Der Fall Kurnaz Anwalt verklagt Pentagon
06.02.2007, 17:19 UhrEin Anwalt des früheren Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz verklagt das US-Verteidigungsministerium auf die Herausgabe geheimer Akten. Wie der Berliner "Tagesspiegel" berichtet, hofft US-Anwalt Baher Azmy auf Dokumente, die Kurnaz entlasteten. "Davon gibt es eine Menge", sagte er der Zeitung. "Das einzige Problem, dass die Regierung mit ihrer Freigabe haben könnte, ist, dass es für sie peinlich werden könnte." So habe ein Militärtribunal gegen seine Freilassung auf Basis eines Dokuments entschieden, in dem ohne Quelle behauptet werde, Kurnaz habe Kontakt zu Personen mit terroristischen Verbindungen gehabt. Er erwarte eine Entscheidung ab Sommer, so der Anwalt.
Der Fall des in Bremen geborenen Deutsch-Türken hatte in den vergangenen Wochen vor allem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier politisch unter Druck gebracht. Die Opposition wirft ihm vor, er habe als Kanzleramtschef der früheren rot-grünen Regierung eine frühere Freilassung von Kurnaz aus dem US-Lager auf Kuba verhindert, obwohl dessen Unschuld klar gewesen sei. Steinmeier bestreitet dagegen, dass es im Jahr 2002 ein offizielles Angebot der USA zur Freilassung gegeben habe. Er argumentiert, die frühere Regierung habe sich angesichts der damaligen Sicherheitslage ein Jahr nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA für Kurnaz' Ausreise in die Türkei eingesetzt.
Strittig ist in dem Fall, der zwei Untersuchungsausschüsse des Bundestags beschäftigt, ob die USA von Kurnaz' Harmlosigkeit überzeugt waren. Offenbar gab es beim Umgang mit ihm innerhalb der US-Sicherheitsbehörden und der Regierung unterschiedliche Auffassungen. Kurnaz war Ende 2001 in Pakistan festgenommen worden, wo er nach eigenen Angaben den Koran studieren wollte. Er wurde über Afghanistan nach Guantanamo gebracht und nach eigenen Angaben in der Gefangenschaft gefoltert. Erst 2006 kam er frei, nachdem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeschaltet hatte. Steinmeier soll am 8. März als Zeuge im Untersuchungsausschuss zu dem Fall aussagen.
SPD hinter Steinmeier
Inzwischen stellen sich immer mehr SPD-Politiker hinter Steinmeier. Der stellvertretende Vorsitzende im BND-Untersuchungsausschuss, Michael Hartmann (SPD), sagte der "Mainzer Allgemeinen Zeitung": "Es gab nach allem, was ich weiß, 2002 kein belastbares Angebot der Amerikaner, Kurnaz freizulassen." Allein zuständig sei das Pentagon gewesen, "und von dort kam kein Freilassungsangebot, sondern vor allem eines: Hinweise auf eine Gefährlichkeit von Kurnaz". Es habe lediglich "vage Äußerungen" von nicht zuständigen US-Geheimdienstkreisen gegeben, Kurnaz könne eventuell freikommen. "Steinmeier handelte damals völlig korrekt." Kurnaz sei in Guantnamo Schlimmes widerfahren, "aber das lag nicht in der Verantwortung Deutschlands".
Zudem habe Kurnaz bei seiner Befragung durch deutsche Sicherheitsbeamte 2002 auf Guantnamo erklärt, er sei nicht gefoltert worden, sagte Hartmann. Hätte die deutsche Seite Hinweise auf Quälereien gehabt, wäre seine Freilassung intensiver betrieben worden. "Niemandem war damals klar, was Guantnamo wirklich bedeutet."
SPD-Außenexperte Hans-Ulrich Klose sagte der Zeitung "Die Welt": "Herr Kurnaz ist kein deutscher Staatsbürger, sondern ein Türke. Wir waren da ja nur in zweiter Linie, nur moralisch in der Pflicht." Außerdem habe die damalige Regierung Versuche unternommen, die Türkei "zu veranlassen, sich um ihn zu kümmern". "Ich vermute, die türkische Regierung hat keinen Finger gerührt, weil sie ähnliche Bedenken gegenüber Herrn Kurnaz hatte wie wir damals."
Klose betonte, der damalige Kanzleramtschef und heutige Außenminister Steinmeier habe 2002 berechtigte Zweifel an der Unschuld von Kurnaz gehabt und sich daher gegen eine frühzeitige Rückkehr ausgesprochen. "Man muss die Dinge immer aus der damaligen Zeitsituation heraus interpretieren. Insofern kann ich Herrn Steinmeier auch verstehen, wenn er sagt, er würde unter den damaligen Umständen wieder so handeln und entscheiden."
Quelle: ntv.de