"Brandgefährliche Eskalation" Barleys Vorstoß zu EU-Atomwaffen löst Kontroverse aus
13.02.2024, 17:58 Uhr Artikel anhören
Im Fall einer Wiederwahl kündigt Ex-US-Präsident Trump an, Europäern beim Krieg gegen Putin nicht zwingend zu helfen. Kurz darauf bringt Barley, SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl, eine Idee ins Spiel: Die EU könnte über ein eigenes Atomarsenal nachdenken. Das löst Diskussionen aus.
Die SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl, Katarina Barley, hat mit einer Äußerung zu EU-eigenen Atomwaffen eine kontroverse Debatte ausgelöst. Auf dem Weg zu einer europäischen Armee könne "auch das ein Thema werden", sagte sie dem "Tagesspiegel". Denn "angesichts der jüngsten Äußerungen von Donald Trump" zur NATO sei auf den atomaren Schutz durch die USA "kein Verlass mehr".
Derzeit liege die nukleare Abschreckung für Europa bei der NATO, sagte Barley. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg habe richtig bemerkt, dass es weiter im Interesse der USA liege, "diese maßgeblich bereitzustellen". Trump, der im November erneut US-Präsident werden will, hatte am Samstag bei einer Kundgebung gesagt, er würde NATO-Ländern bei einem Angriff nicht zu Hilfe kommen, die nicht genug für Verteidigung ausgäben. Er würde dann Russland sogar ermutigen, mit ihnen zu tun, "was immer sie wollen".
Bundesfinanzminister Christian Lindner zeigte sich offen für eine Debatte über eine gemeinsame nukleare Bewaffnung in Europa. Lindner verweist in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" darauf, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Kooperationsangebote gemacht habe. "Die jüngsten Äußerungen von Donald Trump sollten wir als Aufforderung verstehen, dieses Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der NATO weiterzudenken", schreibt der FDP-Chef.

Der Tornado ist der einzige deutsche Kampfjet, der US-amerikanische Atombomben ins Ziel tragen kann.
(Foto: picture alliance / SULUPRESS.DE)
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hatte am Montag nach einem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz gesagt, dass man das Angebot des französischen Präsidenten zu einer möglichen Europäisierung der Atomwaffen "wirklich ernst" nehmen solle. Deutschland verfügt nicht über eigene Atomwaffen, eine atomare Bewaffnung wurde auch bisher nie angestrebt. Die Bundesrepublik hat aber mit den USA eine sogenannte "nukleare Teilhabe" vereinbart. Im Kriegsfall fliegen deutsche Kampfjets US-Atomwaffen zu ihren Zielen.
"Mehr Atombomben machen Welt nicht sicherer"
Linken-Chef Marin Schirdewan kritisierte die Äußerungen Barleys scharf; der SPD warf er "Säbelrasseln" vor. "Die richtige Antwort auf Trumps Unsinn ist nicht atomare Aufrüstung, sondern eine Politik der Deeskalation und zivilen Konfliktlösung", sagte Schirdewan, der Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahl ist, der Nachrichtenagentur AFP.
"Mehr Atombomben machen die Welt nicht sicherer", betonte er. "Im Gegenteil, mit allen Atombomben, die es derzeit gibt, kann man die Welt mehr als 150-mal auslöschen." Statt über mehr Atombomben nachzudenken, forderte er die SPD-geführte Bundesregierung auf, endlich den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul forderte derweil Bundeskanzler Olaf Scholz auf, sich zu den Äußerungen von Barley zu positionieren. Der Kanzler müsse für Klarheit sorgen, sagte er dem "Tagesspiegel": "Ist das die Position der Bundesregierung und seiner Partei?" Der CDU-Politiker wollte weiter wissen, wie das angesichts der völkerrechtlichen Bindung Deutschlands überhaupt realisiert werden solle und ob das mit Frankreich, das schon Atomwaffen besitzt, abgesprochen sei.
"Zur Abschreckung gehören Nuklearwaffen"
Auch parteiintern stießen die Äußerungen von Barley auf Kritik. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner bezeichnete den Vorstoß für gemeinsame europäische Atomwaffen als "brandgefährliche Eskalation". Gegenüber dem "Tagesspiegel" betonte er: "Eine europäische Atommacht braucht es nicht - sie wäre das Gegenteil von europäischer Sicherheit."
Offen für einen europäischen Nuklearschirm zeigte sich hingegen der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber. "Europa muss militärisch so stark werden, dass sich keiner mit uns messen will", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Dies bedeutet, wir brauchen Abschreckung. Zur Abschreckung gehören Nuklearwaffen."
Die bisherige Struktur mit den beiden Atommächten Frankreich und Großbritannien reicht dem CSU-Politiker dabei nicht aus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe bereits ein vages Angebot gemacht, über die Bedeutung der französischen Nuklearstreitkräfte für Europa zu sprechen. "Jetzt, da Donald Trump die Rolle der USA als Schutzmacht offen infrage stellt, wäre der richtige Moment dafür", betonte Weber. Mit Großbritannien forderte er ebenfalls "ein neues Kapitel der Zusammenarbeit".
Quelle: ntv.de, lve/AFP