Panorama

Ende einer Eisenbahntradition Schrankenwärter ade

"Ding-Ding-Ding" tönt die Glocke, und sacht senkt sich die Schranke am Fuße des Greizer Schlosses in Thüringen. Kurz darauf fährt der Zug durch und hupt. Schrankenwärterin Claudia Moosdorf winkt. Die 38-Jährige in dem etwas heruntergekommenen Häuschen lässt Tag für Tag während ihrer Schicht etwa jede halbe Stunde die Schranken herunter. Doch diese Tage sind gezählt: Noch in diesem Jahr soll das nahe gelegene Stellwerk die Kontrolle übernehmen. Damit geht in Greiz ein Stück Eisenbahntradition zu Ende.

Schrankenwärter sind eine vom Aussterben bedrohte Berufsgruppe. Sie werden durch moderne Technik ersetzt. Nach Angaben der Deutschen Bahn gibt es nur noch etwa 500 Schrankenwärter in Deutschland, die an rund 200 Posten ihren Dienst tun. Um die Jahrtausendwende waren es noch doppelt so viele. Mitte der 80er Jahre verdienten allein bei der damaligen Bundesbahn noch 5300 Menschen als Schrankenwärter ihr Brot.

Mit Eisenbahnromantik hat der Job für Moosdorf schon lange nichts mehr zu tun. "Ich mache meinen Beruf sehr gern, aber es ist eine Arbeit wie jede andere." Und sie besteht vor allem aus Warten. Etwa jede halbe Stunde kratzt es in der Wechselsprechanlage in dem rund 15 Quadratmeter kleinen Haus, und eine Stimme kündigt den nächsten Zug an. Dann muss sie nach draußen und ihre Schranke schließen. Bei ihr reicht ein Knopfdruck, einige ihrer Kollegen müssen immer noch kurbeln.

Der Letzte macht das Licht aus

Seit gut sechs Jahren arbeitet Moosdorf an der Bahnstrecke zwischen Plauen und Gera. In ihrem Bahnbezirk gibt es nur noch einen weiteren Posten. Der Wandel in der 170-jährigen Bahngeschichte ist nicht mehr zu übersehen. Bald wird es die Schrankenwärter nur noch in der Literatur geben. Gerhart Hauptmann hat ihnen in seiner Novelle "Bahnwärter Thiel" ein Denkmal gesetzt.

Einst unterhielt die Bahn zigtausende Bahnwärterhäuschen an ihren Strecken. Aufgabe der Bahnwärter war es, ihren jeweiligen Streckenabschnitt zu bewachen und regelmäßig zu kontrollieren. Zudem konnten sie mit akustischen und optischen Signalen Informationen weitergeben.

Diese Epoche ist längst pass, die Bahnwärterhäuschen stehen leer oder sind verkauft. Was aus dem Arbeitsplatz von Claudia Moosdorf in Greiz wird, ist bislang unklar. Arbeitslosigkeit muss die 38-Jährige aber nicht fürchten. "Es wird mir und meinen Kollegen von der Deutschen Bahn eine andere Arbeit angeboten", sagt sie. "Was das ist, wissen wir noch nicht."

Wann der letzte Schrankenwärter in Deutschland das Licht in seinem Häuschen ausmacht, vermag bei der Bahn noch niemand zu sagen. Bereits Mitte der 80er Jahre war das Ende innerhalb weniger Jahre prophezeit worden. Aber vielleicht gilt ja auch für diesen Beruf trotz des technischen Fortschritts das geflügelte Wort: "Totgesagte leben länger".

Von Andreas Hummel, dpa

Quelle: ntv.de

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