Hochwasser in vielen Regionen Sandsäcke unterstützen Deiche - Gleise unterspült
26.12.2023, 10:25 Uhr Artikel anhören
"Im Großen und Ganzen ist die größte Gefahr erst einmal abgewendet", heißt es aus dem Landkreis Leer. Dennoch ist die Hochwasserlage vielerorts in Deutschland angespannt. Einsatzkräfte sind im Dauereinsatz. Es gibt nach wie vor Warnungen vor Dauerregen.
Die Hochwasserlage bleibt in etlichen Orten Niedersachsens angespannt. Im Landkreis Leer kämpften in der Nacht Hunderte Menschen gegen die Wassermassen. In der Gemeinde Uplengen war der Deich der Hollener Ehe an zwei Stellen gebrochen, zudem sei er auf einer Länge von fast 500 Metern aufgeweicht, sagte Kreisfeuerwehrsprecher Dominik Janßen. 450 Einsatzkräfte und Hunderte freiwillige Helfer waren vor Ort, um den Deich im Ortsteil Hollen mit Sandsäcken zu stabilisieren. Dies sei gut gelungen. "Im Großen und Ganzen ist die größte Gefahr erst einmal abgewendet", sagte Janßen am frühen Morgen. Die Situation werde aber weiter von Helfern beobachtet.
Ein zweiter Einsatzort im Landkreis Leer befinde sich im Bereich Langholt, sagte Feuerwehrsprecher Janßen. Dort sei ein Deich auf einer Länge von 150 Metern aufgeweicht. Auch hier habe man ihn erfolgreich sichern können. An beiden Orten sei mittlerweile der Höchstwasserstand erreicht worden, das Wasser steige also nicht mehr.
In der Gemeinde Hatten im Landkreis Oldenburg wurde ein Deich im Ortsteil Sandkrug instabil. Die Bewohner zweier Straßen müssten evakuiert werden, teilte die Feuerwehr in der Nacht mit. Es handele sich nicht um einen Deich der Hunte, sondern einen Deich des Fleths. "Wir appellieren an die Anwohner, den Anweisungen der Rettungskräfte und Behörden Folge zu leisten", hieß es in der Mitteilung. Wie viele Menschen betroffen waren, ist bislang nicht bekannt. Im Laufe des Vormittags soll die Stabilität des Deichs erneut beurteilt werden. Bis dahin solle der Deich durch Sandsäcke stabilisiert werden. Ein Deichbruch wurde als unwahrscheinlich eingeschätzt.
In Rinteln im niedersächsischen Landkreis Schaumburg wurden am Morgen derweil die Bewohner einer Straße direkt an der Stadtmauer evakuiert. Betroffen seien nur die die Anwohner der Straße Ost-Contrescarpe, teilte die Stadtverwaltung mit. Laut NDR wurden 108 Bewohner evakuiert. In der betroffenen Straße seien die Keller der Gebäude vollgelaufen. Die Feuerwehr sei mit Pumpen vor Ort und staple Sandsäcke.
Talsperrenbetreiber warnt Schaulustige im Harz
Für die Flussgebiete der Oker und der Innerste warnte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) vor einer weiteren Verschärfung der Hochwasserlage. Der Talsperrenbetreiber Harzwasserwerke bat Schaulustige in einer Mitteilung, nicht an die Talsperren zu fahren. Die Okertalsperre im Harz hatte am späten Vormittag ihre maximale Kapazität erreicht. Über den Überlauf der Staumauer werde nun mehr Wasser in die Oker abgegeben, teilte die Stadtverwaltung Braunschweig mit. Statt 16 Kubikmeter pro Sekunden fließen nun 30 Kubikmeter pro Sekunde in den Fluss.
Die Hochwasserlage in Braunschweig werde diese Maßnahme weiter verschärfen, so die Stadt. Es werde erwartet, dass die Welle in den späten Abendstunden in der Stadt ankomme. Der Pegel am Eisenbütteler Wehr, der aktuell bei 132 Zentimetern stehe, könnte sich nach derzeitiger Prognose um etwa zehn Prozent erhöhen, so die Stadt. Es sei möglich, dass der Überlauf an der Talsperre im Laufe des Tages weiter geöffnet werden und sich die Wassermenge dadurch weiter erhöhe. Man gehe aber weiter davon aus, dass sich die durch die Oker und deren Nebenflüsse verursachten Überschwemmungen auf die ausgewiesenen Überschwemmungsgebiete beschränken.
