Panorama

Darum starben zwei Polizisten Wollten die Täter Wilderei vertuschen?

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Am frühen Montagmorgen werden zwei Polizisten bei einer Verkehrskontrolle getötet. Zwei Tatverdächtige sind inzwischen in Untersuchungshaft. Mittlerweile spricht die Staatsanwaltschaft auch über erste Vermutungen über das Motiv.

Eigentlich spiele Wilderei im rheinland-pfälzischen Kreis Kusel keine große Rolle. Wenn, dann gehe es vereinzelt um nicht fachgerecht zerteilte Tiere oder vielleicht häufiger um Wildunfälle, erklärt Polizeivizepräsident Heiner Schmolzi. Doch diesmal sorgt mutmaßliche Wilderei dafür, dass der sichtlich bewegte Polizeipräsident der Westpfalz, Michael Denne, folgenden Satz sagt: "Wir sind alle schockiert, zutiefst entsetzt und traurig über den Tod unserer 24-jährigen Kollegin und unseres 29-jährigen Kollegen."

Neben Denne sitzen bei der Pressekonferenz zu den getöteten Polizisten in der Pfalz auch Vertreter der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern und des saarländischen Landespolizeipräsidiums. Sie geben Auskunft über einen "verstörenden Fall". Worüber Denne und die anderen sich äußern, das passiert nicht häufig in Deutschland. Sie sprechen darüber, dass zwei junge Polizisten im Dienst erschossen wurden. "Seit gestern Morgen um 4.22 Uhr gilt für unser Polizeipräsidium eine neue Zeitrechnung", erklärt Denne.

Über die Tat kommen nach und nach immer mehr Details ans Licht. Zum Beispiel der Grund, weshalb die Beamten in den Morgenstunden unterwegs waren. Eigentlich sei es um die Bekämpfung von Eigentumskriminalität gegangen, erklärt Polizeivizepräsident Schmolzi. Gesucht sei eine Person gewesen, die mit dem, was später passieren wird, nichts zu tun gehabt hätte. In der Nacht von Sonntag auf Montag seien in der Gegend deshalb zwei Funkstreifenwagen und ein Zivilfahrzeug unterwegs gewesen. In eben jenem Zivilfahrzeug saßen die 24-jährige Polizeianwärterin und ihr 29 Jahre alter Kollege, ein Oberkommissar.

"Die schießen, die schießen, kommt schnell"

Die neue Zeitrechnung für das Polizeipräsidium Kaiserslautern kündigte sich mit einem Funkspruch an. Um 4.19 Uhr hätten die beiden später getöteten Beamten in dem Zivilfahrzeug eine Personenkontrolle angemeldet. "Sie hätten dubiose Personen festgestellt und der ganze Kofferraum sei voll mit Wildtieren", erklärt Schmolzi. Die Polizisten hätten daraufhin Verstärkung angefordert. Von 4.20 bis 4.21 Uhr funkten sie: "Kommt schnell, die schießen, die schießen, kommt schnell!" Es habe von den Kollegen noch eine Antwort gegeben, im Hintergrund sei ein Schuss zu hören gewesen.

Was innerhalb dieser zwei Minuten zwischen dem ersten und zweiten Funkspruch passierte, ist noch nicht vollständig klar und wird es vielleicht auch nie. "Wir werden das Tatgeschehen in groben Zügen rekonstruieren können, bei der einen oder anderen Kleinigkeit sind wir dann am Ende auch im Bereich der Spekulationen", sagt Schmolzi. Sicher ist, dass das passierte, was Bundesinnenministerin Nancy Faeser bereits am Montag eine "Hinrichtung" nannte. Auf die Beamten sei vermutlich mit zwei Waffen geschossen worden: eine Schrotflinte und ein Jagdgewehr.

