Pegel sinken nur teilweise Saarland erlebt Ausnahme-Hochwassernacht
18.05.2024, 08:42 Uhr Artikel anhören
Der Extremregen ist überstanden - doch die Gefahr ist noch nicht vorbei. Die Pegelstände gehen zwar an manchen Orten im Saarland zurück, woanders bleibt die Hochwasserlage angespannt. Bundeskanzler Scholz will sich vor Ort ein Bild von der Lage machen.
Nach dem extremen Dauerregen mit Überschwemmungen im Saarland hat sich die Lage bis zum frühen Samstagmorgen aus Sicht der Polizei etwas entspannt. Seit 1 Uhr stiegen die Pegelstände zumindest nicht mehr, sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Saarbrücken. Die Rettungskräfte seien aber weiterhin im Großeinsatz. Das genaue Ausmaß der Schäden dürfte erst im Laufe des Tages so richtig einzuschätzen sein.
Nach bisherigen Kenntnissen sind bei dem schweren Unwetter mit stundenlangen Niederschlägen und großflächigen Überflutungen keine Menschen ums Leben gekommen. Bei einer Evakuierungsaktion habe es einen Verletzten gegeben, sagte der Sprecher des Lagezentrums. Ein Mensch sei ins Wasser gefallen und anschließend in ein Krankenhaus gebracht worden. Allein die Polizei im Saarland verzeichnete bis 7 Uhr rund 1000 Einsätze. Hinzu kommen nach Angaben des Saar-Innenministeriums mehr als 2400 Einsätze von Feuerwehren und anderen Hilfsorganisationen.
In Ottweiler im Landkreis Neunkirchen und in Quierschied im Regionalverband Saarbrücken, wo sich die Hochwasserlage zwischenzeitlich zugespitzt hatte, gehe es nun ans Erkunden und Aufräumen, sagte der Sprecher des Innenministeriums. Weiterhin angespannt sei die Lage in Blieskastel, da der Pegelstand der Blies weiter leicht gestiegen sei. Gegen Samstagmittag werde dort der Höchststand erwartet, zahlreiche Helfer versuchten, eine Überschwemmung der Altstadt von Blieskastel zu verhindern.
Zahlreiche Straßen im Saarland sind weiterhin gesperrt, auch der Bahnverkehr ist nach Angaben der Deutschen Bahn eingeschränkt. Sie riet zunächst von nicht notwendigen Reisen ins Saarland ab. Aufgrund der Witterungsbedingungen könne kein Ersatzverkehr eingerichtet werden. Auch in Rheinland-Pfalz wurden Straßen und Keller überflutet, betroffen ist unter anderem der Kreis Trier-Saarburg und die Südpfalz.
Scholz reist ins Hochwassergebiet
Im Laufe des Tages will sich Bundeskanzler Olaf Scholz im Laufe des Tages gemeinsam mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger im Saarland ein Bild von der Situation machen. Heftiger Dauerregen hatte in dem kleinen Bundesland am Freitag Überflutungen und Erdrutsche verursacht. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hob am frühen Samstagmorgen alle Unwetterwarnungen in Deutschland auf. Somit lagen im Saarland und auch in Rheinland-Pfalz keine Warnungen vor "extrem ergiebigem Dauerregen" mehr vor, wie der DWD mitteilte.
Das genaue Ausmaß der Schäden dürfte wohl erst nach und nach sichtbar werden. Am Freitag und auch noch in der Nacht zum Samstag kämpfte fast das ganze Bundesland mit den Wassermassen. Auf Videos waren zur Hälfte überschwemmte Autos, im Hochwasser feststeckende Wohnwagen und zahlreiche überflutete Straßen zu sehen. Gebäude wurden notdürftig mit Sandsäcken geschützt, teilweise stehen ganze Straßenzüge unter Wasser. Das Lagezentrum in Saarbrücken registrierte bislang mehr als 3000 Polizei- und Rettungseinsätze im gesamten Bundesland. Die Zahlen stammen vom frühen Samstagmorgen, wie eine Sprecherin des Lagezentrums in Saarbrücken sagte.
