Kassenpatienten in Not Ärzte erpressen Bares
24.02.2009, 17:14 UhrIm Streit um die Reform der Ärztehonorare sind in diesem Jahr bereits hunderte Kassenpatienten von ihren Praxisärzten abgewiesen worden. Allein die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) berichtet von bundesweit knapp 1500 Fällen, in denen Ärzte die gesetzlich Versicherten gar nicht oder nur gegen Vorkasse behandeln wollten. Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) meldete rund 200 betroffene Patienten in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. AOK, Techniker Krankenkasse und Betriebskrankenkassen sprachen allein für Baden- Württemberg von insgesamt mehr als 300 Fällen.
Das Honorar für die 140.000 niedergelassenen Ärzte und Therapeuten war für 2009 um etwa 1,2 Milliarden Euro auf rund 30 Milliarden Euro hoch gesetzt worden. Es wird seit Jahresbeginn allerdings anders verteilt als bislang. Dies löste in einigen Bundesländern massive Proteste der Fachärzte aus, die einen Rückgang ihrer Einnahmen befürchten. Viele kürzten ihre Leistungen oder traten in den Streik. Seit Jahren gibt es in der Ärzteschaft erbitterte Verteilungskämpfe.
Wie im Wilden Westen
Ein DAK-Sprecher rief die Mediziner auf, "den innerärztlichen Verteilungskonflikt nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen". Susanne Uhrig von der Barmer Ersatzkasse bezeichnete es als "nicht tragbar", dass eine Anhebung der Honorare in einer Minderung der Versorgung endet. KKH-Vorstandschef Ingo Kailuweit warnte die Versicherten ausdrücklich davor, den Forderungen nach Vorkasse nachzugeben. "Wer dennoch bar zahlt, muss damit rechnen, dass die Kosten nicht erstattet werden."
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung forderte ein hartes Durchgreifen gegen die Ärzte. "Wir sind doch nicht im Wilden Westen", sagte GKV-Sprecher Florian Lanz der "Südwest Presse". Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg wurde bereits für drei Ärzte der Entzug der Kassenzulassung beantragt. In anderen Bundesländern soll es ähnliche Fälle geben.
CSU sieht Schuld bei Schmidt
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) unterstützte die Kritik der Kassen. Den Patienten müssten die vereinbarten Leistungen natürlich zur Verfügung gestellt, betonte KBV-Sprecher Roland Stahl. "Das Vertrauen der Patienten dürfen wir nicht verspielen." Die Präsidentin der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Ulrike Wahl, nahm ihre Kollegen hingegen in Schutz: "Die Ärzte sehen sich durch die Anfang des Jahres in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen nie gekannten Einschnitten in der Berufsausübung ausgesetzt."
CSU-Chef Horst Seehofer kritisierte, es könne nicht sein, dass den Medizinern drei Milliarden Euro aus Beitragsgeldern mehr zur Verfügung gestellt würden, die Situation für sie aber schlechter sei als zuvor. Er sei in Gesprächen zu der Überzeugung gelangt, "dass das gefundene System nicht mehr kosmetisch korrigiert werden kann, sondern dass ein Befreiungsschlag notwendig ist", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Passauer Neuen Presse". Die Honorarreform müsse aufgehoben werden. Bayern will die Neuregelung mit einer Bundesratsinitiative stoppen. Der Landesgesundheitsminister Markus Söder hat dafür um Unterstützung der FDP geworben.
Das Bundesgesundheitsministerium gab den Ball an Bayern zurück. Die Kassenärztlichen Vereinigungen vor Ort stünden in der Pflicht, die bundesweit vereinbarte Honorarreform korrekt umzusetzen. Wenn die Vereinigung in Bayern dazu nicht in der Lage oder willens sei, seien die dortige Landesregierung und namentlich Söder als Rechtsaufsicht gefordert. Am Vortag hatte ein Sprecher deutlich gemacht, Schmidt wolle vorerst nicht in den Honorarstreit eingreifen.
Quelle: ntv.de