Impfpflicht für Pflegepersonal Auch CDU-Länder machen Söder-Kurs nicht mit
08.02.2022, 17:35 Uhr
Vor einem Jahr war CSU-Chef Markus Söder einer der ersten, die eine Impfpflicht für Pflegekräfte forderten.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bayerns Ministerpräsident Söder will das Bundesgesetz zur sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht durchsetzen. Auch aus CDU-geführten Bundesländern kommt Unverständnis - aus SPD-Ländern zudem scharfe Kritik.
Die Ankündigung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, die Impfpflicht für Klinikpersonal und Pflegekräfte "de facto" auszusetzen, stößt in anderen Bundesländern auf teils massive Kritik.
Es gebe ein gültiges Bundesgesetz, das sowohl vom Bundestag als auch - hier sogar einstimmig, also auch mit den Stimmen Bayerns - vom Bundesrat beschlossen worden sei, heißt es aus der Staatskanzlei des CDU-geführten Sachsen-Anhalt. Dieses Gesetz könne nicht "ausgesetzt" werden, sondern sei "bis auf Weiteres geltende Rechtsgrundlage". Die Konferenz der Gesundheitsminister der Länder habe zur einrichtungsbezogenen Impfflicht auch "konkrete Beschlüsse zur Umsetzung gefasst", an denen Bayern ebenfalls beteiligt gewesen sei. "Auch deshalb können wir die Diskussion nur schwer nachvollziehen", sagte ein Regierungssprecher in Magdeburg auf Anfrage von ntv.
Auch das ebenfalls CDU-geführte Schleswig-Holstein hält an der Umsetzung der Impfpflicht für Personal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen fest. "Wir werden in Schleswig-Holstein Kurs halten", sagte Ministerpräsident Daniel Günther. Im Mittelpunkt stehe insbesondere der Schutz vulnerabler Gruppen. "Und deswegen brauchen wir die Impfpflicht, speziell auch in den Einrichtungen der Pflege. Das werden wir in Schleswig-Holstein auch zu Mitte März umsetzen."
Günther sagte, er habe Verständnis dafür, "dass Kolleginnen und Kollegen die Situation in ihren Bundesländern beurteilen müssen". Die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sei aber keine Idee der Bundesregierung gewesen, sondern sei abgestimmt mit den Bundesländern.
In Bundestag und Bundesrat hatte die Union mit Ja gestimmt
Die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht war im Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden: Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Kliniken und Pflegeheime müssen bis zum 15. März 2022 nachweisen, dass sie vollständig gegen Corona geimpft oder von Corona genesen sind. Auch ein ärztliches Attest, dass man nicht geimpft werden kann, ist möglich.
Söder hatte am Montag angekündigt, die gesetzliche Impfpflicht für Personal in Kliniken und Pflegeheimen zunächst nicht umzusetzen. Er sei dafür, hier "großzügigst" vorzugehen, "was de facto auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft", sagte der CSU-Chef. Vor einem Jahr war Söder einer der ersten, die eine solche Impfpflicht gefordert hatten. Nach Söders Ankündigung forderte CDU-Chef Friedrich Merz eine bundesweite Aussetzung des Gesetzes. Im Bundestag hatten auch CDU und CSU fast geschlossen für die einrichtungsbezogene Impfpflicht gestimmt.
Hessen hat noch Fragen
Der Ministerpräsident von Hessen, Volker Bouffier, forderte die Bundesregierung auf, "umgehend konkrete Vorgaben den Bundesländern zur Verfügung zu stellen, wie die einrichtungsbezogene Impfpflicht umgesetzt werden soll", wie ein Sprecher der hessischen Landesregierung sagte. Ansonsten halte der CDU-Politiker diese Impfpflicht für derzeit nicht vernünftig umsetzbar. Unklar sei beispielsweise, ob und nach welchen Regeln eine Lohnfortzahlung für bislang noch ungeimpftes Personal möglich sei. Auch hätten die Gesundheitsämter keinerlei Vorgaben, ob und wie sie bei akutem Personalmangel in den betreffenden Einrichtungen Ausnahmen genehmigen können.
