Panorama

Berlin feiert jetzt 2G Parks bleiben neue "Clubs" für Ungeimpfte

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Die Partys im James-Simon-Park in Berlin-Mitte waren zuletzt häufig ausgeartet - deshalb hat der Bezirk ihn nachts gesperrt.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

In der Pandemie spielt sich vieles im Freien ab. In den Parks häufen sich illegale Partys. Wenn die Polizei kommt, fliegen auch mal Steine. Viele Städte, auch Berlin, machen die Grünflächen deshalb dicht. Dabei gibt es längst gute Konzepte, verträglich zu feiern.

Freitagabend, das Telefon brummt, die Bekannte lädt ein zum spontanen Rave im Park. Decke und Weinflasche eingepackt, ein bisschen Glitzer drauf - mehr braucht es nicht für die illegale Party im Freien. Wer in Corona-Zeiten feiern will, findet einen Weg. Die Parks sind ideal, immer geöffnet, hier ist fast unbegrenzt viel Platz - und das regelmäßige Lüften ist sozusagen inbegriffen.

Doch zuletzt sind die Partys größer und auch mehr geworden - und nicht immer friedlich verlaufen. Anwohner sind vom vielen Müll und der lauten Musik genervt, rufen die Polizei. Bei den Einsätzen mit dem oft nicht ganz nüchternen Partyvolk kracht es dann schon mal. Deshalb haben mehrere Berliner Bezirke entschieden, dass sie einige Hotspots nachts lieber absperren. Zum Beispiel den James-Simon-Park in Mitte, gegenüber der historischen Museumsinsel. "Zum einen, weil dieser Park sich als Hotspot entwickelt hat, nicht nur was jetzt Musik und Lärm betrifft, sondern auch Müll und eben tatsächlich auch ein Stück weit Auseinandersetzung mit der Polizei", sagt Tom Schreiber im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Schreiber sitzt für die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus und hat genug von den lauten und dreckigen Partys. Deshalb fordert er schon länger einen Zaun um den James-Simon-Park, keine meterhohe Absperrung, sondern eine "kleine historische Zaunanlage", passend zur historischen Umgebung, als Pilotprojekt.

Anfang August hatten in der kleinen Grünanlage teilweise bis zu 2500 Menschen gefeiert. Als die Polizisten und Polizistinnen anrückten, wurden sie mit Flaschen und Steinen beworfen. Ähnliches ist im Sommer bei illegalen Outdoor-Partys in Hamburg, Stuttgart, München oder auch in Köln passiert.

Verbote sollen Partys verhindern

Wie sie mit den Partyexzessen umgehen können, wissen die Städte nicht. Deshalb reagieren sie oft mit Verboten. Stuttgart zum Beispiel hatte zwei beliebte Hotspots - den Marienplatz und den Feuersee - nachts zeitweise abgesperrt. Essen hat einen kompletten Park für die Wochenend-Nächte zugemacht. Und in Berlin ist seit Ende August nach dem James-Simon-Park auch der riesige Treptower Park im Osten der Stadt zum Teil nachts gesperrt. Der Bezirk Treptow-Köpenick hofft, dass er das Partyvolk damit abschrecken kann - um damit das Grün und die Anwohner zu schützen. Symbolisch jedenfalls, denn das Bezirksamt kann nur Verbotsschilder aufstellen, der Park ist einfach zu groß, um ihn komplett einzuzäunen.

Die Berliner Clubszene ist enttäuscht von diesem Verhalten. Die Bezirke hätten das Problem viel zu lange ignoriert, meint Lutz Leichsenring von der Berliner Clubcommission im Podcast. "Man hätte sich schon im letzten Jahr darauf einstellen können, dass es eben auch viele Menschen gibt, die sich draußen aufhalten. Zum einen, weil es sicherer ist, als Partys in Innenräumen zu feiern, aber zum anderen eben auch, weil die Parks das eben auch hergeben." Die Parks seien öffentlicher Raum, da könne sich jeder treffen.

Grundsätzlich ist es gar nicht ungewöhnlich, dass Parks eine Zugangsbeschränkung haben, das zeigt der Blick ins Ausland. In Frankreich zum Beispiel kommt man nachts in viele Parks nicht rein. In England sind Parks oft umzäunt und werden nach Sonnenuntergang abgeschlossen. Auch der Central Park in New York wird Nachts verriegelt und bewacht. Eine Idee auch für Berlin? Langfristig nicht, meint Tom Schreiber. Die Ordnungsämter und die Polizei müssten das Ganze kontrollieren - die hätten aber die Kapazitäten gar nicht. "Wir brauchen tatsächlich Konzepte bis hin zur Frage, was es ja wohl schon gibt. Sozusagen Parkläufer oder Leute, die Leute einfach ansprechen und sagen: Hey, pass mal auf, die Musik ist einfach viel zu laut. Oder denkt bitte daran, den Müll mitzunehmen."

