Kein Beischlaf am Schabbat Jüdische Ehefrauen treten in Sex-Streik


Kiryas Joel ist eine Siedlung, in der ultra-orthodoxe Jüdinnen und Juden leben.
(Foto: AP)
In der jüdisch-orthodoxen Gemeinde Kiryas Joel ist gerade in einigen Ehebetten Flaute. Und das, obwohl die Liebe frisch wie eh und je ist. Doch die Frauen solidarisieren sich mit Malky Berkowitz, die sich seit Jahren nicht scheiden lassen darf.
Kiryas Joel ist eine ultra-orthodoxe jüdische Gemeinde in der Nähe von New York. Normalerweise ist das Leben dort recht friedlich und von den religiösen Regeln geprägt. Doch nun herrscht große Aufregung, denn etwa 800 Frauen sind dort in einen Sex-Streik getreten. Damit wollen sie sich zu einem heiklen Thema Gehör verschaffen.
Ihr Protest richtet sich gegen ein religiöses Gesetz, das Frauen de facto die Möglichkeit zur Scheidung verweigert. Den konkreten Anlass lieferte die 29-jährige Malky Berkowitz. Sie versucht seit vier Jahren, sich von ihrem Mann Volky scheiden zu lassen.
Allerdings weigert sich ihr Mann seit der Trennung 2020, ihr einen Get zu geben. Der Get ist sozusagen ein religiöses Scheidungsdokument, verfasst in aramäischer Sprache, in dem der Mann erklärt, dass die Frau nicht mehr an ihn gebunden ist. Drei Rabbiner müssen das Dokument unterschreiben, dann ist die Scheidung rechtskräftig.
Möglich ist eine Scheidung für ultra-orthodoxe Jüdinnen ohnehin nur unter sehr engen Voraussetzungen, beispielsweise, wenn der Mann sich weigert, mit seiner Frau Geschlechtsverkehr zu haben, seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt, seiner Frau untreu ist, seine Frau gewohnheitsmäßig schlägt oder an einer abstoßenden Krankheit leidet. Beantragen kann die Scheidung nur der Mann.
Schabbat-Sex abgesagt
Die orthodoxe Influencerin Adina Sash, im Internet bekannt als "flatbushgirl", hatte dazu aufgerufen, am Schabbat im Ehebett zu streiken. Der Freitagabend, der im orthodoxen Judentum als besonderer Zeitpunkt für die eheliche Erotik gilt, sei "abgesagt", schrieb sie. Mehr als 800 Frauen hätten sich dem Boykott bereits angeschlossen.
Ziel ist es, Druck auf die Partner auszuüben, damit diese Malky Berkowitz und ihren Scheidungswunsch unterstützen. Zuvor hatten sich die Frauen bereits an die Familie des trennungsunwilligen Ehemanns und an verschiedene Rabbiner gewandt, außerdem gab es Proteste in Synagogen. Letztlich gehe es aber darum, US-Gerichte dazu zu bringen, die Verweigerung des Get als eine Form von Missbrauch anzuerkennen. US-Medienberichten zufolge ist Kiryas Joel, das etwa eine Stunde von New York entfernt liegt, relativ isoliert. Frauen müssten dort beispielsweise die Erlaubnis ihres Rabbiners einholen, um Fälle häuslicher Gewalt bei der Polizei anzuzeigen.
Durch die Weigerung des Ehemanns, ihr den Get zu geben, ist Malky Berkowitz zur "Aguna" geworden, einer Angeketteten. Sie bleibt an den Mann gebunden, mit dem sie bereits seit vier Jahren nicht mehr lebt. Eine neue Eheschließung ist ausgeschlossen. Kritiker beschreiben die Verweigerung des Get auch als mögliches Druckmittel im Scheidungsprozess. Männer könnten ihre Zustimmung so lange zurückhalten, bis von ihnen gestellte Bedingungen erfüllt sind. Das können hohe Geldzahlungen sein oder auch die Abtretung des Sorgerechts für gemeinsame Kinder.
Schaden für gesunde Beziehungen?
In der Gemeinde findet die Forderung nach einem Sex-Streik allerdings nicht nur Anklang. Die streikenden Frauen wurden mit Eiern beworfen und in sozialen Medien beschimpft. Einige orthodoxe Ehefrauen signalisierten die Unterstützung für das Anliegen, Adunas zu einem Get zu verhelfen, finden aber, dass ein Sex-Streik das falsche Mittel ist. Dadurch könnten intakte Beziehungen gestört oder gefährdet werden, argumentieren sie. Der bekannte Rabbi David Bashevkin, der in seinem 18Forty-Podcast regelmäßig Aspekte jüdisch-orthodoxen Lebens erkundet, kritisierte die Aktion auf X. Der Weg, kaputte Beziehungen zu thematisieren, sei nicht, noch mehr kaputte Beziehungen zu kreieren.
Rabbi Efrem Goldberg, leitender Rabbiner einer Synagoge in Florida, postete einen kryptischen Tweet, den viele als Hinweis auf den Sex-Streik verstanden. Er schrieb: "Beschädigen Sie nicht eine gute Beziehung, indem Sie etwas zurückhalten, das niemals als Druckmittel verwendet werden sollte, um etwas zu bekommen, das niemals als Druckmittel am Ende einer beschädigten Beziehung zurückgehalten werden sollte."
Auch der prominente amerikanisch-orthodoxe Rabbiner Rav Herschel Schachter fühlte sich zu einer Erklärung genötigt. Er nannte den Streik eine "furchtbar destruktive Idee". Seiner Meinung nach sollte Intimität zwischen Mann und Frau ein Teil einer gesunden Ehe sein, schrieb er, räumte aber gleichzeitig ein, dass Sex-Streiks sich manchmal als erfolgreiche Strategie erwiesen hätten.
Inzwischen passten die jüdischen Frauen ihren Protest etwas an. Die neue Taktik heißt "Mikwe"-Streik. Orthodoxe jüdische Frauen tauchen nach dem Ende ihrer Menstruation in eine Mikwe, ein rituelles Bad, ein. Erst danach dürfen sie wieder Sex mit ihren Männern haben. Wenn das Bad aber ausfällt, ist das nicht möglich.
Quelle: ntv.de