Für den Harz hatte der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine Unwetterwarnung bis heute Mittag herausgegeben. Demnach werden Niederschlagsmengen zwischen 50 und 80 Liter pro Quadratmeter erwartet, in sogenannten Staulagen - also am Rand des Gebirges - sogar von 90 Litern pro Quadratmeter.
Lage im überfluteten Windehausen stabil
Auch in anderen Bundesländern kämpften die Einsatzkräfte mit den Folgen der Wassermassen. Die Hochwasserlage in dem überfluteten und weitgehend geräumten Ort Windehausen in Nordthüringen ist nach Einschätzung der Einsatzkräfte aber inzwischen stabil. Der Ortsteil von Heringen sei zwar nach wie vor vom Hochwasser eingeschlossen, jedoch sei an manchen Stellen bereits ein ganz leichter Wasserrückgang zu verzeichnen, sagte der Kreisbranddirektor für Nordhausen, Daniel Kunze. Entwarnung könne deswegen aber noch nicht gegeben werden.
Windehausen musste aufgrund der kritischen Lage am ersten Weihnachtsfeiertag komplett evakuiert werden. Von den knapp 500 Einwohnern seien schätzungsweise noch 100 in dem Ort, so Matthias Marquardt, Bürgermeister der Stadt Heringen, zu der Windehausen gehört. Alle anderen Bewohner seien bei Familien, Freunden und Bekannten untergekommen. Es habe niemand in der bereitgestellten Turnhalle in Heringen die Nacht verbringen müssen. Es sei keines der Häuser einsturzgefährdet, allerdings gebe es weiterhin keinen Strom und auch die Toiletten funktionierten wegen der überfluteten Kanalisation nicht, sagte Marquardt. Wann die Bewohner wieder nach Windehausen zurückkehren können, ist noch unklar.
In der Nacht hatten die Einsatzkräfte laut dem Kreisbranddirektor eine Saatgutproduktion in Windehausen vor Überflutung geschützt. Dafür seien vier Stunden lang mit Pumpen des Technischen Hilfswerkes (THW) 3,5 Millionen Liter Wasser bewegt worden, sagte Kreisbranddirektor Kunze. Indessen hat sich die Hochwasserlage in ganz Thüringen weiter entspannt. Auch in dem besonders betroffenen Gebieten in Südthüringen konnte Entwarnung gegeben werden, auch wenn die Lage weiter angespannt bleibt. Derzeit liegen noch vier Pegel in Süd- und Nordthüringen über der Meldestufe zwei. Das betrifft die Helme bei Sundhausen, die Werra bei Gerstungen sowie die Nahe bei Hinternah und die Schleuse bei Rappelsdorf.
Bahnverkehr beeinträchtigt
Der Deutsche Wetterdienst sagte weiteren Dauerregen in mehreren Regionen voraus, vor allem von den westlichen Mittelgebirgen bis zum Harz, hieß es in einer DWD-Unwetterwarnung vom späten Montagabend. Außerdem werde es mancherorts stürmisch. In der Nacht sollte es starke, im Nordwesten auch stürmische Böen geben, die sich im Laufe des Tages nach Norden ausdehnten. An Bächen und Flüssen sei Hochwasser zu erwarten. Neben Überschwemmungen könne es auch zu Erdrutschen kommen. Der Großteil des Landes bleibe im Einflussbereich milder und sehr feuchter Luftmassen.
Voraussichtlich noch bis Mittwoch (27. Dezember) ist der Bahnverkehr auf der Strecke zwischen Hannover und Magdeburg beeinträchtigt. IC-Züge würden in beiden Fahrtrichtungen umgeleitet und verspäteten sich dadurch um etwa 30 Minuten, teilte die Deutsche Bahn auf ihrer Internetseite mit. Hintergrund sind demnach Gleisunterspülungen auf der Strecke von Magdeburg nach Helmstedt. Wegen einer Gleisunterspülung in Herdecke wird derzeit die Regionalzuglinie RB52 zwischen den Hauptbahnhöfen von Dortmund und Hagen in beide Richtungen ohne Zwischenhalt umgeleitet. Ersatzverkehr mit Bussen sei in Vorbereitung, sagte ein Bahnsprecher. Wie lange die Sperrung dauern werde, sei derzeit noch nicht bekannt. Die Fernverkehrszüge zwischen Dortmund und Hagen seien nicht betroffen.
Quelle: ntv.de, fzö/dpa