Im vergangenen Jahr hat die Berliner Stadtreinigung 15.000 Kubikmeter Müll aus den Parks, Grünanlagen und Wäldern geholt - das sind etwa fünf olympische Schwimmbecken voll. Daran sind nicht nur die nächtlichen Partygänger schuld. Auch nach Grillfesten oder Familiengeburtstagen lassen die Leute viel liegen. Zumal sich das Leben in der Corona-Pandemie über viele Monate hinweg verstärkt in den Grünanlagen abgespielt hat.

Partyzonen statt Polizeieinsätze - Clubcommission bietet Hilfe an

Polizeikontrollen und Verbote müssen aber auch nicht sein. Es gibt schon längst Konzepte für Draußen-Partys, die keinem wehtun. Lutz Leichsenring kann sich spezielle Bereiche vorstellen, in denen Musik und Partys möglich sind, und er ist dafür, spontane Veranstaltungen einfacher anmelden zu können. "Man hätte sich ein System überlegen können, wie man mit Kopfhörern und dezentraler Musik auch beschallen könnte, ohne dass es eben Leute stört. Man hätte Müllsäcke verteilen können, proaktiv an bestimmte Gruppen, wenn man sieht, sie treffen sich zum Sonnenuntergang". Die Clubcommission verfüge über viel Know How und ein großes Netzwerk. "Wenn die Bezirke wirklich ein Interesse haben, die Situation zu verbessern, nicht durch Repression und durch Polizeieinsätze, sondern wirklich durch Dialog und durch gute Ideen, dann hat die Commission auf jeden Fall ein paar Leute, die sie mit an den Tisch bringen kann."

"Wieder was gelernt"-Podcast

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein bisschen schlauer.

Alle Folgen finden Sie in der ntv App, bei RTL+ Musik, Apple Podcasts und Spotify. "Wieder was gelernt" ist auch bei Amazon Music und Google Podcasts verfügbar. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.

Besserung verspricht auch eine andere Lösung: In Berlin ist es nun wieder möglich, drinnen zu feiern - unter Auflagen. Der Berliner Senat hat diese Woche eine 2G-Regelung für Clubs eingeführt. Das heißt, Geimpfte und Genesene dürfen wieder tanzen gehen und müssen dabei keine Maske tragen. 1.000 Menschen sind erlaubt. Schon dieses Wochenende sollen die ersten Clubs wieder aufmachen. Nach rund anderthalb Jahren also endlich wieder echte Indoor-Partys - die Clubcommission aber freut sich nur verhalten. Sie hatte vorgeschlagen, auch das Feiern mit PCR-Tests möglich zu machen. "Das heißt, wir starten jetzt Clubs erst mal mit einer gespaltenen Community, also ungefähr 18 Prozent nach unseren Umfragen sind eben weder geimpft noch genesen und die sind jetzt erst mal außen vor", kritisiert Lutz Leichsenring.

Die Clubs stünden außerdem vor der Herausforderung, in kurzer Zeit neue Barleute und Türsteher zu finden. Während der monatelangen Pause haben sich viele neue Jobs gesucht. Das Programm zu füllen, dauere ebenfalls Wochen bis Monate. "Alle Clubs, die mit sehr viel Live-Künstlerinnen und tourenden Künstlerinnen arbeiten, haben das Problem, dass teilweise noch Reisebeschränkungen stehen und dass sie auch erst mal so ein Programm aufbauen müssen."

Das Publikum hat lange drauf gewartet, aber wirklich voll werden die Clubs wahrscheinlich nicht sein. Auch, weil die Touristen fehlen, die sonst das Berliner Nachtleben bevölkern, sagt Lutz Leichsenring. Andere verzichten vielleicht, weil sie sich ohne Maske und Abstand noch nicht in Menschenmassen aufhalten möchten. Außerdem bleiben die Ungeimpften außen vor, die müssen weiterhin in die Parks, wenn sie feiern wollen. Oder sie funktionieren Wohnungen oder leerstehende Gebäude zu Partyräumen um, wenn die Parks abgesperrt sind und es kalt wird. Das Problem der illegalen Partys ist also noch lange nicht gelöst. Und Berlin muss sich Gedanken machen, wie es mit seinen Parks umgeht - wie die Stadt aus ihnen Grünflächen macht, die alle nutzen können, nicht nur Sportler und Familien, sondern auch diejenigen, die tanzen wollen.

Quelle: ntv.de

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