Panorama

Sektenartige Gruppe verboten Wie Peter Fitzek über das "Königreich Deutschland" herrschte

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Der selbsterklärte Monarch und sein Fantasie-Ausweis.

Der selbsterklärte Monarch und sein Fantasie-Ausweis.

(Foto: picture alliance/dpa)

Ein früherer Koch und Karate-Lehrer spielt sich zum Regenten eines Fantasiestaats auf - und Tausende folgen ihm. Um an ihr Geld zu kommen, entwickelt Peter Fitzek ein ausgeklügeltes Finanzsystem mit eigener Bank und Währung. Nun wird er festgenommen. Nicht zum ersten Mal.

Alles wirkt wie im Laientheater: Auf der Bühne steht ein Mann mit Pferdeschwanz in Karl-der-Große-Manier. Er trägt einen Hermelinmantel, in der Hand hält er ein Schwert. Auf dem Tisch Insignien: Krone, Kelch, Reichsapfel. Die aufgereihten Getreuen scheinen überzeugt, einem wahrlich historischen Moment beizuwohnen: "Wir wählen euch, Peter Fitzek, zu unserem obersten Souverän." Dann unterzeichnen sie einer nach dem anderen die Gründungserklärung des "Königreichs Deutschland".

Das war 2012, nachzusehen auf Youtube. 13 Jahre später muss sich der Fantasiestaat der Bundesrepublik Deutschland vorerst geschlagen geben. Das Innenministerium lässt die Vereinigung verbieten, Liegenschaften durchsuchen und Vermögenswerte beschlagnahmen. Die Mitglieder "haben einen 'Gegenstaat' in unserem Land geschaffen und wirtschaftskriminelle Strukturen aufgebaut", sagte Innenminister Alexander Dobrindt. Vier Rädelsführer werden festgenommen, darunter der selbst ernannte Monarch Fitzek, der sich auch "Peter der Erste" nennt.

Der heute 59 Jahre alte Fitzek hat Koch gelernt und war mal Karate-Lehrer. Erste demokratische Machtbestrebungen scheiterten: 2008 kandidierte er als Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg, ein Jahr später als Direktkandidat für den Bundestag. Bei beiden Wahlen erhielt er 0,7 Prozent der Stimmen. Derweil begann Fitzek bereits mit dem Aufbau seiner Parallelwelt mit sich als Erdmittelpunkt. 2009 gründete er den Verein "Neu Deutschland", aus dem später das "Königreich Deutschland" hervorgehen sollte.

Verschwörungen und Esoterik

Ideologisch ist diese Welt durch eine krude Ablehnung der Bundesrepublik, ihrer Gesetze und Institutionen geprägt, wie es typisch ist für die sogenannte Reichsbürgerbewegung. Fitzek vertritt etwa die Ansicht, einem deutschen Staat stünden die Grenzen von 1937 zu - also über Oder und Neiße hinweg bis nach Ostpreußen. Seine Weltanschauung ist geprägt von einer Nähe zum Rechtsextremismus, zu Verschwörungserzählungen und Esoterik.

Und der durchaus charismatisch und wortgewandt auftretende Fitzek fand schnell Zulauf. Er ließ sich nicht nur vor rund 600 Anhängern zum "Obersten Souverän" krönen, sondern mietete 2012 auch ein ehemaliges Krankenhausgelände am Rande von Wittenberg an, um dort in Ruhe Staat spielen zu können. Er bestimmte laut Bundesanwaltschaft die ideologische Ausrichtung und erließ eigene "Gesetze". Seinen Anhängern versprach er, sie vom deutschen Steuer- und Abgabesystem zu befreien.

Das "Königreich Deutschland" gab eigene Ausweise und Führerscheine aus, schuf mit der "E-Mark" ein eigenes Zahlungsmittel. Fitzek erdachte sogar eigene Organisationen: diverse Versicherungen oder die "Deutsche Heilfürsorge", eine Art Krankenkasse. Die "Königliche Reichsbank" hatte zwischenzeitlich eine eigene "Filiale" in der Wittenberger Innenstadt. 2023 schloss die Finanzaufsicht Bafin eine Niederlassung von Fitzeks "Gemeinwohlkasse" in einer ehemaligen Bäckerei in Dresden. Bei den Durchsuchungen in mehreren Objekten fanden die Ermittler Bargeld und Goldbarren im Wert von über 360.000 Euro.

Die von Fitzek entwickelten Finanzsysteme dienten einerseits der Delegitimierung Deutschlands, andererseits der Finanzierung und Ausbreitung des Königreichs. Wer ein "Euro-Sparkonto" bei der "Reichsbank" eröffnete, stellte sein eingezahltes Geld dem Königreich zur freien Verfügung, ohne Anspruch auf Rückzahlung, wie Recherchen von "Capital" zeigen. Mit der "E-Mark" ließ sich zwar in einschlägigen Onlineshops einkaufen, ein Rücktausch in Euro war jedoch nicht möglich.

