"Das Haus meiner Mutter" Tochter verurteilter Momfluencerin erinnert sich an grausame Kindheit
27.01.2025, 15:42 Uhr
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Am Tag der Festnahme von Ruby Franke (Mitte) und Jodie Hildebrandt (im Auto) enden für die Kinder Jahre der Misshandlungen.
(Foto: AP)
Ruby Franke, bekannt durch ihren Youtube-Kanal 8 Passengers, wird wegen schwerer Misshandlung ihrer Kinder verurteilt. Ihre Tochter Shari veröffentlicht nun ein Buch, das die grausamen Details ihrer Kindheit offenlegt. Was sie berichtet, ist erschütternd.
Vor gut einem Jahr wird Ruby Franke zu mehreren Haftstrafen verurteilt, weil sie ihre Kinder schwer misshandelt hat. Millionen Internet-Userinnen kannten Franke von ihrem Youtube-Kanal 8 Passengers, auf dem sie jahrelang Erziehungstipps geteilt hatte.
Franke hat gemeinsam mit ihrem Ehemann Kevin sechs Kinder, die sie scheinbar liebevoll und konsequent erzog. Was die überwiegenden Zuschauerinnen zu sehen bekamen, schien ihrem Erziehungsstil recht zu geben. Die Momfluencerin zeigte wohlerzogene, gut geratene Kinder vor.
Doch dieses Bild zerbricht, als ihr damals zwölfjähriger Sohn bei einer Nachbarsfamilie vor der Tür steht und um Hilfe bittet. Der Junge ist abgemagert, hat Hunger und Durst, um seine Hand- und Fußgelenke ist Klebeband gewickelt. An diesem 30. August 2023 bestätigt sich, was kritische Stimmen schon in den vorhergehenden Monaten zunehmend unter den Videos kommentiert hatten. Längst hat sich Frankes konsequenter Erziehungsstil in ein System aus Gewalt, Angst, Hunger und Missbrauch verwandelt.
Von der Traumwelt zum Albtraum
Jetzt hat ihre älteste Tochter, Shari Franke, ein Buch über ihre Kindheit mit 8 Passengers veröffentlicht - "The House of my Mother - A Daughter's Quest for Freedom". 2015, als Ruby Franke ihre Karriere als Momfluencerin startete, war Shari 11 Jahre. Inzwischen ist sie 21. In verschiedenen Interviews, die sie zur Veröffentlichung des Buches gegeben hat, betont Shari Franke, dass sie Zweifel hatte, ob sie schon alt genug für eine Biografie sei. Schließlich sei ihr aber klar geworden, dass sie bereits jetzt mehr durchgemacht hat als viele in ihrem ganzen Leben.
Dass Shari Franke mit dem Familienleben, wie es das im Haus ihrer Mutter gab, schon lange nicht mehr einverstanden war, war überdeutlich. Nachdem Ruby Franke verhaftet wurde, postete sie ein Bild von einem Polizeiauto vor dem Anwesen und schrieb dazu lediglich ein Wort: "endlich". Im Buch berichtet sie von den Erfahrungen, die sie bei den fortlaufenden Dreharbeiten in ihrem Alltag machte.
Vor allem die Anfangszeiten hätten für wunderschöne Erinnerungen gesorgt, sagte sie dem britischen "Guardian". "Als der YouTube-Kanal startete, war es echt cool, viele Urlaube und kostenlose Sachen wie Kleidung oder Make-up zu bekommen." Wie hätte sie das nicht mögen können, "in einer Welt, in der wir an unseren Followern in den sozialen Medien und den Designermarken, die wir tragen, gemessen werden?", fragt sie ihre Leserinnen und Leser und vermutlich auch sich selbst.
Gewalt und Manipulation
Doch selbst in diesen guten Zeiten gab es in der Familie Franke keine gewaltfreie Erziehung. Schon mit fünf oder sechs Jahren sei sie regelmäßig geschlagen worden. "Ob es nun ein Schlag auf die Lippe war oder ein Schlag auf die Wange … wenn ich Klavier übte, schlug ihre Hand (die der Mutter, Anm. d. Red) zu und das war wirklich beängstigend."
