Berlin Tag & MachtAlarm für Plagiatsjäger-Cobra 11: Wie der Kanzler Robert Habeck beraubte
Marie von den Benken
Politik im Murmeltier-Modus. Umfragetiefs und Koalitions-Streitereien als einzige Konstante der Bundesregierung. Kann Merz ausgerechnet per Copy/Paste-Taste die Wende einläuten?
Eine Kolumne von Marie von den Benken
Als Polit-Kolumnistin mitten im Epizentrum der Berliner Republik fühlt man sich mitunter wie Bill Murray in der Blockbuster-Kultkomödie "Und täglich grüßt das Murmeltier". Man wacht morgens auf und findet sich in einer Zeitschleife wieder. Alles wiederholt sich. Ich beispielsweise lasse mich jeden Morgen von Saskia Esken zum RTL-Hauptstadtstudio chauffieren. Seit Esken beim GroKo-Neupositionierungswichteln das Klingbeil der frühzeitigen Vorverrentung traf, wurde sie vom SPD-Parteivorsitz bis auf den Fahrersitz meiner Maybach-Stretchlimousine durchgereicht, die ntv seinen Starkolumnisten standesgemäß als Dienstfahrzeuge zur Verfügung stellt.
Vor Ort angekommen, lasse ich mich von Stefan Raab, Laura Wontorra, Daniel Hartwich und Frank Buschmann auf einer Sänfte vom Parkdeck ins Chefredaktions-Penthouse tragen. Dort frage ich bei meinem 400-köpfigen Investigativ-Team aus dem Regierungsviertel-Analysezentrum Themenvorschläge ab. Was ist im Kammerkonzert der mächtigen Spitzenpolitiker Themenvorreiter? Worüber diskutieren sich Kommentarspalten-Rambos und Stammtisch-Philosophen die Contenance aus dem Leib? Oder kurz: Was muss in dieser Kolumne unbedingt erwähnt werden?
Deutschland im Déjà-vu-Delirium
Kaum äußern sich erste Themen-Adjutanten, beginnt meine Billmurraysierung. Stets auf Platz 1 der Trendcharts: Die Regierungskoalition im Umfrage-Tief. Zuverlässig präsentieren sich die Koalitions-Vordenker um Kanzler, Vizekanzler und Ministerebene derartig zerstritten, wahlversprechungs-illoyal und widersprüchlich, dass der repräsentative Wählerkern ihnen jede Woche ein noch schlechteres Zeugnis ausstellt. Ständig nur Umfrage-Tiefstwerte: Dagegen ist der Murmeltiertag ein Potpourri an Innovationserlebnissen. Wenn der Zufriedenheits-Trend anhält, ist die GroKo-Zoffarmada spätestens im April 2026 auf dem Beliebtheits-Niveau von Marcus Prinz von Anhalt angekommen.
Aber Glück gehabt: Tiere werden von der aktuellen Regierung kaum gequält. Traditionell trifft es eher Hauptstadt-Journalisten, die ein erneutes Umfrage-Fiasko nur mit viel Formulierungsgeschick zum achtzehnten Mal in Folge als Breaking News verkaufen können. Inzwischen hat nämlich von "Apotheken Umschau" bis "Zollern-Alb-Kurier" wirklich jede Redaktion dokumentiert, warum aus dem großspurig angekündigten "Herbst der Reformen" eher eine Umfrage-Eiszeit geworden ist.
Popkultur-Pause: Zwischenruf aus der Hitparade
Die analysejournalistische Extremrelevanz dieser wöchentlichen Hochglanz-Politikeinordnungskolumne rekrutiert sich vornehmlich aus gelegentlichen Ausflügen auf die popkulturelle Meta-Ebene. Daher an dieser Stelle zur Auflockerung schnell ein kontextbefreiter Boulevard-Einschub: Was würde wohl passieren, wenn Nina Chuba einen neuen Top-Hit vorlegt, der "99 Luftballons" heißt und mit diesen Zeilen endet:
"99 Jahre Krieg ließen keinen Platz für Sieger.
Kriegsminister gibt's nicht mehr und auch keine Düsenflieger.
Heute zieh' ich meine Runden, seh die Welt in Trümmern liegen.
Hab 'n Luftballon gefunden - Denk an dich und lass' ihn fliegen."
Genau - Nina Chuba würde von Fans, Medien und Branche als Plagiats-Prinzessin in die ewigen Jagdgründe des Musikbusiness komplimentiert. Fände diese von berufsempörten Shitstorm-Choreographen aus der Echauffierungs-Industrie kuratierte Feindynamik auch im Reichstag Anwendung, wäre Friedrich Merz politisch erledigt. Er könnte höchstens noch Strafzettel an Falschparker in Brilon verteilen.
