196 Fallbeispiele Arbeit lohnender als Hartz IV
01.03.2010, 15:07 Uhr
5,90 die Stunde sind letztlich mehr als Hartz IV.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Vize-Kanzler Westerwelles These, Hartz IV sei finanziell reizvoller als eine Arbeit, wird durch eine Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes widerlegt. Fast 200 exemplarische Fälle zeigen: selbst bei extrem niedrigen Löhnen kommt am Ende deutlich mehr raus.
Vollzeit-Beschäftigte haben nach einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes selbst bei geringem Verdienst mehr Geld zur Verfügung als Hartz-IV-Empfänger. Dies gelte auch bei einem Stundenlohn knapp unter sechs Euro, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider bei der Präsentation der Expertise mit 196 Beispielrechnungen.

Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Wer behaupte, Arbeit lohne sich in Deutschland nicht mehr, täuscht nach Schneiders Worten die Öffentlichkeit. Der Lohnabstand zwischen Erwerbstätigen und Nicht-Erwerbstätigen sei in jedem Fall durch ergänzende Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag gewahrt. Dies sei zuletzt in "äußerst dubiosen Rechenbeispielen" unterschlagen worden. Auf diese hatte sich der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle in der Sozialstaats-Diskussion unter anderem berufen.
Die von Schneider kritisierten Berechnungen stammen unter anderem vom Bund der Steuerzahler. Nach Einschätzung Schneiders sollen sie den falschen Eindruck vermitteln, der sogenannte Lohnabstand - die Differenz zwischen Sozialleistungen und Erwerbseinkommen - sei bei zahlreichen Anlerntätigkeiten zu gering oder fehle ganz, so dass es für manche Hartz-IV-Empfänger keinerlei Anreiz zur Annahme einer Arbeit gebe. Dies sei aber nicht der Fall, widersprach Schneider.
Plädoyer für Mindestlohn
In insgesamt 196 Fallbeispielen rechnet der Verband vor, dass für Hartz-IV-Bezieher selbst bei niedrigen Löhnen von etwa 5,90 Euro in der Stunde noch ein Anreiz zur Arbeitsaufnahme besteht. Je nach Haushaltstyp beträgt der Abstand zwischen Nichtarbeit und Beschäftigung zwischen 260 und 900 Euro. Eine besondere Rolle spielen dabei das Wohngeld und der Kinderzuschlag, die häufig ein Aufstocken durch Hartz IV überflüssig machen. Anders kann es in einem Paarhaushalt mit nur einem Verdiener im Niedriglohnbereich aussehen: Dann könnte ein zusätzlicher Hartz-IV-Bezug nötig sein.
Die Berechnungen zeigen laut Paritätischem Wohlfahrtsverband aber auch, dass eine Senkung der Einkommensteuer, wie sie die FDP propagiert, die Situation von Geringverdienern in keiner Weise verbessern würde. Stattdessen seien gezielte Verbesserungen beim Kinderzuschlag sowie eine offensive Auseinandersetzung mit dem wachsenden Niedriglohnsektor erforderlich. Schneider plädierte für Mindestlöhne oberhalb von sechs Euro, "damit das System Hartz IV nicht ausgebeutet wird".
Quelle: ntv.de, dpa