Dammbruch bei Augsburg Mehrere Landkreise rufen Katastrophenfall aus
01.06.2024, 13:20 Uhr Artikel anhören
Die B312 ist in Ochsenhausen (Landkreis Biberach, südlich von Ulm) durch den über die Ufer getretenen Fluß Rottum komplett überschwemmt. Teile der Innenstadt stehen unter Wasser.
(Foto: picture alliance/dpa)
Im Süden Deutschlands steigen die Pegelstände der Flüsse nach starkem Dauerregen in der Nacht gefährlich an. Viele Gemeinden müssen Warnungen aussprechen, für mehrere Städte wird sogar der Katastrophenfall ausgerufen. Im schwäbischen Landkreis Augsburg sind bereits ein Deich und ein Damm gebrochen.
Die Lage an einigen Flüssen im Süden Deutschlands spitzt sich angesichts heftiger Regenfälle zu. In Bayern riefen die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg, Günzburg und Pfaffenhofen den Katastrophenfall aus. In Augsburg brachen ein Deich und ein Damm. Das teilte das Landratsamt mit. Bewohner in bestimmten Straßenzügen in dem Ort Diedorf müssen ihre Wohnhäuser verlassen. Aufgrund der hohen Wassermassen werde eine Evakuierung im Diedorfer Ortsteil Anhausen vorbereitet, teilte das Landratsamt Augsburg mit. "Es ist nicht mehr ausreichend, sich in höhere Stockwerke zu begeben."
Über aktuelle Entwicklungen im Hochwassergebiet berichtet ntv.de auch im Liveticker.
Auch in Burgwalden sei ein Damm gebrochen und ein Deich am Anhauser Weiher habe nachgegeben, heißt es von den Behörden. Alle Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Bereiche sollten sich unverzüglich innerhalb der nächsten Stunde selbstständig in die Diedorfer Schmuttertalhalle begeben. Die Behörden riefen auch auf, sich von Bahnunterführungen fernzuhalten. Teils könnten Fluten dort abfließen. Es bestehe Lebensgefahr.

Die Wasserwacht erkundet mit Jetski die Hochwasser-Lage im Landkreis Augsburg.
(Foto: picture alliance/dpa/tv7news)
Auch in weiteren Landkreisen sei damit zu rechnen, dass die Pegelstände in den kommenden Stunden weiter stark ansteigen, teilten die Behöreden mit. In Fischach im Landkreis Augsburg retteten Helfer Menschen mit einem Hubschrauber aus ihren von den Fluten eingeschlossenen Häusern. Laut Polizei trat dort die Schmutter weit über die Ufer. Es seien auch Boote und Wasserwacht unterwegs, um Menschen aus umspülten Häusern zu holen. Menschen wurden bereits in Sicherheit gebracht - teils mit Booten.
Für mehrere Landkreise rief der Deutsche Wetterdienst (DWD) die höchste Unwetterwarnstufe aus. Seit Stunden fällt vor allem im Süden Deutschlands teils heftiger Regen. Laut DWD gelten für das westliche Schwaben, das Oberallgäu und Oberbayern die höchste Warnstufe 4. Dort seien teils Niederschlagsmengen von bis 120 Liter pro Quadratmeter möglich. Für Mittel- und Oberfranken gelte die Warnstufe 3 mit Regenmengen von 40 bis 70 Liter. Ab dem Nachmittag könne es punktuell in Nordbayern starke Gewitter geben.
Auch Baden-Württemberg stark betroffen
Zugausfälle und Störungen beeinträchtigen den Bahnverkehr. Besonders zwei ICE-Strecken sind betroffen, hieß es von der Deutschen Bahn. Zwischen München, Bregenz und Zürich fahren wegen des Hochwassers den ganzen Samstag keine Züge mehr. Die Strecke zwischen Ulm und Augsburg ist ebenfalls betroffen. Die dortigen Fernzüge der Verbindung zwischen Stuttgart und München werden über Ansbach umgeleitet.
Neben Bayern ist auch Baden-Württemberg stark betroffen. In dem Erholungsort Wiesensteig (Kreis Göppingen) drang Hochwasser in ein Wasserwerk ein. Es gilt daher ein Abkochgebot - das heißt, Wasser soll vor dem Benutzen abgekocht werden. Wiesensteig mit seinen rund 2100 Einwohnern liegt eingebettet im oberen Talstück der Fils.
Befürchtet wird mancherorts ein Jahrhunderthochwasser. Das ist eine rechnerische Größe und bezeichnet ein Hochwasser, das im statistischen Mittel einmal in hundert Jahren erreicht oder überschritten wird. Viele Unwetterwarnungen gelten mit Stand Samstagmittag zunächst bis Sonntag, einige bis in den Montag hinein. Nach Angaben der Meteorologen sind seit 8.00 Uhr am Freitag im bayerischen Sigmarszell-Zeisertsweiler 135 Liter pro Quadratmeter binnen 24 Stunden gefallen. In Kißlegg in Baden-Württemberg seien es 130 Liter gewesen.
In mehreren Städten in den beiden Bundesländern kamen bis zum frühen Samstagmorgen Niederschlagsmengen von mehr als 100 Litern pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden zusammen. Großflächige Überflutungen gab es bis Samstagmittag nicht. Allerdings traten vielerorts Flüsse und Bäche über die Ufer. Im schwäbischen Landkreis Unterallgäu sind rund 150 Menschen aufgerufen, freiwillig ihre Häuser zu verlassen. Allein in der Ortschaft Babenhausen seien rund 100 Menschen betroffen, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes. Die Menschen sollten teils mit Booten geholt werden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) wollten noch am Samstag in das schwäbische Hochwassergebiet reisen.
In Bayern gab es bereits zahlreiche Einsätze bei der Polizei. Wie Sprecher der zuständigen Polizeipräsidien am Samstagmorgen mitteilten, konzentrierten sich die Einsätze vor allem auf Schwaben und das nördliche Oberbayern. Bei Autounfällen infolge des Regens wurden auf der Autobahn 9 am Freitag nach Polizeiangaben mehrere Menschen verletzt. Immer wieder wurden Keller und Straßen überflutet. Einsatzkräfte und Anwohner von Flüssen mit steigenden Pegeln wappneten sich mit Sandsäcken.
Im baden-württenbergischen Friedrichhafen am Bodensee an der dortigen Messe wurde laut Feuerwehr ein zentrales Sandsack-Lager in Auftrag gegeben. Rund 10.000 Sandsäcke sollen demnach aus einem Nachbarkreis dorthin gebracht werden. Hunderte Einsatzkräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Deutschem Roten Kreuz halfen. Besonders im Fokus steht dabei die Bodensee-Region: Wegen akuter Überflutungsgefahr wurde am Freitagabend rund 1300 Menschen in Meckenbeuren geraten, ihr Zuhause zu verlassen. Die Lage habe sich zwischenzeitlich ein wenig entspannt, sagte der Feuerwehrsprecher. Generell gehe man davon aus, dass die Pegelstände wieder etwas sinken könnten, da viel Wasser schon abgeflossen sei, etwa in den Bodensee. Eine Schule sei mit Sandsäcken gesichert worden, weil noch nicht klar sei, ob die Schussen an der Stelle überlaufen werde.
Nicht weit entfernt in Weingarten bei Ravensburg sprach die Stadt am Morgen auch von einer entspannteren Lage. Entwarnung könne man aber noch nicht geben, sagte eine Sprecherin. Bewohnern war am Freitagabend geraten worden, bei Verwandten und Freunden außerhalb der von steigenden Pegelständen gefährdeten Gebiete zu übernachten und Kellerräume und Untergeschosse zu meiden. In Wangen im Allgäu war am Freitagabend Hochwasseralarm ausgelöst worden. Die Landesgartenschau bleibe aus Sicherheitsgründen am Samstag geschlossen, teilte eine Sprecherin der Stadt mit. "Es ist viel Wasser im Fluss, und es ist noch nicht klar, wie sich die Lage weiterentwickelt."
128 Liter Regen pro Quadratmeter binnen 24 Stunden
In Lindau am Bodensee wurden am Freitagabend bereits erste Straßen und Unterführungen überflutet und der Stadtbus-Verkehr musste eingestellt werden. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk waren im Dauereinsatz. Aus einem Mehrfamilienhaus mussten Bewohner evakuiert werden, da durch eingedrungenes Wasser die Möglichkeit eines Kurzschlusses bestand.
