Panorama

Virologe Streeck im Interview "Impfdurchbrüche kein Grund zur Sorge"

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Derzeit kommt es vermehrt zu Berichten über Menschen, die trotz vollständiger Impfung an Covid-19 erkranken. "Das ist etwas, womit man rechnen kann", sagt der Virologe Hendrik Streeck. Wie es seiner Ansicht nach mit der Pandemie in den nächsten Monaten weitergeht, verrät er im Gespräch mit ntv.

ntv: Gesundheitsminister Spahn hat ein Ende der pandemischen Lage angekündigt. Ist das sinnvoll?

Hendrik Streeck: Man muss das ein wenig einordnen. Es bedeutet ja nicht, dass die Pandemie dann zu Ende ist. Vor allem geht die Hoheit darüber, wie man mit der Pandemie weiter umgehen sollte, zurück an die Länder. Herr Spahn sagt ja auch, dass Masken und Hygieneregeln, also auch Abstandsregeln, im Herbst und Winter weiter gelten sollen. Das ist wichtig, da wir gerade in dieser Phase mit einem Anstieg der Fallzahlen rechnen dürfen.

Ist es denn vor diesem Hintergrund das richtige Signal?

Die epidemische Lage wurde ja ausgerufen, weil man dachte, dass die Regierung sonst nicht so schnell handlungsfähig ist. Mittlerweile haben wir ja ein bisschen Vorlauf, sodass wir eigentlich ganz gut verstehen, wie wir mit der Pandemie umgehen können. Wir können auch besser auf lokale Ausbrüche in den Ländern reagieren. Daher ist es in meinen Augen ein richtiges Signal, die Verantwortung wieder in die Hände der Länder zu geben.

Man hört von immer mehr Impfdurchbrüchen. Ist das ein Grund zur Sorge?

Ich glaube nicht, dass die Impfdurchbrüche ein Grund zur Sorge sind. Das ist etwas, womit man rechnen kann. Der Impfschutz ist kein Schutz vor einer Infektion. Er bringt in den meisten Fällen aber einen sehr guten Schutz vor einem schweren Verlauf. Es gibt natürlich auch einige Fälle, wo wir trotz einer Impfung einen schweren Verlauf sehen.

Was sind das für Fälle?

Das sind Menschen, die schwere Vorerkrankungen haben. Ein prominentes Beispiel ist der frühere US-Außenminister Colin Powell, der einen schweren Knochenmarkkrebs hatte. Deswegen kam es wahrscheinlich zu diesem starken Corona-Durchbruch, an dem er am Ende verstorben ist.

Was bedeutet das für Auffrischimpfungen? Drittimpfung ja oder nein?

Auch in diesem Herbst und Winter wird sich diese Pandemie wahrscheinlich in den Alten- und Pflegeheimen entscheiden. Da ist es wichtig, dass Menschen mit Vorerkrankungen und Menschen, die in Alten- oder Pflegeheimen leben, eine dritte Impfung angeraten wird. Da hat auch die STIKO drauf hingewiesen. Es ist aber nicht notwendig für die Allgemeinbevölkerung, also für jeden, der ansonsten ein fittes Immunsystem hat.

Die Grippe ist auch wieder auf dem Vormarsch. Würden Sie eine Impfung da empfehlen?

Ja. Ich glaube jeder, der mal eine echte Grippe gehabt hat, ich hatte das im Jahr 2000 einmal, wird sich danach wieder gegen Grippe impfen lassen. Die STIKO rät generell allen über 60 Jahren, Schwangeren und Menschen, die viele Kontakte haben, sich impfen zu lassen. Die Grippe ist eine unangenehme, schwere Infektion, von daher rate ich dazu. Es ist aber vollkommen freiwillig. Wie stark die Grippewelle sein wird, können wir im Moment noch nicht vorhersagen.

Und parallel zur Corona-Impfung ist das kein Problem?

Das ist kein Problem. Die STIKO hat auch deutlich gesagt, dass man die Corona-Impfung und Grippe-Impfung auch gleichzeitig geben kann. Die haben mittlerweile genug Erfahrung mit beiden Impfstoffen gesammelt. Man muss sich das so vorstellen: In der einen Ecke trainiert das Handballteam, in der anderen Ecke das Fußballteam. Die kommen sich nicht in die Quere, die feuern sich eher gegenseitig sogar noch an.

Mit Hendrik Streeck sprach Marie Görz

Quelle: ntv.de

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