Suche in "Costa Concordia" geht weiter Taucher finden Frauenleiche
21.01.2012, 16:01 Uhr
"Die Hoffnung ist absolut da." Der deutsche Botschafter in Italien hofft, dass die vermissten Deutschen, die an Bord der "Costa Concordia" vermutet werden, noch am Leben sind. Andere sind da skeptischer. Taucher finden nach einem Medienbericht eine weitere Frauenleiche. Mit gezielten Sprengungen gehen die Rettungsversuche weiter.
Nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa haben Taucher im Heck der "Costa Concordia" eine weitere Frauenleiche gefunden - es wäre das zwölfte Todesopfer des Unglücks. Weitere Angaben dazu gab es zunächst nicht. Rettungskräfte waren zuvor nach einem Tag Zwangspause wieder ins Wrack des vor der italienischen Insel Giglio havarierten Schiffes gestiegen. Die Spezialkräfte der italienischen Marine wollten sich vor allem auf Deck fünf des havarierten Kreuzfahrtschiffes konzentrieren, in dem noch Vermisste vermutet werden.
Der deutsche Botschafter in Italien, Michael H. Gerdts, hofft derweil auch acht Tage nach dem Schiffsunglück auf deutsche Überlebende. "Die Hoffnung ist absolut da", sagte Gerdts bei einem Besuch der Mittelmeerinsel. Insgesamt werden noch mehr als 20 Menschen vermisst. Unter ihnen sind nach jüngsten Angaben 12 Deutsche.
"Wir bräuchten schon ein Wunder", sagte dagegen der Sprecher der Küstenwache, Cosimo Nicastro. Auch wenn es in dem Wrack irgendwo noch Luft gebe, sei es wegen der niedrigen Temperaturen unter der Meeresoberfläche unwahrscheinlich, noch Überlebende zu bergen. Die Vermissten sind nach Ansicht des neuen Krisenstab-Chefs Franco Gabrielli "wahrscheinlich" noch an Bord. Daher werde die Suche fortgesetzt, teilte Gabrielli bei einer Pressekonferenz auf der Insel mit. Die Lage sei aber "unglaublich komplex".
Umwelt-Tragödie verhindern
Gezielte Sprengungen sollten den Tauchern neue Zugänge zu dem Deck schaffen. Mindestens zwei Explosionen waren im Hafen von Giglio zu hören, an dessen Küste das gekenterte Schiff seit mehr als einer Woche auf felsigem Grund liegt. Die Rettungskräfte seien dabei, Karten des Schiffs zu erstellen, in denen auf der Grundlage von Zeugenberichten die letzten bekannten Bewegungen der noch vermissten Menschen eingezeichnet würden, sagte Gabrielli. Daraufhin solle dann gezielt an bestimmten Stellen in dem Wrack gesucht werden.
Zugleich rückt die drohende Umweltkatastrophe in den Fokus der Entscheidungen. Bis Sonntagabend soll nach Darstellung Gabriellis entschieden werden, wie die mehr als zwei Millionen Liter Treibstoff - vor allem Schweröl - abgepumpt werden können. Bis dahin dürfe die niederländische Spezialfirma Smit mit diesen Arbeiten nicht beginnen, sagte Gabrielli. Er wolle "den größtmöglichen Einsatz" bringen, um den Inselbewohnern eine Umwelt-Tragödie zu ersparen.
Die italienische Regierung hatte am Freitagabend für die Gegend um den Unglücksort den Notstand beschlossen. Damit sollen schnelle Hilfe und zusätzliches Geld zur Bewältigung der Krise ermöglicht werden.
"Spontane menschliche Hilfe"
Botschafter Gerdts übermittelte dem Krisenstab den "Dank der Bundesregierung". Widersprüchliche Angaben zur Zahl der Vermissten erklärte der Diplomat mit unterschiedlichen Quellen, etwa Angaben von Verwandten oder Passagierlisten. "Eine Liste von Vermissten zu erstellen, ist schwieriger als man denkt", sagte Gerdts.

Die "Costa Concordia" könnte abrutschen.
(Foto: AP)
Große Anerkennung sprach er den Inselbewohnern aus, die in der Unglücksnacht "spontan menschliche Hilfe" angeboten hätten. Gerdts unterstrich außerdem die gute Zusammenarbeit der lokalen Behörden mit den Mitarbeitern des Bundeskriminalamts, die bei der Identifizierung der Opfer vor Ort helfen. Die Angehörigen der Verschollenen würden von Psychologen des Auswärtigen Amtes betreut.
Spezialkräfte der Feuerwehr durchsuchten in der Nacht den Teil der 290 Meter langen "Concordia", der über Wasser liegt. Der Luxusliner habe sich dabei "Gott sei Dank" nicht bewegt, bestätigte ein Sprecher der Rettungsmannschaften, Luca Cari. Die Befürchtung des Krisenstabs, ein Sturm könnte die Lage des Schiffes und die Rettungsmaßnahmen gefährden, bewahrheitete sich bisher nicht. Hoher Seegang könnte das havarierte Kreuzfahrtschiff destabilisieren und weiter sinken lassen.
"Mir ist ein Malheur passiert"
Unterdessen sind Aussagen des unter Hausarrest stehenden Kapitäns Francesco Schettino bekannt geworden, die ihn teilweise entlasten könnten. Nach Medienberichten sagte Schettino bei einer Anhörung vor Gericht, er habe unmittelbar nach der Kollision mit einem Felsen beim Kreuzfahrt-Unternehmen angerufen und sowohl ein Schlepperboot als auch Hubschrauber zur Rettung gefordert.
"Mir ist ein Malheur passiert", soll Schettino in dem Telefonat gesagt haben. Die Reederei wies die Darstellung zurück. "Er hat uns belogen und auch die Besatzung des Schiffes", betonte der Chef von Reederei "Costa Crociere", Pierluigi Foschi.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer will angesichts des Unglücks neue Regeln für die Sicherheit großer Kreuzfahrtschiffe durchsetzen. Deutschland wolle die Evakuierungsrichtlinie der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) an die Größenentwicklung der Schiffe anpassen, teilte Ramsauers Ministerium mit. Beim Weltverkehrsforum Anfang Mai in Leipzig werde Ramsauer dafür erneut werben.
Ein italienischer Verbraucherschutzverband plant derweil eine Sammelklage gegen den US-Mutterkonzern der italienischen Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere. Man werde sich US-Anwaltskanzleien anschließen und den Konzern Carnival auf Entschädigungszahlungen in Höhe von 123.000 Euro pro Passagier verklagen, teilte der Verband mit. An der Klage würden sich mehr als hundert Passagiere "aller Nationalitäten" beteiligen. Der Verband hatte jüngst bereits eine Sammelklage in Italien angekündigt.
Eine knappe Mehrheit der Deutschen (51 Prozent) würde wegen des Unglücks der "Costa Concordia" nach einer Umfrage der "Bild am Sonntag" derzeit keine Kreuzfahrt buchen. Eine knappe Minderheit (49 Prozent) würde trotz der Havarie Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff machen. Für die repräsentative Umfrage hat das Emnid-Institut 500 Bundesbürger ab 14 Jahren befragt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP