Panorama

Im Osten könnte es knapp werden Krankenhäuser überstehen Omikron-Welle

Es liegen viele Patienten mit Covid-19 im Krankenhaus, aber nur wenige von ihnen benötigen eine Intensivbehandlung.

Es liegen viele Patienten mit Covid-19 im Krankenhaus, aber nur wenige von ihnen benötigen eine Intensivbehandlung.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Omikron treibt die Zahl der Hospitalisierungen kräftig nach oben. Doch die Patienten unterscheiden sich größtenteils von denen vorausgegangener Corona-Wellen. So ist die Lage in vielen Krankenhäusern zwar angespannt, aber eine Überlastung ist höchstens regional zu erwarten.

Noch nie in der Corona-Pandemie haben die Fallzahlen so extreme Werte erreicht wie derzeit in der Omikron-Welle. Inzidenzen über 2000 sind keine Seltenheit, laut RKI-Modellierungen könnten in der Spitze inklusive Dunkelziffer 300.000 Neuinfektionen pro Tag oder mehr erreicht werden. Bis zum 1. April könnten sich in Deutschland 16,5 Millionen Menschen anstecken, etwa ein Fünftel der Bevölkerung.

Das sind Zahlen, die noch im vergangenen Dezember das Gesundheitssystem hätten kollabieren lassen. Doch Impfungen, überstandene Infektionen und die mildere Omikron-Variante haben die Situation verändert. So wie es jetzt aussieht, kommen auf die Kliniken zwar noch harte Wochen zu, aber eine Überlastung ist nicht in Sicht.

Krankenhäuser füllen sich rasch

Aktuell füllen sich die Krankenhäuser rasant mit Covid-19-Patienten. Dem RKI-Dashboard zufolge hat sich die adjustierte Hospitalisierungsinzidenz in Deutschland seit dem 8. Januar von rund sechs auf etwa elf Fälle pro 100.000 Einwohner und Woche bereits fast verdoppelt. Besonders stark ist dieser Wert in Mecklenburg-Vorpommern angestiegen und liegt mit 18,5 weit über der bundesweiten Inzidenz.

Angesichts der nur durchschnittlichen Fallzahlen von 1335 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner könnte es sich um eine Statistik-Unschärfe handeln. Denn adjustiert heißt, dass in Deutschland die Hospitalisierungsinzidenz wegen mangelhafter Daten geschätzt werden muss, relativ genau sind nur etwa zwei Wochen alte Zahlen.

Trendumkehr auf Intensivstationen

Das Gegenteil trifft auf das DIVI-Intensivregister zu, das sehr genau die Situation auf deutschen Intensivstationen widerspiegelt. Und hier sieht man, dass es in Mecklenburg-Vorpommern eine deutliche Trendumkehr gegeben hat. Seit dem 25. Januar ist dort die Zahl der gemeldeten Covid-19-Intensivpatienten von 64 auf 77 gestiegen.

Auch bundesweit ist der Rückgang gestoppt und die Corona-Intensivfälle nehmen insgesamt wieder zu. Der besonders deutliche Anstieg in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Alarmzeichen für die anderen östlichen Bundesländer mit niedrigen Impfquoten bei der älteren Bevölkerung.

Nicht ohne Grund sagte RKI-Chef Lothar Wieler heute: "Was mir - nicht nur in Hinsicht Omikron - Sorge macht, ist, dass es bei den über 60-Jährigen immer noch viele Ungeimpfte gibt." Gestern twitterte der Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, es gäbe auf den Intensivstationen eine deutliche Verschiebung zu den über 60-Jährigen.

Viele ungeimpfte über 60-Jährige sind ein Problem

Insgesamt haben in der Bundesrepublik in dieser Altersgruppe lediglich 88,3 Prozent eine Grundimmunisierung (doppelt geimpft), 88,6 Prozent wurden mindestens einmal geimpft, 75 Prozent sind geboostert. Der Anteil der über 60-Jährigen an der Bevölkerung beträgt knapp 29 Prozent, rund 24,1 Millionen Menschen. Das bedeutet, fast 2,9 Millionen dieser Altersgruppe sind gar nicht oder unzureichend geschützt.

Knapp 555.000 der 1,61 Millionen Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns sind über 60 Jahre alt. Von ihnen sind 88,2 Prozent grundimmunisiert, 75,3 Prozent haben eine Auffrischung erhalten. Das heißt, rund 65.000 über 60-Jährige haben ein hohes Risiko, bei einer Omikron-Infektion schwer zu erkranken. Das Ergebnis sieht man jetzt in den Krankenhäusern.

Sachsen könnte härter getroffen werden

Mecklenburg-Vorpommern hat im Vergleich zu Sachsen noch vergleichsweise hohe Impfquoten, wo lediglich 82,1 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre grundimmunisiert sind. Rund 1,4 Millionen der etwa 4 Millionen Sachsen sind in dieser Altersgruppe, das heißt knapp 259.000 von ihnen sind höchst gefährdet. Hinzu kommt, dass das Bundesland mit 8,6 Prozent den höchsten Anteil an Menschen über 80 Jahre hat (349.000)

Noch hat das Bundesland mit 963 Neuinfektionen die drittniedrigste 7-Tage-Inzidenz der Bundesrepublik, aber die "Omikron-Wand" baut sich dort bereits auf. Und trotz der noch relativ geringen Fallzahlen deutet sich auch in Sachsen schon ein Umkehrtrend auf den Intensivstationen an, seit Freitag ist dort die Zahl der Covid-19-Patienten von 140 auf 155 gestiegen.