Die Landesregierung des rot-rot-grün regierten Thüringen teilte mit, sie werde sich nicht an Bayern orientieren. Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, erklärte, man halte sich an die Vereinbarung, "die alle Länder und der Bund getroffen haben". Sie befürworte ein bundesweit einheitliches Verfahren, sagte die SPD-Politikerin. "Die Impfung ist und bleibt der Weg aus der Pandemie, auch in dieser Phase und auch für den kommenden Herbst."
"Verantwortungs- und rücksichtslos von Söder und Merz"
Die Regierungssprecherin von Rheinland-Pfalz teilte mit, die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei "geltendes Bundesrecht und Rheinland-Pfalz hält sich an geltendes Bundesrecht". Die Umsetzbarkeit sei klar geregelt, "sie findet in Anlehnung an die Regelungen zur Masernimpfpflicht statt". Die Sprecherin nannte es "verantwortungs- und rücksichtslos von Markus Söder und dem neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz", im Alleingang die einrichtungsbezogene Impfpflicht aufzukündigen.
"Die Union hat am lautesten eine Impfpflicht gefordert, sie hat für die Impfpflicht in der Pflege im Bundestag und im Bundesrat gestimmt, und jetzt kündigen Söder und Merz an, das Bundesgesetz nicht umzusetzen", sagte die Regierungssprecherin. "Das ist ein politischer Zick-Zack-Kurs aus parteipolitischem Kalkül."
Auch das Saarland betonte, man halte sich "selbstverständlich" an die Bundesgesetzgebung. Das Gesundheitsministerium des Landes arbeite "in enger Abstimmung mit den Einrichtungsträgern" an Übergangslösungen, "um die Versorgung zu gewährleisten und unzumutbare Härten für die Beschäftigten zu vermeiden". Gleichzeitig appellierte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans an die Bundesregierung, die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht temporär auszusetzen, bis offene Fragen geklärt seien "und idealerweise auch über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht entschieden wird".
NRW will Impfpflicht "praxisorientiert" umsetzen
Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, schloss sich zwar der Kritik an der einrichtungsbezogenen Impfpflicht an, will aber "einen möglichst praxisorientierten Weg suchen, sie umzusetzen". Der Bundesregierung warf er vor, es bis heute versäumt zu haben, für die einrichtungsbezogene Impfpflicht wesentliche bundeseinheitliche Regeln vorzulegen.
Die Landesregierung des SPD-geführten Niedersachsen will für die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht eine digitale Meldeplattform bereitstellen, über die Kliniken und Pflegeeinrichtungen ungeimpfte Mitarbeiter ab dem 16. März - wie von dem Gesetz vorgesehen - an die örtlichen Gesundheitsämter melden können. "Mit der Meldung an das örtliche Gesundheitsamt beginnt eine Einzelfallprüfung", deren Ergebnis Bußgelder, Betretungs- oder Tätigkeitsverbote sein könnten. "Ein Automatismus, der ungeimpften Beschäftigten die Betretung der Einrichtung ab dem 16. März untersagt, ist im Gesetz hingegen nicht vorgesehen."
Die Gesundheitsministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Stefanie Drese, sagte, Bayern kündige "den Konsens auf, die vulnerablen Menschen bestmöglich zu schützen". Das sei inakzeptabel, so die SPD-Politikerin. Allerdings heißt es auch von der Landesregierung in Schwerin, man habe, zum Beispiel in der Gesundheitsministerkonferenz, dem Bund verdeutlicht, "dass eine ganze Reihe von Fragen noch nicht oder nicht abschließend beantwortet ist". Dazu gehörten etwa die Prüfung von Nachweisen und Ausnahmetatbeständen, die rechtssichere Einbindung der Arbeitgeber, die Art und Geltungsdauer der Sanktionen sowie die Frage einheitlicher Kontrollen. Zugleich erklärte ein Sprecher der Landesregierung, man treibe die Vorbereitungen zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht weiter intensiv voran.
Quelle: ntv.de, hvo/psa/dpa