Benes-Dekrete Auch Slowakei bleibt dabei
06.06.2002, 15:44 UhrEbenso wie Tschechien lehnt auch die Slowakei die Aufhebung der so genannten Benes-Dekrete ab. Die Verordnungen seien ein "gültiger, wenn auch nicht mehr wirksamer Bestandteil der Rechtsordnung", heißt es in einer am Donnerstag in Bratislava veröffentlichten Erklärung des slowakischen Justizministeriums. Die Regierung habe diese Erklärung bereits am Vortag ohne Debatte "zur Kenntnis genommen".
Mit der Stellungnahme solle Spekulationen entgegengetreten werden, es gebe zwischen Prag und Bratislava in dieser Frage unterschiedliche Rechtsauffassungen, hatte Justizminister Jan Carnogursky schon vor Tagen erklärt. In der Erklärung wird darauf hingewiesen, dass die Vertreibung von Sudeten- und Karpatendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei entgegen weit verbreiteter Meinung nicht in den Benes-Dekreten enthalten sei. Die "Aussiedlung" der Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn sei vielmehr durch internationale Vereinbarungen auf der Potsdamer Konferenz der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges legitimiert worden.
Die mehr als 140 Dekrete, die der damalige tschechoslowakische Präsident Edvard Benes in den Jahren 1940 bis 1945 zum Teil im Exil erlassen hatte, sollten dazu dienen, den Wiederaufbau und das öffentliche Leben in der Tschechoslowakei zu regeln. Zu ihnen gehören aber auch Anordnungen, die nicht mit heutigem Rechtsverständnis vereinbar sind. So wurden allen Deutschen und Ungarn, die nicht nachweislich Antifaschisten waren, ihr Grundbesitz enteignet und die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entzogen.
Rau in Prag
Am Mittwoch hatten Bundespräsident Johannes Rau und sein tschechischer Kollege Vaclav Havel im Streit um die Vertreibung der Sudetendeutschen vor "Denkgewohnheiten" und "Schlussstrichen" gewarnt.
Die Staatsoberhäupter appellierten während eines Arbeitsbesuches von Rau in Prag, der Diskussion über dunkle gemeinsame Kapitel "eine menschliche, moralische und politische Dimension" zu verleihen. Die bilateralen Beziehungen seien trotz zuletzt "starker Worte von beiden Seiten" gut, unterstrichen die Präsidenten.
Rau warnte, bislang sei ihm "zu viel über Rechtsfragen und zu wenig über das Leid" gesprochen worden. Zugleich verwies er darauf, das Deutsche und Tschechen auch in der jüngeren Geschichte vieles verbinde. Er verwies dabei auf die Unterstützung vieler Tschechen für DDR-Bürger, die 1989 in die Bonner Botschaft in Prag flüchteten.
Quelle: ntv.de