Politik

Verneigung vor dem Höcke-Flügel?Ramelow befürchtet "Reverenz"-Parteitag der AfD in Erfurt

29.12.2025, 08:37 Uhr
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Bodo Ramelow war von 2014 bis 2024 Ministerpräsident von Thüringen. Björn Höcke ist seit 2014 Fraktionschef der AfD im Thüringer Landtag. (Foto: picture alliance / Chris Emil Janßen)

1924 feiern die Kräfte von Adolf Hitler in Thüringen ihren ersten großen politischen Erfolg. Zwei Jahre später zementiert dieser bei einem NSDAP-Parteitag in Weimar seinen Führungsanspruch. Der frühere thüringische Ministerpräsident Ramelow sieht 100 Jahre später Parallelen in aktuellen Plänen der AfD.

Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow hat mit einer Parallele zu den 1930er-Jahren vor dem AfD-Bundesparteitag Anfang Juli in Erfurt gewarnt. "Ganz Deutschland muss sich auf den Bundesparteitag in Thüringen vorbereiten", sagte der Politiker der Linken dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Denn normalerweise veranstaltet eine Partei ihren Bundesparteitag dort, wo die nächste Landtagswahl stattfindet. Nicht so die AfD. Der AfD-Bundesparteitag wird am 4. und 5. Juli in Erfurt stattfinden. Damit erweist die Partei Herrn Höcke ihre Reverenz und verneigt sich vor dem Flügel." Der letzte Rest an bürgerlicher Fassade solle entsorgt werden, erklärte Ramelow. "Man begibt sich an den Ort, wo die Partei schon als gesichert rechtsextrem eingestuft ist."

Der offiziell aufgelöste "Flügel" der AfD wurde von Björn Höcke geführt. Der 53-Jährige ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Vorsitzender des thüringischen Landesverbands und Vordenker des völkisch-nationalistischen Flügels der AfD. In der Vergangenheit bediente er sich auch öffentlich verbotener Losungen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Der Verfassungsschutz stuft den Thüringer Landesverband als gesichert rechtsextrem ein.

"Wenn man verstehen will, was 1933 in Berlin passiert ist, dann muss man sich die Landtagswahlen von 1924 in Thüringen anschauen", sagt Ramelow mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Umfeld der AfD. "Da wurde die Tür aufgemacht. Und schon lange vor '33 war Thüringen der Ausgangspunkt der formalen Macht-Übertragung. Höcke als Geschichtslehrer weiß das ganz genau."

Die "Schicksalswahl" von Thüringen

1933 markierte in Deutschland den Übergang von der Weimarer Republik zur nationalsozialistischen Diktatur. Unter anderem wurde Adolf Hitler in dem Jahr zum Reichskanzler ernannt, seine NSDAP wurde Teil der Regierungskoalition.

Ihren ersten großen politischen Erfolg verbuchten die völkisch-nationalen Kräfte jedoch bereits neun Jahre früher: Nach der Thüringer Landtagswahl im Februar 1924 regierte eine Minderheitsregierung, die von sieben rechtsextremen Abgeordneten abhängig war, darunter drei Mitglieder der NSDAP. Diese erwirkten im Nachgang unter anderem, dass das Verbot der NSDAP aufgehoben wurde. Die Partei war 1923 nach dem Hitler-Putsch verboten worden.

1925 gründete sich die NSDAP neu und hielt nur ein Jahr später in der damaligen thüringischen Landeshauptstadt Weimar ihren ersten reichsweiten Parteitag ab - im Beisein von Hitler. Dieser setzte nach seiner Haftentlassung bei dem Parteitag seinen unangefochtenen Machtanspruch durch, formte die NSDAP zur Führerpartei und legte den Grundstein für die spätere Machtergreifung in Berlin.

Auch heute regiert mit der sogenannten Brombeerkoalition aus CDU, SPD und BSW in Thüringen eine Regierung ohne Mehrheit. Bei wichtigen Entscheidungen wie der über den Haushalt wird sie von der Linken gestützt. Die stärkste Macht im Thüringer Landtag ist die AfD.

"In Thüringen wie in Sachsen ist die AfD eine relevante und gefährliche Größe", sagt Ramelow. In Thüringen verhindere sie mit ihrer Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Mandate zum Beispiel die Wahl neuer Richter und Staatsanwälte. "Irgendwann kommt dann der Rechtsstaat zum Erliegen."

Quelle: ntv.de, chr

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