Während das Vlogging zur Haupteinnahmequelle der achtköpfigen Familie wurde, änderte sich das Familiengefüge. Der Vater Kevin Franke, ein Professor für auf Erdbeben spezialisiertes Bauen, trat im Alltag immer weiter in den Hintergrund. An fünf Tagen in der Woche postete Ruby Franke Videos ihrer Kinder, die Zugriffszahlen stiegen stetig. Für die Kinder, die im US-Bundesstaat Utah zu Hause beschult wurden, war das ständige Filmen längst Arbeit geworden. "Alles, was weniger als ungezügelte Begeisterung war, brachte Ruby in Rage. Ein Hauch von Missfallen in meinem Gesicht und Schlag! … Aber egal, wie sehr ich mich drehte und wendete, egal, wie viel ich erreichte oder schaffte, es war nie genug."
Shari Franke wird inzwischen für ihre Drehs bezahlt, mal mit 10, mal mit 100 Dollar. Mit 15 hat sie ihren eigenen Youtube-Kanal, postet dort, wie sie es von der Mutter gelernt hat. Sie habe schnell gelernt, die Mutter um etwas zu bitten, "wenn sie filmt, denn sie möchte als nette Mutter dargestellt werden und möchte, dass die Leute sie mögen". Doch das Unbehagen wächst, die Tochter merkt, dass es ihr psychisch schlecht geht, das keine Rolle für ihre Mutter spielt und der Vater längst aufgegeben hat, einzugreifen.
Psychoterror und der Versuch zu heilen
Auch die älter werdenden Geschwister werden selbstständiger und hinterfragen zunehmend das strenge Regime der Mutter. 2018 heuert Ruby Franke die selbst ernannte psychologische Beraterin Jodi Hildebrandt an, um Sohn Chad, der sich zunehmend widersetzte, zu disziplinieren. Später wird Hildbrandts Tätigkeit auch auf Shari ausgeweitet. 2022 sei Hildebrandt bei der Familie eingezogen, kurz darauf zog Vater Kevin aus.
Die Schläge hören auf, an ihre Stelle treten Psychomaßnahmen, um die Kinder zu disziplinieren. In das Familienleben werden willkürlich neue Regeln und Praktiken eingeführt. In einem Jahr bekommen die jüngsten Geschwister keine Weihnachtsgeschenke, um zu lernen, nicht egoistisch und anspruchsvoll zu sein. Als Shari Franke aufs College geht, verliert sie den Kontakt zu ihrer Familie.
Chad darf inzwischen nicht mehr in seinem Bett schlafen, sondern nächtigt auf einem Sitzsack, weil er sich nicht respektvoll genug verhalten habe. Die jüngeren Kinder bekommen nicht genug zu essen und werden voneinander getrennt. Bei "Verfehlungen" müssen sie stundenlang in der Sommerhitze auf heißem Beton stehen, auf harten Böden schlafen oder werden in einen Betonbunker im Keller gesperrt. Offene Wunden werden mit Cayennepfeffer und Honig behandelt. Die Verletzungen sind so schwer, dass die Kinder nach der Festnahme der Mutter ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen.
Shari Franke spricht in ihrem Buch nur noch von Ruby, nicht mehr von ihrer Mutter. In einem Lehrer und seiner Frau hat sie Ersatzeltern gefunden. Mit der Veröffentlichung des Buches teilt sie noch einmal ihr Leben, danach werde sie heiraten und sich aus den sozialen Medien zurückziehen. Ihr kleiner Bruder sei "der Held in der Geschichte, aber ich würde gern glauben, dass ich getan habe, was ich konnte", sagte sie dem "Guardian". Die 21-Jährige setzt sich gegen die Ausbeutung von Minderjährigen in den sozialen Medien ein.
Ruby Franke drückte nach der Urteilsverkündung ihr Bedauern aus und machte weitgehend Hildebrandts bösartigen Einfluss für die Misshandlungen verantwortlich. Shari Franke glaubt, dass ihre Mutter sich so sehr entschuldigt hat, wie es ihr möglich ist. "Sie glaubt vermutlich, was sie sagt", antwortete die Tochter auf eine entsprechende Frage des US-Senders ABC. "Ich tue das nicht".
Quelle: ntv.de
