"Ich will kein Täter werden" Wo Pädophile ihren Trieb kontrollieren lernen
25.10.2016, 12:34 Uhr
Prinzipiell bezeichnet Pädophilie die sexuelle Erregbarkeit durch Kinder, die noch nicht in der Pubertät sind.
Das Anti-Pädophilie-Projekt "Kein Täter werden" sieht sich auf der Erfolgsspur. Tausende Männer haben sich dem Netzwerk anvertraut. Hunderte lernen dort, ihre sexuellen Wünsche zu steuern.
Sex mit Kindern - kaum etwas gilt als abstoßender. Von wem bekannt ist, er begehre Kinder, der gerät schnell ins Abseits, verliert Familie, Freunde und Job. Hierzulande gelten mehr als ein Prozent aller Männer als pädophil. Allein in Deutschland gebe es folglich Hunderttausende potenzieller Täter.
Aus diesem Grund startete 2005 an der Berliner Charité das Projekt "Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld", inzwischen besser bekannt unter der Bezeichnung "Kein Täter werden". Ärzte und Psychologen arbeiten seitdem immer am gleichen Ziel: pädophile Patienten davon abzubringen, ihrem Drang nachzugeben und Kinder sexuell zu missbrauchen.
Bis heute suchten bundesweit bereits 7075 Menschen Hilfe bei "Kein Täter werden", Hunderte von ihnen nahmen an einer Therapie teil. 251 haben diese bereits erfolgreich abgeschlossen, wie das Anti-Pädophilie-Netzwerk mitteilt. Fünf Jahre nach dem Abschluss einer Therapie habe keiner der Teilnehmer einen sexuellen Missbrauch an einem Kind oder Jugendlichen begangen, so der Sprecher des Netzwerks, Klaus M. Beier. Beier zog eine erste Bilanz der Arbeit, die seit 2008 vom Bund finanziert wurde.
Aktuelle Nachuntersuchungen und erste wissenschaftliche Auswertungen hätten ergeben, dass das Behandlungsprogramm die Risikofaktoren für sexuellen Kindesmissbrauch mindere. Die Teilnehmer der Therapiegruppen lernten, ihr Verhalten zu kontrollieren, erklärt Beier, der auch Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité ist.
Bewusstsein für gefährliche Vorlieben
265 Männer befinden sich derzeit in gruppen- oder einzeltherapeutischer Behandlung. Dort trainierten Psychologen vor allem Einsicht und Impulskontrolle. Die Betroffenen sollten lernen, dass ihre Vorlieben gefährlich sind, dass sie auch dann Gewalt ausüben, wenn sie glauben, die Kinder entschieden sich freiwillig für Intimität. Gegebenenfalls würden dafür und in Absprache mit den Teilnehmern Medikamente eingesetzt, die das sexuelle Verlangen dämpfen.
"Jede verhinderte Tat schützt ein Kind", erklärt Jerome Braun von der Kinderschutzstiftung "Hänsel+Gretel", die das Projekt seit 2005 unterstützt. Das Therapieangebot sei "ein wichtiger Baustein in der Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs".
"Die meisten Fälle von Kindesmissbrauch finden im sogenannten Dunkelfeld statt und bleiben unerkannt", warnt Christiane Wirtz, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, das das Präventionsnetzwerk noch bis Ende 2016 finanziell fördert. Wirtz verwies auf Studien, wonach die Dunkelziffer sexuellen Kindesmissbrauchs bis zu 30-fach höher liegen soll, als aus amtlichen Statistiken hervorgehe. "Am sinnvollsten und am besten für alle Beteiligten ist es deshalb, bereits anzusetzen, bevor etwas passiert."
Pädophilie ist nicht heilbar
Wie Pädophilie entsteht, ist nicht hinreichend geklärt. Laut "Kein Täter werden", diskutiert die Sexualwissenschaft verschiedene Faktoren, zum Beispiel Entwicklungsauffälligkeiten des Gehirns, frühe Bindungs- und Beziehungsstörungen oder eigene sexuelle Missbrauchserfahrungen.
Nach gegenwärtigem Stand der Forschung ist Pädophilie nicht heilbar. Die Neigung besteht ein Leben lang. Das einzig realistische Therapieziel ist daher, einen verantwortungsvollen Umgang mit der pädophilen Neigung zu erreichen. Dies bedeutet keinen sexuellen Übergriff auf ein Kind zu begehen, weder direkt, noch durch den Konsum von Kinderpornografie.
Quelle: ntv.de, dsi