Autokorsos nach Erdogan-Sieg In Stuttgart eskaliert Gewalt zwischen feiernden Türken
29.05.2023, 17:02 Uhr Artikel anhören
Dieses Bild enstandt in Hamburg, wo Erdogan-Anhänger vor dem türkischen Konsulat feierten.
(Foto: picture alliance /)
Erdogans Wahlsieg begeistert Tausende in Deutschland lebende Türken - am Sonntagabend fahren viele von ihnen im Autokorso durch mehrere Städte, meist begleitet von Hupkonzerten. In Stuttgart kommt es zu fast tödlicher Gewalt.
Nach der Stichwahl in der Türkei haben Anhänger von Präsident Recep Tayyip Erdogan dessen Sieg in mehreren deutschen Städten mit Autokorsos und spontanen Versammlungen gefeiert. Teilweise kam es dabei zu Auseinandersetzungen und Schlägereien mit Sympathisanten des unterlegenen Herausforderers Kemal Kilicdaroglu. In Stuttgart gipfelte die Gewalt in einer Messerstecherei - ein junger Mann schwebte zwischenzeitlich in Lebensgefahr.
Wie die Polizei mitteilte, wurden am Sonntagabend in der baden-württembergischen Landeshauptstadt 13 Strafanzeigen gestellt, eine betraf ein versuchtes Tötungsdelikt. Hinzu kamen demnach sechs Körperverletzungen und mehrere Sachbeschädigungen. Nachdem das Wahlergebnis verkündet worden war, seien feiernde Menschen im Autokorso durch die Innenstadt gefahren, teilten die Beamten mit. Dabei sei es zu Streitereien und Handgreiflichkeiten gekommen. Mehrmals seien Fahrzeuge mit Flaschen und Steinen beworfen worden.
Der Tiefpunkt des Abends ereignete sich demnach kurz nach 22 Uhr auf der zentral gelegenen Theodor-Heuss-Straße, eine der wichtigsten Verkehrsachsen der Innenstadt. Eine "mehrköpfige Personengruppe" habe dort ein Auto angegriffen. Der 26-jährige Fahrer sei durch einen Messerstich verletzt worden. Zwei junge Männer, 18 und 19 Jahre alt, hätten ebenfalls Stichverletzungen erlitten - einer von ihnen habe in Lebensgefahr geschwebt, sei aber mittlerweile stabil, heißt es im Polizeibericht. Sie gehörten der Polizei zufolge "mutmaßlich zur angreifenden Gruppe." Die Beamten waren eigenen Angaben zufolge mit einem Großaufgebot im Einsatz.
Mannheim, Dortmund, Ulm
Auch in Mannheim gab es einen Autokorso. Laut Polizei kam es aber nur vereinzelt zu "körperlichen Auseinandersetzungen". Allerdings ermitteln die dortigen Beamten nun wegen eines in sozialen Medien kursierenden Videos, das in der Nacht entstanden sein soll. Es zeige einen Mann, "der augenscheinlich mit einer Schusswaffe in einem Cabriolet sitzend, zu sehen" sei.
In Dortmund bildeten zahlreiche Feiernde ebenfalls einen Autokorso, begleitet von einem Hupkonzert. Laut Mitteilung brauchte die Polizei mehrere Stunden, um den Verkehr abzuleiten. Zahlreiche Anwohner hätten sich wegen Ruhestörung beschwert. Am Borsigplatz habe ein Autofahrer einen Polizisten angegriffen.
In Ulm fuhren feiernde Erdogan-Anhänger im Autokorso mehrere Runden über den Altstadtring und veranstalteten ein Hupkonzert. Gegen 21 Uhr sperrte die Polizei eigenen Angaben zufolge den Ring, nachdem Appelle an die Feiernden folgenlos geblieben seien. Die Autofahrer hätten sich daraufhin an einem Baumarkt versammelt und Böller und Pyrotechnik abgebrannt und seien dann spontan Richtung Innenstadt gelaufen. Schließlich habe sich die Menge zerstreut. Später am Abend hätten "mehrere Unverbesserliche" erneut mit einem Hupkonzert begonnen. Die Polizei zeigte daraufhin mehrere Autofahrer wegen Lärmbelästigung an.
In Nürnberg versammelten sich laut Polizei spontan bis zu 1000 Menschen in der Innenstadt, nachdem ein Autokorso mit rund 100 Fahrzeugen durch die Stadt gefahren war. Dort blieb es offenbar friedlich. Lediglich das Abbrennen eines "bengalischen Feuers", meldeten die Beamten als sicherheitsrelevante Störung. Ein weiterer Autokorso sei unterbunden worden.
Erdogan hatte am Sonntag die Stichwahl gegen seinen Herausforderer Kilicdaroglu gewonnen. Die rund 1,5 Millionen in Deutschland lebenden stimmberechtigten Türken hatten zu gut zwei Dritteln für den Amtsinhaber gestimmt - insgesamt war das Ergebnis wesentlich knapper. Erdogan kam auf gut 52 Prozent aller Stimmen.
Quelle: ntv.de, vpe