiert worden. Der Sohn habe die Zeichnung noch vor dem Treffen mit den Eltern geändert.
In der Besprechung hätten die Eltern den Sohn nicht gefragt, ob er seine Waffe bei sich hätte, erklärte McDonald. "Die Vorstellung, dass ein Elternteil diese Worte liest und weiß, dass ihr Sohn Zugang zu einer tödlichen Waffe hatte, die sie ihm gegeben haben, ist unvorstellbar. Und ich denke, es ist kriminell", sagte McDonald vor Journalisten. Die Eltern hätten sich geweigert, ihren Sohn mit nach Hause zu nehmen, daher sei er zurück ins Klassenzimmer gegangen. Sie hätten auch seinen Rucksack nicht auf die Waffe hin durchsucht. Später holte der 15-Jährige dann auf der Schultoilette die Pistole heraus, die er in seinem Rucksack versteckt hatte, und eröffnete das Feuer.
Als dann bekannt wurde, dass jemand an der Schule auf Menschen schoss, schrieb die Mutter ihm eine Nachricht mit den Worten "tue es nicht". Der Vater fuhr daraufhin nach Hause und rief kurze Zeit später bei der Polizei an und gab an, dass seine Waffe fehlte, wie die Staatsanwältin schilderte. Die Waffe sei im Schlafzimmer der Eltern in einer unabgesperrten Schublade gelagert worden, sagte McDonald. "Waffenhalter haben eine Verantwortung", mahnte sie.
In den USA kommt es immer wieder zu tödlichen Zwischenfällen, weil Schützen an Schulen das Feuer eröffnen. Das Waffenrecht in den USA unterscheidet sich je nach Bundesstaat, aber Schusswaffen wie Pistolen und Sturmgewehre sind meist verhältnismäßig leicht zu bekommen. Strengere Waffengesetze scheitern in der Regel an den Republikanern im Kongress und an der mächtigen Waffenlobby. US-Präsident Joe Biden hat Maßnahmen zur Eindämmung von Waffengewalt in Aussicht gestellt, bislang aber ohne konkrete Ergebnisse.
Quelle: ntv.de, lno/dpa