Furz-Expertin erklärt Politik Ukrainer lachen sich über Russen kaputt
04.10.2022, 14:18 Uhr (aktualisiert)
"Psychologin" Weronika Stepanowa ist sich sicher: Solch ein "Schwächling" wie Selenskyj kann kein Präsident sein.
(Foto: Screenshot Telegram/bozhejakekonchene)
Während der Westen über die Gräueltaten in der Ukraine schockiert ist, haben manche Russen ganz andere Sorgen. Wie bezahlt man sein Abendessen in Dubai, wenn die Bankkarte gesperrt ist? Wie gehts weiter ohne Instagram? Im Internet machen sich die Ukrainer lustig über die "harten Schicksalsschläge", die ihre Nachbarn erleiden müssen.
Menschen auf der ganzen Welt trauern um die ermordeten Zivilisten in Butscha und Mariupol, sind entsetzt über Raketenangriffe auf Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten und solidarisch mit den Millionen Flüchtlingen, die über Nacht obdach- und heimatlos wurden. Auch bei vielen Russen ist die Stimmung betrübt, allerdings aus anderen Gründen. In den sozialen Medien beklagen einige Blogger ihr schweres Leben - ohne Instagram und McDonald's. Die Berichte der Influencer über die "harten Schicksalsschläge" in Form von Sanktionen und anderen Einschränkungen sollen beim russischen Publikum für Mitleid sorgen. In der Ukraine und dem Rest der Welt bewirken sie genau das Gegenteil.
In einem Telegramkanal, dessen Namen man mit "Mein Gott, bist du peinlich" übersetzen kann, machen sich die Ukrainer seit dem Kriegsbeginn lustig über die "armen" Russen. Ins Leben gerufen wurde die Gruppe von dem aus Mariupol stammenden Journalisten und Comedian Oleksiy Durnev. Schon vor dem Krieg war er mit seiner Youtube-Show "Durnev schaut sich Insta-Stories an" extrem erfolgreich - die Clips wurden millionenfach aufgerufen. Seit Ende Februar konzentriert sich Durnev nun auf den Content der russischen Blogger. Seinem neuen Telegramkanal folgen inzwischen mehr als 660.000 Menschen.
Die Gruppe hilft den Ukrainern, den Mut zu behalten, und sorgt für Unterhaltung in harten Zeiten. Russland greift schließlich nicht nur mit Bomben und Raketen an, sondern auch mit Propaganda. Dagegen kämpft Durnev mit Spott und guter Laune. Denn den Humor, den darf man nicht verlieren.
Rapper kann 11.000 Euro teures Steak nicht bezahlen
Der Name des Kanals "Mein Gott, bist du peinlich" stammt aus einem Video von Februar 2020. Darauf kommentiert eine ältere Frau mit den besagten Worten den wilden Tanz eines Mannes vor ihrem Fenster. Seitdem ist der Satz in der Ukraine legendär geworden - genauso wie die Frau. Sie wurde im ganzen Land berühmt und bekam sogar eine kleine Rolle in einem Spielfilm. Die Internet-Nutzer interpretierten diese Äußerung als einen Satz, der auf äußerst unangemessene Aussagen oder menschliches Verhalten hinweist.
Äußerst unangemessen - das scheint eine sehr treffende Beschreibung für die Videos, die im Kanal "Mein Gott, bist du peinlich" gesammelt sind. So beschwert sich der erfolgreiche Rapper Egor Kreed in einem Clip darüber, dass er mit seinen russischen Bankkarten die Einkäufe in einem Luxus-Supermarkt in Dubai nicht bezahlen konnte - darunter angeblich "ein Steak für eine Million Rubel" (umgerechnet rund 10.900 Euro). Während er das Video aufnimmt, düst der Musiker mit seinen Freunden in einem Cabrio durch die Stadt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ukrainische Fans unter seinen knapp 15 Millionen Followern verstecken sich währenddessen vor russischen Luftangriffen in den Kellern.
"Ukraine vernichten, wozu braucht man sie?"
Doch auch die russischen Instagram-Blogger, die durch den Bann des Netzwerks Verluste erlitten haben sollen, verdienen Anteilnahme. Oder doch eher Spott? In einer Ausschusssitzung des russischen Föderationsrats verlangten sie vom Facebook-Mutterkonzern Meta Entschädigungen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar - obwohl Russland das Netzwerk auf eigene Initiative blockiert hatte. Nach der Veröffentlichung in "Mein Gott, bist du peinlich" wurde das Video zum Social-Media-Hit und sorgte weltweit für Schlagzeilen.
In einem weiteren Clip erklärt Weronika Stepanowa, eine populäre russische Influencerin, die sich selbst als Psychologin bezeichnet, ihren mehr als zwei Millionen Followern, welche Charaktereigenschaften ein Präsident besitzen muss. Nach ihrer Darstellung soll ein solcher Mensch "ein funktionsreicher Psychopath" sein. Er solle kein Gewissen haben und imstande sein, das Gesetz zu brechen. Wer dazu nicht fähig ist, kann laut Stepanowa kein Präsident werden. Denn so ein Mensch sei ein "Weichei", sagt die Influencerin. Als Beispiel für solch einen "Schwächling" nennt sie den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj. Er sei "einfach ein Schauspieler, der seine Rolle spielt". Auf ihrer Webseite verkauft Stepanowa Tutorials, die ihre Kunden zum Erfolg - sowohl finanziell als auch in Beziehungen - führen sollen. Einem breiten Publikum wurde die "Psychologin" mit ihrer Videoanleitung zum ton- und geruchlosen Furzen bekannt.
In einer Straßenumfrage in Russland wird eine junge Frau gefragt, wie ihrer Meinung nach der Krieg enden soll. "Die Ukraine wird zu einem zweitrangigen Staat", ist sich die Frau sicher. "Und wir werden dieses Territorium für uns einnehmen", sagt sie weiter. Ob sie das für richtig hält, fragt sie die Reporterin. "So war es früher. Alles geht zurück zum Ursprung", behauptet sie. Ein weiterer Mann antwortet auf die gleiche Frage, man solle die Ukraine vernichten. "Wozu braucht man sie?", fragt er und fordert, danach solle man auch noch Polen vom Angesicht der Erde tilgen.
Verwandte in der Ukraine sollen "zur Vernunft kommen"
Viele Russen scheinen wirklich zu glauben, dass in der Ukraine "Faschisten" an der Macht sind. So sagt ein Mann in einer anderen Straßenumfrage: "Wir haben es 1945 nicht geschafft, die Nazis komplett zu vernichten, also müssen wir es jetzt tun." Er habe selbst Verwandte in der Ukraine, behauptet der Mann. "Sie täuschen sich, sie verstehen nicht, was wirklich vor sich geht." Nach dem von ihm ersehnten Sieg Russlands werden "meine Verwandten zumindest anfangen, klar zu denken, sie werden wahrscheinlich zur Vernunft kommen".
Der Telegramkanal offenbart unter anderem auch eine Stärke der russischen Armee: In den Bereichen Plünderungen und Diebstähle erzielten die russischen Soldaten offenbar eine ganze Reihe von Erfolgen. So zeigt ein Video, was man in einem abgeschossenen russischen Panzer so alles entdecken kann: ukrainische Geldscheine, Angelruten, Kinderspielzeug... Mein Gott, seid ihr peinlich!
(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 10. April 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de