Wegen des Unwetters meldete die Deutsche Bahn massive Beeinträchtigungen und Ausfälle im Zug- und Schienenersatzverkehr in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Von nicht notwendigen Reisen ins Saarland sei abzusehen, teilte die Bahn mit. Aufgrund der Witterungsbedingungen könne kein Ersatzverkehr eingerichtet werden.
Menschen in Saarbrücken mit Booten gerettet
In der Altstadt des saarländischen Ottweiler musste in der Nacht vorsorglich der Strom abgeschaltet werden, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagte. "Wir haben hier eine Großschadenslage", sagte der Landrat des Landkreises Neunkirchen, Sören Meng, in einem Video auf Facebook. "Die Folgen für den Landkreis sind sehr groß. Es sind fast alle Städte und Gemeinden betroffen." In Rußhütte, einem Stadtteil der Landeshauptstadt Saarbrücken, wurden die Menschen mit Amphibienfahrzeugen und Booten evakuiert. Ein Straßenzug sei hier besonders betroffen gewesen, sagte der Sprecher des Innenministeriums.
Im saarländischen Völklingen sind wegen des anhaltenden Regens Straßenzüge vom Stromnetz genommen worden. "In Völklingen werden Schäden in Millionenhöhe erwartet, insbesondere im privaten Bereich", hieß es. "Das Schadensausmaß ist nicht noch absehbar."
So ein Hochwasser nur alle 20 bis 50 Jahre
Es handele sich um ein Hochwasserereignis, wie es alle 20 bis 50 Jahre stattfinde, teilte das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz mit. An der Unteren Blies rechnete das Amt noch bis zum Samstagnachmittag mit weiter ansteigenden Wasserständen. Der DWD maß stellenweise mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter in nicht einmal 24 Stunden. Für diesen heftigen Regen seien Flüsse und Infrastruktur nicht ausgerichtet, sagte eine DWD-Meteorologin am Freitagabend. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Monat April waren im Saarland rund 74 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen worden - und dies war ein Sechstel mehr Niederschlag als normalerweise in dem Monat.
In Fremersdorf liege der Pegel der Saar um 21 Zentimeter höher als beim Jahrhunderthochwasser am 21. Dezember 1993, schreibt der Saarländische Rundfunk am Morgen. Während die Wasserstände an einigen Orten sinken, würden an anderen Stellen wie an der Blies in Reinheim und Blieskastel noch steigende Pegel erwartet, hieß es weiter.
Derweil riefen die Landeshauptstadt Saarbrücken ebenso wie mehrere Kreise eine Großschadenslage aus. Mehrere Gebäude im Stadtgebiet mussten evakuiert werden. Die Stadt richtete Ausweichquartiere in Schulen und ein Bürgertelefon ein. "Wir haben überall Evakuierungen", sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Saarbrücken. "Es regnet überall, landesweit."
Großflächige Überschwemmungen an Saar und Ruwer
Im benachbarten Rheinland-Pfalz waren am Freitag vor allem der Kreis Trier-Saarburg sowie die Südpfalz und die Städte Trier, Zweibrücken und Ludwigshafen von dem Dauerregen betroffen. Keller und Straßen liefen voll und Bäume stürzten um, wie die Koordinierungsstelle der Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde berichtete. Viele kleinere Bäche und Flüsse traten über die Ufer.
Auch der Pegel der Mosel steigt gefährlich hoch. Im rheinland-pfälzischen Zeltingen-Rachtig muss ein Wohnmobilstellplatz geräumt werden.
(Foto: dpa)
An der Saar und Ruwer im Landkreis Trier-Saarburg kam es nach Angaben der Kreisverwaltung zu großflächigen Überschwemmungen. Die Lage sei unverändert angespannt, hieß es am Samstagmorgen. Die Pegel an den beiden Flüssen seien weiterhin hoch. Demnach fließen aktuell nach wie vor große Mengen Wasser aus der Riveristalsperre in die Ruwer. Wegen einer defekten Staustufe in Detzem könne es an der Mosel zu einem Rückstau und somit zu Hochwasser an den vorliegenden Gemeinden kommen. Die Einsatzkräfte werden weiter aufgestockt. Im Ruwertal sollen viele Häuser unter Wasser stehen. Die genaue Anzahl ist bisher nicht bekannt. Das Schwimmbad Saarburg und zahlreiche Straßen seien überflutet und unpassierbar.
In Schoden an der Saar im Kreis Trier-Saarburg mussten wegen Überflutungsgefahr rund 220 Menschen vorsorglich ihre Häuser verlassen, wie die Kreisverwaltung mitteilte. Sie kamen in einer Turnhalle in Saarburg-Beurig unter. In Saarburg wurde außerdem ein Seniorenheim evakuiert, in Trittenheim an der Mittelmosel ein Hotel. Davon waren etwa 50 Menschen betroffen, die ebenfalls in einer Turnhalle untergebracht wurden. In Trassem wurden drei Menschen, die wegen des Hochwassers in ihren Häusern eingeschlossen waren, von den Rettungskräften befreit. Das teilte der Landkreis Trier-Saarburg. In Trassem hätten sich zudem mehrere Bewohner in ihren Häusern verschanzt, hieß es.
Pegel an Saar sinken
Der Wasserstand der Saar war zuvor wegen des Dauerregens so stark gestiegen, dass eine Überflutung des Uferdamms befürchtet wurde. "An fast allen Orten entlang der Saar sind Straßen und Gebäude überspült, in vielen Gemeinden treten kleinere Gewässer über die Ufer", teilte die Kreisbehörde mit. Demnach beruhigte sich die Lage im Kreis Trier-Saarburg in der Nacht. "Die Pegel der Saar und anderer Gewässer erreichen ihren Scheitelpunkt beziehungsweise beginnen zu sinken", teilte die technische Einsatzleitung des Landkreises kurz vor 2 Uhr mit. Bis zu dem Zeitpunkt hatte sich die Lage demnach seit einigen Stunden nicht weiter verschlimmert. Sie sei aber nach wie vor arbeitsintensiv.
Saarland kündigt Hilfen für Betroffene an
Bundesinnenministerin Nancy Faeser dankte den Kräften von THW, Polizei und Feuerwehr auf X. "Großer Respekt und Dank an alle Einsatzkräfte für ihren unermüdlichen Einsatz, um Menschenleben zu schützen!", schrieb sie. Nun beginnt nach einer unruhigen Nacht für viele Menschen in den betroffenen Regionen das Aufräumen. Bereits in der Nacht zum Samstag sandte die Landesregierung eine Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger und leitete erste Schritte für finanzielle Hilfen ein. "Viele Saarländerinnen und Saarländer bangen um ihre vier Wände und ihr Hab und Gut oder haben bereits starke Schäden zu beklagen", teilte Ministerpräsidentin Rehlinger mit. "Damit keine Zeit verloren geht, hat die Landesregierung kurzfristig Beschlüsse gefasst, durch die Hilfe bereitsteht, um entstandene Schäden zu beheben." Noch könne aber niemand konkrete Summen nennen.
In einer Schalte am späten Freitagabend habe der Ministerrat ein sogenanntes Elementarereignis von überörtlicher Bedeutung festgestellt. Damit können laut Staatskanzlei Hilfen des Landes fließen. Zudem könnten Kommunen wegen der außergewöhnlichen Notsituation von Regelungen des Haushaltsausgleichs abweichen. "Landesregierung und Kommunen stehen zusammen wie das ganze Saarland", teilte Innenminister Reinhold Jost mit.
Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke zeigte Mitgefühl am späten Freitagabend auf X: "Bin wie viele heute Abend in Gedanken bei den Menschen in den Hochwassergebieten und den Helfern, von denen viele die ganze Nacht im Einsatz sein werden. Ich hoffe, alle kommen sicher durch die nächsten schlimmen Stunden. "
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP