Panorama

Prozess um MissbrauchsfallMutter des Staufener Jungen plant Aussage

11.06.2018, 13:53 Uhr
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Nach Überzeugung der Anklage wusste die Mutter, was ihrem Sohn angetan wird. (Foto: picture alliance/dpa)

Sie gelten als die Haupttäter im Missbrauchsfall um einen inzwischen neunjährigen Jungen: seine Mutter und sein Stiefvater. Nun stehen sie gemeinsam vor Gericht, die Anklage listet in drei Stunden mehr als 50 Taten auf.

Vor der Jugendkammer des Landgerichts Freiburg hat der Prozess gegen die Mutter und den Stiefvater des im Darknet zum sexuellen Missbrauch verkauften Jungen aus Staufen begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft der 48 Jahre alten Berrin T. und dem 39 Jahre alten Christian L. unter anderem besonders schwere Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, besonders schwere Zwangsprostitution und Verbreitung kinderpornografischer Schriften vor.

Der Fall war vor fünf Monaten von den Ermittlern öffentlich gemacht worden und sorgt seither bundesweit für Entsetzen. Experten sprechen von einem beispiellosen Missbrauchsfall. Die Verlesung der Anklage gegen das Paar zog sich über mehr als drei Stunden. Darin listeten die Ankläger mehr als 50 Taten auf, die die Mutter und ihr als Pädophiler einschlägig vorbestrafter Lebensgefährte zu verantworten haben sollen.

Wie Staatsanwältin Nikola Novak sagte, lernte sich das Paar Ende 2014 oder 2015 bei der Tafel in Staufen kennen. Es habe sich "eine Art familiäre Beziehung" entwickelt, das Kind habe "Papa" zu L. gesagt. Dabei habe die Mutter über die pädophile Orientierung ihres Partners "von Anfang an" Bescheid gewusst. Sie habe auch gewusst, dass er nach einer entsprechenden Verurteilung unter Führungsaufsicht gestanden habe und ihm jeder Kontakt zu Kindern verboten gewesen sei, sagte Novak. Dennoch habe sie bewusst der Beziehung zugestimmt.

Weiteres Opfer

Bereits kurz nach Beginn der Partnerschaft begann das Paar laut Anklage mit dem sexuellen Missbrauch eines leicht behinderten dreijährigen Mädchens aus der Nachbarschaft. Berrin T. habe auf das Mädchen aufgepasst, es sei dann zu "abgesprochenen sexuellen Übergriffen" auf das Kleinkind gekommen.

Parallel dazu habe der Missbrauch des Sohns der Angeklagten begonnen. Dabei habe die Mutter im Auftrag ihres Partners verschiedene Vergewaltigungstaten an ihrem Sohn vollzogen. Auch habe ihr Partner das Kind vergewaltigt, sie habe dabei "vollumfänglich" die Übergriffe auf das Kind gebilligt. Bei einer Reihe von Taten habe sich L. an dem zu Beginn der Tatserie sechs oder sieben Jahre alten Kind vergangen.

Bald nach Beginn der Missbrauchstaten begann das Paar laut Anklage damit, den Jungen im Darknet - dem verborgenen Teil des Internets - für Vergewaltigungen gegen Geld anzubieten. Die Vermittlung im Darknet habe nur L. betrieben, allerdings habe auch die Mutter etwa auf ihrem Smartphone zahlreiches Bildmaterial von den gefilmten Vergewaltigungen ihres Kindes gespeichert.

Mutter will offenbar aussagen

Die Staatsanwaltschaft will neben einer Haftstrafe eine Sicherungsverwahrung der beiden Angeklagten erreichen. Der als Haupttäter angeklagte L. räumte bereits als Zeuge in anderen Verfahren zu der Tatserie seine eigenen Vergehen ein und belastete auch die Mutter des Kindes schwer.

Diese äußerte sich bislang noch nicht zu den Vorwürfen. Mit Spannung wird erwartet, ob sie im Prozess Angaben machen wird. Ihr Verteidiger Matthias Wagner sagte der Nachrichtenagentur AFP, seine Mandantin wolle aussagen. Ob ihr das angesichts des großen öffentlichen Interesses auch tatsächlich gelinge, könne er aber noch nicht abschätzen. Das größte Ziel seiner Verteidigung sei, die Sicherungsverwahrung für seine Mandantin zu verhindern.

Das Kind lebt inzwischen in Obhut des Jugendamts. Es muss in dem Verfahren nicht aussagen. Als Beweismittel liegen neben Zeugenaussagen umfassende Videodateien vor.

Zeitgleich begann vor dem Karlsruher Landgericht der Prozess gegen einen 44-Jährigen aus Schleswig-Holstein: Er soll im sogenannten Darknet beim Lebensgefährten der Mutter angefragt haben, ob er den Jungen sexuell missbrauchen und danach töten dürfe. In diesem Verfahren wurde die Öffentlichkeit teilweise ausgeschlossen. Die Verteidigung hatte dies beantragt, weil der Angeklagte in seiner Aussage persönliche Dinge wie sein Sexualleben erläutern wolle.

Quelle: sba/AFP

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