Tönnies-Ausbruch wiegt schwer R-Wert deutlich über kritischer Marke
21.06.2020, 22:14 Uhr
Viele lokale Neuinfektionen, darunter die Fälle bei Tönnies, ließen das sogenannte "7-Tage-R" am Sonntag auf 2,03 ansteigen.
(Foto: dpa)
Die hohen Infektionszahlen im Tönnies-Schlachthof, aber auch weitere lokale Ausbrüche treiben am Wochenende den R-Wert auf mehr als 2,0. Laut RKI zählen nun die nächsten Tage, um zu sehen, wie und ob sich das Infektionsgeschehen auf ganz Deutschland auswirkt.
Der Virus-Reproduktionsfaktor "R" in Deutschland ist über das Wochenende auch wegen des Corona-Ausbruchs auf dem Tönnies-Schlachthof in Nordrhein-Westfalen deutlich über den kritischen Wert von 1,0 angestiegen. Das eher auf kurzfristige Änderungen reagierende "4-Tage-R" werde nun auf 2,88 geschätzt, das ausgeglichenere "7-Tage-R" auf 2,03, hieß es im täglichen Lagebericht des Robert-Koch-Instituts (RKI). 100 Infizierte stecken damit rechnerisch im Schnitt 288 beziehungsweise 203 neue Personen an und die Zahl der Erkrankten insgesamt nimmt zu. Bereits am Samstag hatte es einen deutlichen Anstieg gegeben: Das "4-Tage-R" wurde auf 1,79 und das "7-Tage-R" auf 1,55 geschätzt. Am Mittwoch lag die 7-Tages-Rate noch bei 0,89.
Das RKI führte die Entwicklung vor allem auf lokal begrenzte Ausbrüche zurück. Ziel ist ein Wert von unter 1,0, weil dann die Zahl der Infizierten rechnerisch sinkt. Das ist auch mit Blick darauf wichtig, ob Lockerungen ausgeweitet oder wieder zurückgenommen werden müssten. Da die Fallzahlen in Deutschland insgesamt auf niedrigem Niveau liegen, beeinflussen die lokalen Ausbrüche den Wert der Reproduktionszahl relativ stark, erklärte das RKI. "Die weitere Entwicklung muss in den nächsten Tagen beobachtet werden, insbesondere in Bezug auf die Frage, ob es auch außerhalb der beschriebenen Ausbrüche zu einem Anstieg der Fallzahlen kommt."
Die Zahl der in Deutschland registrierten Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 ist am Wochenende auf 189.949 gestiegen. Das geht aus Berechnungen von ntv.de auf Basis von Daten des Robert-Koch-Instituts und der einzelnen Bundesländer hervor und bedeutet einen Zuwachs von 775 Fällen im Vergleich zum Vortag. Die Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, da drei Bundesländer am Wochenende keine aktuellen Daten liefern: Sachsen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Zudem entfallen allein 549 Neuinfektionen auf Nordrhein-Westfalen und dort vor allem auf den besagten Ausbruch im Tönnies-Schlachthof. Mehr als 549 Neuinfektionen an einem Tag hatte NRW zuletzt am 22. April 2020 gemeldet.
Zu beachten ist auch, dass es erfahrungsgemäß am Wochenende zu Verzögerungen in den Meldeketten kommt, weshalb einige Fälle erst Anfang nächster Woche nachgereicht werden. Die Gesamtzahl der Toten ging aufgrund einer Korrektur aus Bayern zurück: Demnach starben nunmehr 8889 Personen mit Covid-19. Aktuell gelten knapp 6900 Menschen als mit dem Virus infiziert - über 600 mehr als am Vortag. Sechs Bundesländer meldeten nur einen einstelligen Zuwachs an Neuinfektionen: Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Viele Neuinfektionen in Gütersloh, Magdeburg und Berlin-Neukölln
Aktuell berichtet das RKI von einer hohen Zahl an Neuinfektionen in den Landkreisen Gütersloh und Warendorf sowie in Magdeburg und dem Berliner Stadtteil Neukölln. Der Anstieg in Gütersloh sei auf einen Ausbruch in dem fleischverarbeitenden Betrieb von Tönnies zurückzuführen, wo mehr als 1300 Mitarbeiter positiv getestet worden seien. Damit stünden auch die Zahlen in Warendorf im Zusammenhang, da Mitarbeiter der Firma ihren Wohnsitz in dem benachbarten Landkreis hätten.
In Magdeburg gebe es einen Ausbruch, von dem mehrere jetzt geschlossene Schulen betroffen seien. In Neukölln gehe es um Fälle im Umfeld einer Glaubensgemeinschaft. Am Samstag hatte das RKI erklärt, ein bundesweiter Anstieg der Fallzahlen sei daraus bisher nicht abzuleiten.
Das Institut schaut sich bei der Beurteilung der Lage aber nicht nur den R-Wert an. Wichtig sind demnach auch die Zahl der Neuinfektionen im Tagesvergleich, die Zahl positiv ausgefallener Tests sowie die Be- und Auslastung des Gesundheitswesens. Am Sonntag hieß es, das RKI schätze die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit weiter insgesamt als "hoch" und für Risikogruppen als "sehr hoch" ein.
Quelle: ntv.de, ysc/rts