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"Ich bin so" Altkanzler Schröder verteidigt Freundschaft zu Putin

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Der ehemalige Bundeskanzler Schröder und Russlands Präsident Putin (r.) bei einer Ausstellungseröffnung 2018 im Kunsthistorischen Museum Wien.

Der ehemalige Bundeskanzler Schröder und Russlands Präsident Putin (r.) bei einer Ausstellungseröffnung 2018 im Kunsthistorischen Museum Wien.

(Foto: picture alliance / Mikhail Klimentyev/TASS/dpa)

Kann man mit einem Kriegsverbrecher befreundet sein? Für Altkanzler Schröder ist das offenbar kein Problem, in einem Interview beteuert er seine Freundschaft zu Kremlchef Putin. Sein Tenor: Man muss Privates und Berufliches trennen. Und: "Ich werde jetzt 80, da muss man sich auch nicht mehr ändern."

In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) beteuert Altkanzler Gerhard Schröder seine ungebrochene Nähe zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin - trotz dessen seit anderthalb Jahren andauernden Angriffskriegs gegen die Ukraine. So sagte Schröder, dass er Putin als seinen Freund betrachte. Es sei eine Männerfreundschaft, die ganz unabhängig von der Politik gewachsen sei.

"Ich habe zum Beispiel deutlich gemacht, dass ich das für einen Fehler halte, dass die Russen diesen Krieg begonnen haben. Aber das bringt mich doch nicht dazu, so zu tun, als wenn ich mit dem russischen Präsidenten nie befreundet gewesen wäre", sagte er weiter. Demnach könne er das Persönliche vom Politischen sauber trennen: "Menschliche Beziehungen machen es einfacher, die eigenen Interessen verständlich zu machen", erklärte der SPD-Politiker. "Aber sie dürfen nie an die Stelle der Interessenvertretung des jeweiligen Landes treten."

Zu dem nicht erfolgten Bruch mit Putin äußerte sich Schröder gegenüber der SZ: "Ich bin so und ich will mich auch nicht mehr ändern. Ich werde jetzt 80, da muss man sich auch nicht mehr ändern. Das ist mein Leben." Der Internationale Strafgerichtshof hatte im März Haftbefehl gegen Putin erlassen. Er wirft ihm vor, verantwortlich für Kriegsverbrechen in der Ukraine zu sein.

Der Altkanzler ist seit Langem ein enger Freund des russischen Präsidenten, er war über Jahre für russische Energiekonzerne aktiv. Kurz nach seiner Abwahl 2005 wurde Schröder Vorsitzender des acht Mitglieder umfassenden Aktionärsausschuss der Schweizer Nord Stream AG.

Seine enge Verbindung zum russischen Präsidenten und zur russischen Gaswirtschaft hält Schröder auch rückblickend für förderlich für Deutschland. "Dieses Land hat von der ganzen Gas-Geschichte wirtschaftlich erheblich profitiert. Wenn es diesen Krieg nicht gegeben hätte, für den ich wirklich nicht verantwortlich bin, würden wir nach wie vor russisches Gas beziehen zum Nutzen der deutschen Wirtschaft", erklärte er.

Kritik an der SPD und der Ampel

Der Altkanzler äußerte sich auch zur SPD, die Ende des Monats Schröders 60-jährige Parteimitgliedschaft feiert. Diese sieht er auf einem falschen Kurs und hält mit Blick auf die Wahlniederlagen in Bayern und Hessen eine andere Politik für nötig. "Nur alles zusammenzuhalten ist etwas wenig", sagte Schröder und forderte in der SZ von seiner Partei mehr "eigenes Profil".

Schröder kritisierte vor allem einen zu einseitigen Fokus auf Rüstungsausgaben. "Glauben Sie ernsthaft, dass russische Mittelstreckenraketen auf Deutschland abgefeuert würden?", fragte der 79-Jährige. "Scholz hat gesagt: 100 Milliarden für die Bundeswehr - und keiner weiß wofür." SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz hatte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 unter anderem ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro in die Wege geleitet, das die desolate Bundeswehr wieder auf Vordermann bringen soll.

Statt vor allem in die Aufrüstung zu investieren, seien dringend mehr Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Wohnungsbau nötig. Hier sei die Unzufriedenheit im Volk besonders groß, sagte Schröder weiter. Die deutschen Schulen seien miserabel. Das wirtschaftliche Wohlergehen hänge davon ab, was an den Universitäten und in der Forschung gemacht werde. "Im Grunde bräuchten wir mindestens einen Dreifach-Wumms. Und der größte Wumms muss im Bildungssystem landen", sagte Schröder. Außerdem sei auch ein "Wumms für den Wohnungsbau" nötig.

Zu viel Klimapolitik

Die SPD preise Geschlossenheit und Harmonie als das neue Erfolgsrezept, aber ihr eigenes Profil sei in der Ampel-Koalition kaum sichtbar, kritisierte Schröder. "Was heißt denn das neue Erfolgsrezept, wenn man bei 15 Prozent ist? Ich habe aufgehört mit 34 Prozent", sagte Schröder der Zeitung.

Zudem warf Schröder der SPD vor, dass sie sich bei der Klimapolitik zu sehr von den Grünen treiben lasse. Allerdings räumte der Altkanzler auch ein, dass es in einer Konstellation mit Grünen und FDP ungleich schwerer sei, als seinerzeit nur mit Rot-Grün. Die Agenda werde zu viel von "Klima, Klima, Klima" bestimmt und zu wenig von den Belangen der Wirtschaft. "Das Heizungsgesetz hätte Scholz natürlich sofort kassieren müssen", sagte Schröder über den Bundeskanzler und das vom Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck entworfene Gesetz.

Beim Thema Asylpolitik sprach sich Schröder gegenüber der SZ für eine strikte Begrenzung der Zuwanderung aus. "Migration steuern heißt, Migration zu begrenzen. Die SPD muss da Vorreiter sein", forderte er.

Enttäuschung über Steinmeier

Enttäuscht äußerte sich Schröder über seinen langjährigen Weggefährten in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident und später im Kanzleramt, den heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. "Was mich am meisten getroffen hat, und das finde ich wirklich bedauerlich, das war Steinmeier", sagte er. Der habe erklärt, er würde Schröder nicht mehr zum Geburtstag gratulieren. "Das macht man nicht", sagte er.

Er frage sich dann, warum man das Politische und das Private nicht trennen könne. Jene, die es nicht könnten, seien doch "eher arme Menschen". Generell beschäftige ihn die Abneigung und Kritik an seiner Person zwar. Diese sei aber "nicht so überwältigend schmerzhaft, dass ich deswegen meine Meinung ändere. Oder dass es mein Wohlbefinden stört."

Quelle: ntv.de, mli/rwe/AFP/dpa

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