Denn auch der Kanzler der Doppelherzen (höchste Wähler-Dichte für die CDU: Ü70) hat offenbar tief in die Reproduktions-Trickkiste gegriffen. Folgerichtig badet er nun einen veritablen Doubletten-Skandal aus. Im erst wenige Monate zurückliegenden Wahlkampf hatte der mittelständische Eigenjet-Besitzer den damaligen Ampel-Wirtschaftsminister Robert Habeck noch als Totengräber der deutschen Wirtschaft deklariert. Nannte ihn gar "das Gesicht der Wirtschaftskrise" und ließ weder in Talkshows noch in Bierzelten leisesten Zweifel daran aufkommen, Deutschland würde sich unter Habeck im Ranking der wirtschaftsmächtigsten Nationen zeitnah zwischen Burkina Faso, Malawi und der Currywurstbude am Wittenbergplatz einpendeln.
Und heute? Da setzt das kanzlergewordene Wohlstandsversprechen im Körper eines sauerländischen Heizkissen-Vertreters für den Aufschwung im BIP-Bingo primär auf folgende Maßnahmen: Industriestrompreis, Deutschlandfonds, Schuldenbremsenaussetzung. "Potzblitz!", mag der sachkundige Polit-Beobachter da denken. "Das ist doch eins zu eins der Vorschlagskatalog von Robert Habeck, als der noch Wirtschaftsminister war!"
Weiterhin werden CDU/CSU-Fans und die Restbesatzung der bundestagseliminierten FDP nicht müde, Habeck als Hannibal Lecter der Wirtschaftspolitik zu skizzieren. Ein Insolvenz-Regentänzer, der die deutsche Industrie mit einem ausgezeichneten Chianti verspeist hat. Gleichzeitig verkünden Friedrich Merz und Lars Klingbeil, die Sonny & Cher der Bundespolitik, voller Stolz die Ergebnisse ihres Koalitionsausschusses. Welche sich allerdings von den Anregungen Robert Habecks maximal durch das Briefpapier unterscheiden. Schrödingers Konjunktur-Ruinierer nennt man das in der Enzyklopädie der Doppelstandards.
Koalitionschaos in Dauerschleife
Das aktuelle Regierungs-Portfolio für lösungsorientierte ad hoc Maßnahmen sorgt lagerübergreifend für Kopfschütteln. Grüne und die wenigen nicht im Aktionsbereich Vollzeit-Antisemitismus gefangenen Linken werfen dem Powerduo Merz/Klingbeil eine akute Habeck-Faksimile-Neurose vor. CDU/CSU-Wähler verorten die Union aktuell knapp vor "linksradikal", AfD-Wähler jubilieren über den Absturz der einstigen Volkspartei vom konservativen Ordnungsfanatiker zum mittelmäßigen Woke-Statthalter. Die meisten anderen halten Merz und seine Führungsmannschaft für rechtsextremistische Stadtbild-Rassisten.
Das zeigt die Schieflage der Parteien-Einordnung. Die CDU ist für die meinungsdogmatisch Dauerempörten aus den Social Media Diskursräumen nurmehr ein Partei-Torso, der sich in panischer Machtverlust-Phobie alle wichtigen Entscheidungen von der SPD diktieren lässt. Etwa die Bereitstellung weiterer 18 Millionen Euro Soforthilfe-Steuergelder für den Wiederaufbau in Gaza, die Außenminister Wadephul diese Woche ankündigte. Und das, obwohl die Hamas entgegen ihren Zusagen im Rahmen des Friedensplans weiterhin bewaffnet in Gaza operiert. Ein in der Union höchst umstrittener Move. Zumal noch gar nicht seriös berechnet wurde, wie viele Kilometer Terror-Tunnel mit 18 Millionen Euro überhaupt wiederaufgebaut werden können.
Um weitere Zufriedenheits-Fiaskos im Umfragesektor zu vermeiden, benötigt die Koalition dringend Kurskorrekturen. Davon ist allerdings wenig zu spüren. Ob es Kanzler-Co-Pilot Lars Klingbeil mit seiner neuen Weichei-Offensive gelingen wird, zu verhindern, dass der Regierung im Tauchgang nach öffentlichkeitswirksamen Lösungsperlen nicht der politische Sauerstoff ausgeht, muss abgewartet werden. Klingbeil hatte dieser Tage wehmütig zu Protokoll gegeben, er wünsche sich "mehr sensible Männer in der Politik". Am besten solche, die "mitfühlen und verstehen" denn "breitbeinig und bollerig", das sei "von gestern." Naja.
Ob es für diesen polit-charakteristischen Weihnachtswunschzettel auch deutschlandweit Mehrheiten gäbe? Wenn das Kabinett Merz personalübergreifend etwas feinfühliger handeln würde als bisher, dürfte das der Gesamtperformance jedenfalls nicht schaden. Wie viele hochsensible Anti-Patriarchen Klingbeil bis kommende Woche in seiner Fraktion identifizieren kann, das verrate ich dann kommenden Donnerstag. Vielleicht.