Scholz-Ankündigung im Bundestag Abschiebungen nach Afghanistan - wie soll das gehen?
06.06.2024, 14:18 Uhr Artikel anhören
Keine leichte Kost: In Scholz Regierungserklärung und der anschließenden Debatte ging es um den Mord von Mannheim, das Hochwasser in Süddeutschland und den russischen Krieg gegen die Ukraine.
(Foto: REUTERS)
Nach dem Mord an einem Polizisten durch einen Afghanen fordert Kanzler Scholz Abschiebungen auch nach Afghanistan. Wie das funktionieren soll, erklärt er nicht. Union und Grüne sind skeptisch - aus sehr unterschiedlichen Gründen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Regierungserklärung im Bundestag Abschiebungen von Straftätern nach Syrien und Afghanistan in Aussicht gestellt. Mit Blick auf den Messerangriff in Mannheim, bei dem ein 29-jähriger Polizist getötet wurde, sagte er: "Es empört mich, wenn jemand schwerste Straftaten begeht, der hier bei uns Schutz gesucht hat. Solche Straftäter gehören abgeschoben, auch wenn sie aus Syrien oder Afghanistan stammen."
Unionsfraktionschef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt griffen das auf, zeigten aber auch, dass sie den Ankündigungen keinen Glauben schenken. "Die Zeit des Warnens und des Verurteilens, des Abwiegelns und der Ankündigungen, diese Zeit ist jetzt vorbei", sagte Merz. "Die Menschen erwarten, dass wir handeln." Dobrindt prophezeite dem Kanzler, "mit diesen Grünen" werde er "keine Abschiebungen nach Afghanistan hinbekommen, weil sie wollen es einfach schlichtweg nicht".
Scholz hatte gesagt, Bundesinnenministerin Nancy Faeser suche "nach rechtlich und praktisch tragfähigen Wegen", um Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan zu ermöglichen. "Über die praktische Umsetzung ist das Bundesministerium bereits mit Nachbarländern Afghanistans im Gespräch."
"Das ist nicht so einfach"
Wie diese Wege aussehen könnten, sagte Scholz nicht. Merz unterstellte dem Kanzler, er behaupte, in Afghanistan gebe es keine Ansprechpartner. Mit "technischen Kontakten" werde jedoch über Entwicklungshilfe gesprochen. "Warum können 'technische Kontakte' nicht auch mal genutzt werden, um Rückführungen nach Afghanistan zu ermöglichen?", fragte er.
Tatsächlich zeigten sich die Grünen, wie von Dobrindt angekündigt, in der Debatte skeptisch. Es sei Rechtslage, dass man ab einem bestimmten Strafmaß das Aufenthaltsrecht in Deutschland verwirkt habe, sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour. Es sei aber "nicht so einfach, nach Afghanistan abzuschieben", man solle da keine Illusionen wecken. Auch stimme es nicht, dass Deutschland Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan leiste. Was es gebe, sei humanitäre Hilfe unter internationaler Aufsicht.
Nouripour zufolge wäre für Abschiebungen nach Afghanistan eine Anerkennung der dortigen Regierung notwendig - was ein deutlicher Kurswechsel wäre: Die Mehrzahl der Länder weltweit, darunter alle westlichen Länder, erkennen die Taliban nicht als legitime afghanische Regierung an. Nouripour sagte, eine Anerkennung der "Steinzeitislamisten" in Afghanistan wäre "ein gigantischer internationaler Rückenwind für diese Barbaren".
Wer Terror verherrlicht, soll abgeschoben werden können
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann betonte, die Koalition habe bereits einige Abschieberegelungen verschärft, "und ich erwarte jetzt von den Ländern, dass das umgesetzt wird". Abschiebungen nach Afghanistan lehnte sie nicht rundheraus ab, sie zog aber in Zweifel, dass sie möglich sind: "Das Bundesinnenministerium und auch die Länderinnenministerien werden darlegen müssen, wie das gehen soll." Die Frage sei, wie man über das Thema mit dem "terroristischen System" in Afghanistan sprechen wolle. Und "für welches Drittland es attraktiv sein soll, Terroristen oder schwere Straftäter aufzunehmen". Sie sei auf die Antworten gespannt, einfach würden sie nicht.
Zugleich wurde in der Debatte auch deutlich, dass die Grünen mit ihrer Skepsis in der Ampel in der Minderheit sind. FDP-Fraktionschef Christian Dürr forderte, die "Abschiebung islamistischer Straftäter nach Afghanistan und Syrien muss ermöglicht werden". Wer islamistische Straftaten begehe, brauche offenbar keinen Schutz vor islamistischen Regimen, fügte er mit Blick auf die Taliban hinzu.
Verschärfungen soll es auch unabhängig von neuen Abschieberegelungen geben. Scholz sagte, es solle nicht länger geduldet werden, "wenn terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden". Die Bundesregierung werde die Ausweisungsregelungen so verschärfen, dass aus der Billigung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folge. "Wer Terrorismus verherrlicht, wendet sich gegen alle unsere Werte und gehört auch abgeschoben."
Quelle: ntv.de