Das "Königreich" breitete sich aus

Zwar wurde das ehemalige Krankenhausgelände in Wittenberg 2017 zwangsgeräumt, doch das "Königreich Deutschland" expandierte weiter. Anhänger kauften Grundstücke in ganz Deutschland und siedelten sich dort an. Ein aus Fitzeks Sicht wohl standesgemäßer Kauf kam 2022 zustande. Die Gruppe erwarb das Schloss Bärwalde in der Oberlausitz für 1,3 Millionen Euro und das Wolfsgrüner Schlösschen im Erzgebirge für 2,3 Millionen Euro.

Im Jahr darauf folgten ein leerstehendes Hotel in Niedersachsen für sechs Millionen Euro und ein Gutshof bei Dresden, der laut "Spiegel" zuletzt als Rückzugsort der Gruppe diente. Als Käufer sollen oft Tarnvereine fungiert haben, das Geld stammte Fitzek zufolge aus seiner Gefolgschaft. Entstehen sollten demnach unter anderem ein "Seminar- und Gesundheitszentrum" sowie sogenannte "Gemeinwohldörfer". Diese beschrieb das "Königreich Deutschland" als autarke Gemeinschaften, in denen ein Leben im Einklang mit der Natur und mit eigener Versorgung möglich sein soll.

Experten und Behörden sehen in dieser Naturverbundenheit eine Verschleierungstaktik. Fitzek verfolge eine perfide Strategie, sagte der frühere brandenburgische Verfassungsschutzchef Jörg Müller vor einiger Zeit der dpa. Fitzek äußere sich klar antisemitisch, wolle Menschen psychisch abhängig machen und lebe davon, diese Leute finanziell auszunehmen. Laut Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang handelt es sich beim "Königreich Deutschland" um eine "besonders gefährliche Gruppierung der Reichsbürgerszene". Ihr Ziel sei es, einen außerhalb der deutschen Rechtsordnung stehenden "monarchischen Fantasiestaat" zu errichten.

Teure "Aussteiger"-Seminare

Vieles beim "Königreich Deutschland" ähnelte einer Sekte. Fitzek prahlte schon mal damit, dass Menschen ihr Haus verkaufen, um mitzumachen. Er bot aufeinander aufbauende "Systemausstiegs-Seminare" an, die Neumitglieder anwerben sollten und schnell Zehntausende Euro verschlingen konnten. Am Ende stand ein Antrag auf "Staatsbürgerschaft", der ebenfalls Geld kostete.

Dennoch zog das "Königreich Deutschland" zahlreiche Menschen an und war laut dem Bundesinnenministerium mit rund 6000 Anhängern die mitgliederstärkste Vereinigung aus dem "Reichsbürger"-Spektrum. Zuletzt war die Zahl der festen Mitglieder aber wohl deutlich kleiner: Der Verfassungsschutz zählte 919 Personen.

Kontakte zu "Querdenkern"

Besonders in Krisenzeiten seien solche Vereinigungen für Menschen attraktiv, sagte Benjamin Winkler von der Amadeu Antonio Stiftung dem "Focus". "Man greift psychische Probleme von Menschen auf und bietet ihnen ein vermeintlich besseres Leben an." Zur Corona-Zeit gab es Verbindungen zwischen dem "Königreich Deutschland" und der "Querdenken"-Bewegung. Erst im April lobte Fitzek im Interview mit RTL und "Stern" die AfD und nannte Rechtsradikalismus etwas "nicht Verkehrtes". Die Behörden beschimpfte Fitzek regelmäßig. Einem russischen TV-Reporter sagte er im vergangenen Jahr, es gebe viele Menschen, "die wollen, dass wir die Regierungsgewalt übernehmen".

Fitzeks Umtriebe brachten ihn immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Gegen ihn wurden Prozesse wegen Untreue oder unerlaubter Bankgeschäfte geführt, auch wegen Fahrens ohne Führerschein. Den soll er 2012 im Landratsamt abgegeben haben, danach aber einfach weitergefahren sein. 2018 trat er eine Haftstrafe in der JVA Halle an, nach dreieinhalb Monaten wurde er wieder entlassen. Zuletzt lag ein offener Haftbefehl gegen Fitzek vor, weil er im Wittenberger Landratsamt zwei Bundeswehrsoldaten beleidigt und eine Security-Mitarbeiterin an die Wand gedrückt hatte. Dieser Haftbefehl wurde nun vollstreckt.

Quelle: ntv.de

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