Haushaltstalk in der ARD Brinkhaus: "Panik ein bisschen rausnehmen"
28.11.2023, 02:49 Uhr Artikel anhören
Wo könnte man sparen? Die Runde bei "Hart aber fair" streitet auch über die vorzeitig beendeten Strom- und Gaspreisbremsen.
(Foto: WDR/Oliver Ziebe)
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klafft im Haushalt der Bundesregierung eine riesengroße Lücke. In der ARD-Talkshow "Hart aber fair" diskutieren die Gäste darüber, wie das Haushaltsloch gestopft werden könnte.
Lange haben Bürger, Politiker und Wirtschaft darauf gewartet. Wenn am heutigen Dienstag der Bundestag zusammenkommt, gibt es nur einen Tagesordnungspunkt: Das Haushaltsloch, das durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts entstanden ist. Bundeskanzler Olaf Scholz wird erst eine Regierungserklärung abgeben, dann wird gestritten. In der ARD-Talkshow "Hart aber fair" haben die Gäste die Diskussion ein wenig vorweggenommen. Etwa zur Schuldenbremse, die dieses Jahr nachträglich ausgesetzt werden soll.
"Ich habe Verständnis dafür, dass das Fragen auslöst", sagt der stellvertretende FDP-Fraktionschef Konstantin Kuhle, "denn die Schuldenbremse ist ein wichtiger Bestandteil unserer Finanzverfassung." Die Politik müsse sich jedes Jahr daran messen lassen. Nun solle die Schuldenbremse für das gesamte aktuelle Haushaltsjahr, das in wenigen Wochen zu Ende ist, ausgesetzt werden. "Wer nicht glaubt, dass wir im Jahr 2023 eine Notsituation hatten, der soll einmal zurückgehen an den Anfang dieses Jahres und in den Krankenhäusern fragen oder bei den vielen Bürgerinnen und Bürgern, die sich große Sorgen gemacht haben, ob sie gut über den Winter kommen", sagt Kuhle. Auch SPD-Politiker Ralf Stegner spricht sich für die Aussetzung der Schuldenbremse aus, die für "normale Zeiten" gedacht sei. Doch Deutschland habe diverse Krisen zu bewältigen gehabt. Niemand würde behaupten, dass dies normale Zeiten seien, betont Stegner.
Fraglich ist allerdings, ob der Nachtragshaushalt wirklich vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben würde. Journalistin Henrike Rossbach von der "Süddeutschen Zeitung" ist sich dessen nicht so sicher. Allerdings stellt sie auch fest, dass sich die Karlsruher Richter nur dann damit befassen würden, falls dagegen geklagt würde. Und hier hat der ehemalige Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus eine gute Nachricht: "Wir werden nicht klagen." Allerdings sprechen sich Brinkhaus und Kuhle dafür aus, dass im kommenden Jahr die Schuldenbremse wieder greifen müsse.
Schluss mit Strom- und Gaspreisbremse
Finanzminister Lindner hatte vor wenigen Tagen das Auslaufen der Strom- und Gaspreisbremse zum 1. Januar angekündigt, also mitten im Winter, wo viel geheizt wird. Ursprünglich sollte erst Anfang März damit Schluss sein, also dann, wenn die kalten Tage so gut wie vorbei sind. Doch Konstantin Kuhle begründet das Aussetzen der Maßnahme, die aus dem vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Klima- und Transformationsfond (KTF) gezahlt werden sollte, auf seine Weise: "Weil sich die Preise stabilisiert haben auf den Energiemärkten." Das kann sich aber auch wieder ändern. Darum verspricht Kuhle: "Wenn sich da eine andere Situation einstellt im kommenden Jahr, dann muss man natürlich wieder erneut tätig werden." Schon jetzt ist für den FDP-Politiker wichtig: Man könne sich nicht mehr alles leisten und müsse Prioritäten setzen.
Die sind für Wolfgang Weber vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) klar: Bei den Unternehmen, die er vertritt, stehen jetzt Investitionen in die Zukunft an, sagt er. "Es geht um die Frage: Wie schafft dieses Land, die Transformation? Die Industrie steht bereit, erwartet aber tatsächlich, dass das, was wirtschaftlich zugesagt wurde, jetzt auch eingehalten wird." Die Wirtschaft setzt also weiter auf die Unterstützung der Bundesregierung.
Das gilt auch für die Unternehmen, die sich jetzt neu in Ostdeutschland ansiedeln wollen. So will Chiphersteller Infineon ein Werk in Dresden errichten - für eine Milliarde Euro Zuschuss vom Bund. WSMC, der größte Chiphersteller der Welt, soll sogar fünf Milliarden Euro Zuschuss erhalten, damit er sich ebenfalls in Dresden ansiedelt. Und für den Weltgiganten Intel will die Regierung sogar 10 Milliarden locker machen - für ein Werk in Magdeburg. Aber kann der Bund diese Versprechen jetzt noch einhalten? "Ich kann das heute nicht zusagen", so Kuhle bei "Hart aber fair".
Diskussion ums Bürgergeld
Wichtig sei die Förderung der Wirtschaft, die schaffe Arbeitsplätze, und das sei eine Investition in die Zukunft, so die Meinung aller Gäste. Dafür müsse an anderer Stelle gespart werden. Beim Bürgergeld zum Beispiel, das Brinkhaus senken möchte, damit der Unterschied zu den Menschen größer würde, die arbeiten. Das ist jedoch mit der SPD nicht zu machen. Man könne die Lücke zwischen Bürgergeld und Mindestlohn auch dadurch erhöhen, dass die Löhne insgesamt steigen, meint Ralf Stegner.
Kuhle hat noch weitere Ideen: Er möchte bei den Subventionen sparen und schlägt eine europaweite Kerosinsteuer vor. Außerdem möchte er über die Erhöhung des Renteneintrittsalters diskutieren, und er fragt sich, ob ukrainische Flüchtlinge schon bei ihrer Einreise automatisch Bürgergeld bekommen sollten.
Welche Sparmöglichkeiten es am Ende auch gibt, Brinkhaus ist optimistisch: "Ein guter Finanzminister und eine gute Opposition kriegen das hin." Sowohl Fördermaßnahmen als auch einen verfassungsgemäßen Haushalt werde es im nächsten Jahr geben. "Da ist nicht irgendwie ein Meteorit eingeschlagen, sondern wir haben einfach nur ein paar Herausforderungen." Und etwas später appelliert er: "Wir sollten die Panik ein bisschen rausnehmen."
Quelle: ntv.de