In Teilen Baden-Württembergs und Bayerns gilt für Samstag laut Deutschem Wetterdienst (DWD) vielerorts die höchste Warnstufe. Die Niederschlagsmengen in der Nacht entsprachen weitgehend den Prognosen. Im schwäbischen Sigmarszell im Landkreis Lindau fielen innerhalb eines Tages rund 128 Liter Regen pro Quadratmeter. In Ottobeuren im Landkreis Unterallgäu sowie in Wangen im Allgäu (Landkreis Ravensburg) waren es rund 108 Liter. In Kißlegg fielen rund 105 Liter, in Weiler-Simmerberg im Landkreis Lindau circa 104 Liter.
Die dadurch anschwellenden Wasserstände der Flüsse lösen auch Sorgen weiter nördlich aus, etwa an der Donau sowie an deren weiterer Zuflüsse. Hier wird teils mit Überflutungen gerechnet, wie sie statistisch nur alle 50 bis 100 Jahre vorkommen.
Der Fluss Zusam im Landkreis Augsburg trat bereits über die Ufer, überspülte in der Marktgemeinde Fischach Straßen und flutete einige Keller. Es habe aber weder große Schäden noch Verletzte gegeben, teilte die Polizei am frühen Samstagmorgen mit. Die Zusam erreichte laut dem Hochwassernachrichtendienst Bayern am Pegel Fleinhausen in der Nacht die Meldestufe drei von vier.
"Wir nehmen die Situation sehr ernst"
Unweit davon rief am Freitagabend der Landkreis Günzburg den Katastrophenfall aus - vorbeugend. In der Region gehe es darum, die potenziell betroffenen Städte und Gemeinden besser unterstützen zu können, teilte das Landratsamt mit. Dafür seien Einsatzkräfte aus dem gesamten Landkreis nötig.
Nach dem Landkreis Günzburg sind auch im Landkreis Aichach-Friedberg, im Landkreis Neu-Ulm und in Augsburg der Katastrophenfall ausgerufen worden. In Günzburg seien die Pegelstände eines Jahrhunderthochwassers bereits erreicht worden, teilte das zuständige Landratsamt mit. Ein hundertjährliches Hochwasser ist eine rechnerische Größe und bezeichnet ein Hochwasser, das im statistischen Mittel einmal in hundert Jahren erreicht oder überschritten wird.
Laut einer Sprecherin des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth werden am Samstag an Günz, Mindel und Schmutter entsprechende Wasserstände erwartet. In Donauwörth könnte die Meldestufe am Sonntagabend oder in der Nacht zu Montag erreicht werden. Camping- und Freizeitplätze an den Flüssen Günz, Kammel und Mindel sollen geräumt werden - hier dürften während der Pfingstferien viele Gäste des Freizeitparks Legoland verweilen.
Im Landkreis Biberach wurden Menschen in betroffenen Gebieten dazu aufgerufen, auf ihre Sicherheit zu achten. Dort bestehe potenziell Lebensgefahr. Sie sollten Notfallgepäck vorbereiten und die NINA-Warnapp auf das Smartphone laden, um zeitnahe Informationen zu erhalten - so eingestellt, dass bei einer Evakuierungsmeldung ein Alarm ertönt. "Dazu muss das Handy angeschaltet sein und darf sich nicht im Flugmodus befinden", hieß es aus dem Landratsamt der besonders betroffenen Region Ravensburg.
Hochwasserrisiko auch in Hessen, Unwettergefahr in Ostdeutschland
Auch in anderen Regionen haben die Niederschläge die Wasserstände in Flüssen ansteigen lassen - und weitere Zuwächse werden erwartet. In Hessen ist laut dem regionalen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie ein statistisch nur alle 20 Jahre auftretendes Hochwasser an Rhein und Neckar möglich.
Im Osten Deutschlands müssen sich die Menschen laut DWD auf viel Regen, teils auch auf Gewitter einstellen. Allerdings treffe das Unwetter Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt voraussichtlich weniger stark als zunächst befürchtet.
Weitere Entwicklungen lesen Sie in unserem Liveticker zum Hochwasser.
Quelle: ntv.de, jaz/hny/dpa