Neue Intensiv-Höchststände nicht zu erwarten

Thüringen oder Brandenburg könnten mit schwachen Impfquoten, aber hohen Altersmedianen ebenfalls noch in Schwierigkeiten kommen. Insgesamt sind aber auch dort keine neuen Höchststände auf den Intensivstationen zu erwarten, von denen alle Bundesländer derzeit weit entfernt sind.

Stehvermögen ist aber gefragt, wie man in Bremen sehen kann. Die Stadt hat den Höhepunkt der Omikron-Welle zwar schon überschritten und jetzt nur noch eine durchschnittliche 7-Tage-Inzidenz von 1362. Doch die Kurve sinkt nicht mehr, sondern bewegt sich seit etwa einer Woche seitwärts.

BA.2 könnte Welle verlängern

Dies könnte an der Ausbreitung der Omikron-Untervariante BA.2 liegen, die einer aktuellen dänischen Studie (Preprint) nach noch übertragbarer als die derzeit noch dominante BA.1-Variante ist. BA.2 werde sich auch in Deutschland durchsetzen und könne die Omikron-Welle verlängern, erwartet Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

Außerdem machen sich steigende oder fallende Neuinfektionen erst mit einigen Wochen Verzögerung auf den Intensivstationen bemerkbar, weshalb in Bremen in den Krankenhäusern noch keine Entspannung zu beobachten ist. Aber auch in der Hansestadt liegt man aktuell mit 28 Corona-Intensivpatienten noch deutlich unter den Höchstwerten im April 2021 mit über 50 Fällen.

Normalstationen tragen Hauptlast

Die größte Belastung der Kliniken findet in der Omikron-Welle auf den Normalstationen statt, wo die Zahl der Covid-19-Aufnahmen drastisch ansteigt. Das kann man sehr gut in Berlin beobachten, das genauere Hospitalisierungs-Zahlen hat, weil es sie direkt aus dem Krankenhaus-Register IVENA bezieht.

Die stationären Corona-Fälle steigen in der Hauptstadt seit Anfang Januar steil an und haben jetzt mit 1442 Patienten den zweithöchsten Stand in der Pandemie erreicht. Bei einer Verdopplung von derzeit alle 35 Tage könnten die Höchstwerte von mehr als 1700 Covid-19-Hospitalisierungen vom Jahreswechsel 2020/21 schon bald erreicht werden.

Weniger beatmete Patienten

Doch die Entwicklung spiegelt sich kaum auf den Berliner Intensivstationen wider, von den 1442 Hospitalisierten liegen 1045 auf Normalstationen. In der Hauptstadt trifft zu, was Christian Karagiannidis derzeit allgemein beobachtet: Die Belegung steigt nicht oder nur wenig, und die Patienten müssen seltener beatmet werden (- 25 Prozent).

So könnten auch die Berliner Krankenhäuser mit Ach und Krach durch die Omikron-Welle kommen, obwohl sie mit nur noch 8,5 Prozent freien Betten ihre Kapazitäten voll ausgelastet haben. Das Gleiche gilt für Bremen, das mit 2,8 Prozent derzeit den niedrigsten Wert aller Bundesländer aufweist. Im Notfall sollten Patienten nach dem Kleeblatt-System verteilt werden können.

Mit oder wegen Covid-19 macht kaum einen Unterschied

Die hohe Zahl der Corona-Patienten auf den Normalstationen ist allerdings ein großes Problem. Die Kliniken leiden unter massiver Personalnot und auch leichte Covid-19-Fälle müssen isoliert und unter hohem Aufwand untergebracht und behandelt werden. Viele Patienten werden dabei erst im Krankenhaus positiv getestet, werden also nicht wegen, sondern mit Covid-19 eingeliefert. Die Unterscheidung ist dabei nicht immer leicht und die Verhältnisse in den Kliniken nicht immer gleich.

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In Bayern beispielsweise gab das Uniklinikum rechts der Isar in München an, die Mehrheit komme "nicht mehr wegen schwerer Covid-19-Verläufe, sondern aus anderen medizinischen Gründen und einer nebenbefundlichen Sars-CoV-2-Infektion". Das Klinikum der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität bezifferte den Anteil der wegen einer Sars-CoV-2-Infektion aufgenommen Patienten auf über 65 Prozent. Am Rosenheimer Hauptstandort der RoMed-Klinken wurden am vergangenen Mittwoch von 32 Corona-Patienten auf Normalstationen 15 wegen der Hauptdiagnose Corona behandelt - bei den 17 anderen war Covid der Nebenbefund.

So oder so ergeben die von den RKI-Modellierern erstellten Szenarien, dass die Omikron-Welle wahrscheinlich spätestens Ende Februar oder Anfang März ihren Höhepunkt in Deutschland überschreitet, voraussichtlich ohne dabei zu einer Überlastung des Gesundheitssystems zu führen.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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