Intensivbetten auf einen Blick So sieht es in den deutschen Kliniken aus
11.11.2020, 10:30 Uhr
Die letzte Hoffnung für Covid-19-Patienten, bei denen die Coronavirus-Infektion einen lebensgefährlichen Verlauf nimmt: Ein freies Bett auf der Intensivstation - und ausreichende Kapazitäten beim medizinischen Personal.
(Foto: dpa)
Das hohe Fallaufkommen in Deutschland macht sich längst in den Krankenhäusern bemerkbar, die Zahl der Covid-Intensivpatienten steigt. Wie viele Beatmungsplätze sind belegt? Daten aus dem Divi-Register zeigen die verfügbaren Kapazitäten an.
Die hohe Zahl potenziell gefährdeter Menschen macht das Coronavirus Sars-CoV-2 so bedrohlich: Solange es weiterhin weder einen Impfstoff noch ein wirksames Gegenmittel gibt, muss unter allen Umständen versucht werden, die Anzahl infizierter Menschen so gering wie möglich zu halten. Erfahrungen aus Regionen wie Norditalien oder auch New York zeigen, welche Szenarien im Fall einer Überlastung der Krankenhäuser zu erwarten wären. Die Todeszahlen würden unausweichlich deutlich ansteigen.
Die ntv.de Deutschland-Karte zeigt, wie genau es um die Auslastung der Kliniken in Deutschland steht:
Grundlage für die Kartendarstellung ist das sogenannte Divi-Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Tagesaktuell werden dort die Angaben der teilnehmenden Krankenhäuser zu den intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten erfasst und ausgewertet.
Angesichts des jüngsten rapiden Anstiegs neuer Coronafälle in Deutschland werden die Warnungen vor einem katastrophalen Kollaps im öffentlichen Gesundheitswesen eindringlicher und lauter. Die drohende Überlastung und die absehbaren Folgen sind ein Hauptargument für die am 28. Oktober 2020 beim Bund-Länder-Gipfel beschlossenen erheblichen Kontaktbeschränkungen, die ab 2. November in Kraft traten.
Allen Verantwortlichen ist klar: Ein weiterer unkontrollierter Anstieg der Coronavirus-Infektionen würde selbst das beste Gesundheitssystem der Welt binnen weniger Wochen überfordern.
"Ziel des Divi-Intensivregisters ist, die Verfügbarkeit von Beatmungsbetten und von erweiterten Therapiemaßnahmen bei akutem Lungenversagen in Deutschland sichtbar zu machen", fasst die Vereinigung der Intensiv-, Fach- und Notfallmediziner die Idee hinter dem Projekt zusammen. Hinter der Datensammlung stehen rund 2300 Mitglieder, vom einzelnen Facharzt über Forscher und Fachverbände bis hin zu den großen Berufsgesellschaften und wissenschaftlichen Instituten.
Divi-Parameter - die wichtigsten Kennzahlen
Analog zu den Pandemie-Parametern von ntv.de zeigen die Divi-Parameter die wichtigsten Kennzahlen zur Klinik-Auslastung. Basis sind die Angaben im aktuellsten Tagesreport. Dargestellt ist die Zahl der Covid-19-Intensivfälle insgesamt sowie der beatmeten Covid-19-Intensivfälle sowie die Anzahl der belegten und noch freien Intensivbetten, wie sie dem Intensivregister gemeldet wurden.
In der Verlaufsgrafik ist die Entwicklung der Zahl der Covid-19-Intensivpatienten und der beatmeten Fälle im Zeitverlauf dargestellt. Die Zeitreihe beginnt Ende April, der Hochphase der ersten Welle. Damals waren phasenweise mehr als 2500 Intensivbetten in Deutschland mit Corona-Fällen belegt.
Die Coronavirus-Pandemie verleiht dem Überblick des Divi-Intensivregisters zusätzliche Bedeutung: Eine Aufhebung der Auflagen oder eine weitere Lockerung der Schutzmaßnahmen ist aus medizinischer Sicht nur dann vertretbar, solange in den betroffenen Regionen keine Überlastungen zu erkennen sind.
Die Daten aus dem Divi-Intensivregister sind dabei sehr viel belastbarer als andere Kennziffern zum Infektionsgeschehen: Hier arbeiten Spezialisten mit exakt bestimmbaren Größen und genau belegten Falldaten. Anders als bei der Ansteckungsrate handelt es sich nicht um Schätzwerte. Auch eine Dunkelziffer wie bei den amtlich erfassten Neuinfektionen gibt es bei Betten, Versorgungskapazitäten oder Beatmungsplätzen nicht. Allerdings können Schwankungen bei den Meldewerten auftreten, da nicht jeden Tag aus allen Meldebereichen vor Veröffentlichung des Tagesreports aktuelle Zahlen eintreffen.
Intensivauslastung nach Bundesländern
Deshalb bietet das Intensivregister auch eine tabellarische Übersicht nach Bundesländern an, die mehrmals täglich aktualisiert wird. Neben der Zahl der Covid-Intensivpatienten und der Intensivbetten nach Bundesland wird auch die Zahl der Notfallreserve an Intensivbetten ausgewiesen, die binnen sieben Tagen zusätzlich bereitgestellt werden könnten.
Zur Überwachung der Leistungsdaten aus dem deutschen Gesundheitssystem arbeiten die Intensivmediziner eng mit Klinikbetreibern, Fachverbänden und Wissenschaftlern zusammen. Eine Kooperation besteht zudem mit dem Robert-Koch-Institut (RKI). Außerdem ist die Teilnahme am Meldeverfahren zum Divi-Register für alle intensivbettenführenden Krankenhausstandorte seit Mitte April per Eilverordnung verpflichtend vorgeschrieben.
Im Ergebnis bekommen Politik, Fachwelt und auch die breite Öffentlichkeit ein Überwachungsinstrument zur Auslastung der deutschen Behandlungskapazitäten an die Hand. Zusätzlich erfasste Daten liefern dabei auch genaue Zahlen zur intensivmedizinischen Leistungsfähigkeit der teilnehmenden Krankenhausstandorte in nahezu allen Regionen Deutschlands. Sollte sich die Corona-Krise wieder verschärfen, können diese Informationen mitunter Leben retten: Welcher Region Deutschlands droht aktuell eine Überlastung? Wo sind im Gegenzug noch Betten oder gar Beatmungsplätze frei?
Die Spezialisten des Divi-Registers selbst sprechen mit Blick auf ihr inzwischen auch für die Öffentlichkeit nutzbares Datenangebot von einem "Meilenstein": Die bereitgestellten Daten versorgen Ärzte, Krankenhaus-Manager und Planer erstmals mit einem umfassenden Überblick zur Pandemie-Lage. "Wichtig war und ist für die Intensivmediziner die Darstellung der Situation für die Umgebung jedes einzelnen Krankenhauses. 'Worauf muss ich mich einstellen?', ist eine essenzielle Frage in der Pandemie-Situation", beschrieb ein Divi-Sprecher Ende Mai die Überlegungen. "Was bei mir, in meiner Klinik gerade passiert, kann ich überblicken - aber ich muss auch ein Auge darauf haben, was bei meinen Nachbarn und darüber hinaus los ist. Schicken die mir in wenigen Stunden gleich mehrere schwere Fälle? Oder ist es dort eher ruhig?"
Die Detailkarte zur Intensivauslastung nach Kliniken schlüsselt die tagesaktuellen Leistungsdaten des deutschen Gesundheitssystems auf:
In der Systematik des Divi-Registers werden die Klinikkapazitäten unter anderem auch anhand der Ausstattung unterschieden. "Low care" bezieht sich dabei auf Intensivbetten, an denen einfache Beatmungsgeräte zum Beispiel zur Verabreichung zusätzlichen Sauerstoffs per Maske zur Verfügung stehen.
Der Begriff "High care" wiederum umfasst all jene Intensivbetten, an denen eine sogenannte invasive Beatmung möglich ist. Hier erfolgt die Beatmung maschinell über Schläuche, die über Nase, Mund oder per Luftröhrenschnitt eingeführt werden. Solche Plätze erfordern eine erheblich aufwendigere Ausstattung: Der Patient liegt in der Regel im künstlichen Koma, angeschlossen an eine Vielzahl von Geräten zur Überwachung seiner Vitaldaten.
Die dritte Kategorie beschreibt die sogenannten ECMO-Plätze. Die Abkürzung steht für die "Extrakorporale Membranoxygenierung" und stellt das aufwendigste Mittel zur Rettung eines akut lebensgefährlich erkrankten Covid-19-Patienten dar. Für Menschen, deren Lungen bereits zu schwer geschädigt sind, ist diese Technik oft die letzte Hoffnung.
Im Prinzip übernimmt das ECMO-Gerät die Funktion der Lunge: Dazu wird der Blutkreislauf des Patienten angezapft, das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff angereichert und anschließend sofort wieder zurück in eine geeignete Schlagader gepumpt.
Quelle: ntv.de