Berlin lehnt Begriff Mission ab Deutschlands Rücksicht auf Moskau nervt NATO-Partner
07.06.2024, 09:36 Uhr Artikel anhören
Generalsekretär Stoltenberg und die anderen NATO-Staaten haben wenig Verständnis für die deutsche Wortklauberei.
(Foto: picture alliance/dpa)
Wortklauberei oder substanzieller Einwand? Die NATO will ein Unterstützungsprojekt für die Ukraine auflegen, Deutschland pocht darauf, dieses aber nicht "Mission" zu nennen. Damit wecke man in Russland Befürchtungen, das Bündnis wolle eigene Soldaten einsetzen. Das sieht aber nur Berlin so.
Die Bundesregierung sorgt innerhalb der NATO für Unmut, weil sie ein neues Unterstützungsprojekt für die Ukraine nicht als Mission bezeichnet sehen will. Wie die Deutsche Presse-Agentur von Diplomaten erfuhr, werden Berliner Argumente gegen die Verwendung des Wortes von fast allen anderen Alliierten als unnötige Rücksichtnahme auf Russland und als nicht nachvollziehbar angesehen. Der englische Begriff "mission" heißt im Deutschen so viel wie Kampfeinsatz. Auf seiner Übersichtsseite erklärt die Bundeswehr den Unterschied zwischen Auslandseinsätzen und Missionen wie folgt:
Auslandseinsätze wie der in Mali dienen beispielsweise der Stabilisierung von fragilen Staaten und werden meist von den UN oder der EU geleitet. Der Bundestag muss einer Beteiligung der Bundeswehr an solchen bewaffneten Einsätzen im Ausland vorher zustimmen. Für anerkannte Missionen gilt das nicht: Mit ihnen demonstriert die Bundeswehr ihre Verteidigungsbereitschaft im gesamten NATO-Bündnis.
Die Bundesregierung vertritt demnach den Standpunkt, dass der Name "NATO Mission Ukraine" (NMU) irrtümlich so verstanden werden könne, als wenn das Bündnis Soldatinnen und Soldaten in die Ukraine schicken wolle. Sie befürchte deswegen, dass er von Russland für Propaganda gegen die Allianz genutzt werden könnte, heißt es.
Allein auf den Barrikaden
Befürworter der Verwendung des Begriffes Mission argumentieren hingegen, dass der Kreml das NATO-Projekt so oder so als Aggression verurteilen und für Desinformationskampagnen nutzen werde. Es sei unverständlich, dass Deutschland als einziges Land deswegen auf die Barrikaden gehe - zumal es inhaltlich nach eigenen Angaben voll hinter dem Projekt stehe.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat Berlin zuletzt vorgeschlagen, das neue Projekt für die Ukraine "PACT" zu nennen. Die Buchstaben würden dann für "Pledge Assistance Coordination and Training" stehen und damit zum Ausdruck bringen, dass die NATO künftig die militärische Hilfe und die Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte koordinieren will. Dass es eine Einigung auf diesen Namen gibt, wird allerdings wegen der harten Position anderer Staaten als eher unwahrscheinlich angesehen. Eine Entscheidung kann nur einvernehmlich getroffen werden.
Das Auswärtige Amt wollte sich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nicht zu dem Streit äußern. Über Inhalte vertraulicher Verhandlungen könne keine Auskunft gegeben werden, sagte ein Sprecher.
NATO soll künftig Waffenhilfen koordinieren
Der Start des neuen Projekts zur Unterstützung der Ukraine soll im Idealfall beim nächsten Bündnisgipfel von Bundeskanzler Olaf Scholz und den anderen Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten in Washington beschlossen werden. Zentral geht es bei ihm darum, Aufgaben zur Unterstützung der Ukraine, die bislang von den USA übernommen wurden, auf das Bündnis zu übertragen. Hintergrund dabei ist das Szenario einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins US-Präsidentenamt ab Januar 2025. Äußerungen des Republikaners hatten in der Vergangenheit Zweifel daran geweckt, ob die USA die Ukraine unter seiner Führung weiter so wie bisher im Abwehrkrieg gegen Russland unterstützen würden.
Zudem will NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Alliierten dazu bringen, der Ukraine Militärhilfen im Wert von jährlich mindestens 40 Milliarden Euro zu garantieren. Es gehe dabei auch darum, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu zeigen, dass er seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht gewinnen werde, hatte Stoltenberg in der vergangenen Woche bei einem Treffen mit den Außenministern der 32 NATO-Staaten in Prag erklärt. Der Betrag von 40 Milliarden Euro würde in etwa der bisherigen jährlichen Unterstützung der Alliierten seit dem Beginn der russischen Invasion entsprechen.
Quelle: ntv.de, als/dpa