Ein Kopfschuss mit einer Schrotflinte habe die Polizeistudentin sofort getötet. "Sie war arglos", heißt es auf der Pressekonferenz. Als sie aufgefunden wurde, habe ihre Waffe noch im Holster gesteckt. Polizeivizepräsident Schmolzi vermutet, dass sie eine Taschenlampe und die Papiere der späteren Tatverdächtigen in den Händen hielt. Es sei ihre zweite Schicht gewesen, seit sie von der Polizeihochschule zurückgekehrt war. Sie stand offenbar vor dem Ende ihrer Ausbildung. Im Mai hätte sie den Dienst angetreten. Ihr Kollege habe derweil noch sein Magazin leeren können, also 14 Schüsse abgegeben. Er selbst sei viermal getroffen worden, einmal davon am Kopf. Die angeforderte Verstärkung habe acht bis zehn Minuten gebraucht. Als sie eintrafen, sei der Polizeioberkommissar bereits verstorben gewesen. Die mutmaßlichen Täter seien mit dem Auto geflüchtet.

Tatverdächtige waren polizeibekannt

In der Folge fahndete die Polizei mit Hochdruck nach den flüchtigen Tätern. Am Tatort hätten die Ermittler Führerschein und Personalausweis des 38-jährigen Verdächtigen gefunden. Ohne die Papiere hätte die Ermittlungslage "nicht gut ausgesehen", räumt Schmolzi ein. Da sie jetzt wussten, wo einer der Verdächtigen wohne, konzentrierten sich die Fahndungsanstrengungen auf das Saarland.

"Im Laufe des Nachmittags haben sich dann zwei Wohnobjekte sowie ein Fahrzeug in Sulzbach herauskristallisiert", erläutert Melanie Morbach von der Polizei Saarland. Mit Erfolg: "Als der 38-jährige Tatverdächtige gegen 17 Uhr das Wohngebäude verlassen hat, konnte ein Zugriff erfolgen und er wurde von den Spezialeinheiten festgenommen", führt Morbach weiter aus. Bei den anschließenden Durchsuchungen seien die Einsatzkräfte auf die zweite Person getroffen: einen 32-Jährigen aus Sulzbach.

Vor Ort hätten die Ermittler zahlreiche Waffen in verschiedenen Objekten gefunden, erklärt Polizeivizepräsident Schmolzi. Es werde noch dauern, bis das kriminalistisch aufgearbeitet sei. Ob der 38-jährige Verdächtige einen Jagdschein besitzt oder er seinen Waffenberechtigungsschein verloren hat, könne man noch nicht sagen, erklärt Kriminaldirektor Frank Gautsche. In der Vergangenheit sollen dem Verdächtigen laut Medienberichten beide Scheine entzogen worden sein.

Wirtschaftlich "alles andere als geordnet"

Über den 38-jährigen Tatverdächtigen gab es zuvor viele Medienberichte. Dass er wegen Unfallflucht und Jagdwilderei polizeibekannt war, bestätigt Kriminaldirektor Gautsche. Die wirtschaftliche Situation des 38 Jahre alten Verdächtigen wird auf der Pressekonferenz als "alles andere als geordnet" bezeichnet, seine sozialen Verhältnisse als "brüchig". In Lokalmedien hieß es bereits gestern, dass er eine Bäckerei und einen Wildhandel betreibe. Derzeit laufe ein Insolvenzverfahren gegen ihn. Auch der 32-Jährige sei der Polizei bekannt gewesen.

Beide Tatverdächtigen seien einander bekannt, aber nicht verwandt, erklärt Oberstaatsanwalt Stefan Orthen. Der ältere der beiden Beschuldigten hätte nach der Festnahme von seinem Schweigerecht gebraucht gemacht. Der Jüngere habe die Wilderei hingegen eingeräumt. Und noch mehr erzählt: Er habe bestritten, selbst abgedrückt zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass zwei Menschen auf die Polizisten geschossen haben müssten.

Gegen die Verdächtigen habe der Ermittlungsrichter in Kaiserslautern nun Haftbefehl erlassen, erklärt Orthen. Der Vorwurf: die jungen Polizisten gemeinschaftlich ermordet zu haben, um die Jagdwilderei zu verdecken. Beiden wurde der Haftbefehl am heutigen Morgen eröffnet, seitdem befänden sie sich in Untersuchungshaft. Zudem habe es Hinweise gegeben, dass die Wilderei gewerblich und professionell betrieben wurde, erklärt Polizeivizepräsident Schmolzi.

Quelle: ntv.de

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