Mehr Geld, weniger Regularien Bundesregierung schnürt Wohn-Paket
21.09.2018, 09:09 Uhr
Rasant steigende Mieten: Für Geringverdiener ist das Leben in vielen deutschen Innenstädten längst zu teuer geworden.
(Foto: dpa)
Kurz vor Beginn des Wohngipfels gelangen Pläne der Großen Koalition an die Öffentlichkeit: Mit Milliarden für Sozialbauten, mehr Wohngeld und Änderungen am Mietrecht will die Koalition die Probleme in den Griff kriegen. Gipfelgegner formieren sich zum Protest.
Der Bund will in dieser Legislaturperiode fünf Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Das kündigte Justizministerin Katarina Barley vor dem Wohngipfel im Kanzleramt im Bayerischen Rundfunk an. Die Bundesregierung wolle das Grundgesetz ändern, sodass "der Bund dauerhaft sich möglichst an dem sozialen Wohnungsbau beteiligt, der eigentlich eben Sache der Länder ist", sagte die Ministerin.
Die Justizministerin kündigte zudem an, dass Genehmigungsverfahren beim Bauen vereinfacht werden sollen. "Da will man halt schon schauen, dass es gestrafft wird, einfacher wird, ohne dass man dabei aber wichtige Standards aus dem Auge verliert." Insbesondere bei Energieeffizienz oder Barrierefreiheit dürfe es keine Abstriche geben. "Aber insgesamt geht es darum, dass man die Vielzahl an Vorschriften überschaubarer und besser beherrschbar macht für die Bauherren."
Im Koalitionsvertrag vereinbart sei außerdem, dass der Bund bundeseigenen Baugrund zu erschwinglichen Preisen an Kommunen verkaufen könne, wenn dort bezahlbarer Wohnraum entsteht, fuhr Barley fort: "Das soll genau dem Entstehen von günstigen Wohnungen dienen."
Mehr Wohngeld, bessere Mietspiegel
Einem Bericht des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" (RND) zufolge soll beim Wohngipfel Geringverdienern ab 2020 mehr Wohngeld zugestanden werden. In einer vorbereiteten Beschlussvorlage heiße es, dass mit einer Wohngeldreform das Leistungsniveau und die Reichweite des Wohngeldes gestärkt werden sollten. "So können die Entlastungswirkung des Wohngeldes erhalten und einkommensschwache Haushalte bei den Wohnkosten unterstützt werden."
Dem Statistischem Bundesamt zufolge hatten Ende 2017 rund 592.000 einkommensschwache Haushalte die staatliche Leistung erhalten. Das waren 1,4 Prozent aller privaten Haushalte. Für das Wohngeld gaben Bund und Länder 2017 rund 1,134 Milliarden Euro aus. Der durchschnittliche monatliche Anspruch von "reinen" Wohngeldhaushalten betrug demnach 153 Euro. In Haushalten, in denen Personen sowohl mit als auch ohne Wohngeldanspruch wohnten, waren es 150 Euro.
Dem RND-Bericht zufolge will der Bund zudem Veränderungen im Mietrecht auf den Weg bringen. "Durch gesetzliche Mindestanforderungen an die standardisierte Gestaltung von Mietspiegeln wird die Bundesregierung für mehr Rechtssicherheit für Vermieter und Mieter sorgen", heiße es in der Vorlage. Der Betrachtungszeitraum für die ortsübliche Vergleichsmiete soll von vier auf sechs Jahre erweitert werden.
Geschenke für die Immobilienlobby?
Darüber hinaus strebe die Regierung an, die Wohnungsbauprämie für Bausparer attraktiver zu gestalten. "Dazu wollen wir die Einkommensgrenzen an die allgemeine Einkommens- und Preisentwicklung anpassen und den Prämiensatz erhöhen", zitiert das Redaktionsnetzwerk aus der Gipfel-Vorlage.
Als Antwort auf Wohnungsnot und hohe Mieten hat die Bundesregierung eine "Wohnraumoffensive" ausgerufen. Beim Wohngipfel sollen die Pläne konkretisiert werden. Rund hundert Vertreter von Bund und Ländern, Baubranche, Kommunal- und Berufsverbänden sowie Mieterverbänden kommen dazu im Kanzleramt zusammen. Union und SPD haben sich schon im Koalitionsvertrag darauf verpflichtet, 1,5 Millionen neue Wohnungen bis zum Ende der Legislaturperiode zu schaffen.
Neben Gastgeberin Angela Merkel sind unter anderem Innen- und Bauminister Horst Seehofer, Finanzminister Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Justizministerin Katarina Barley beim Wohngipfel dabei. Das Treffen dürfte auch einer der letzten größeren Termine für Baustaatssekretär Gunther Adler sein. Wenn demnächst Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär im Innenministerium befördert wird, muss der SPD-Mann und langjährige Bauexperte Adler weichen.
Ein Bündnis aus Mieterbund, Sozialverbänden und DGB hat parallel zu Protestaktionen und Kundgebungen aufgerufen. Am späten Vormittag wollen Aktivisten am Kanzleramt eine an Merkel und Seehofer gerichtete Petition überreichen, die am Vorabend mehr als 70.000 Menschen online unterzeichnet hatten. Der Wohngipfel diene nicht Mieterinnen und Mietern, sondern Immobilienlobby und Bauwirtschaft, heißt es darin. Die Unterzeichner fordern unter anderem eine massive Ausweitung von sozialem und günstigem Wohnraum, eine Regulierung von Bodenpreisen und weniger Möglichkeiten für Vermieter, Modernisierungen auf Mieter abzuwälzen. Für eine Demonstration am Nachmittag sind 1500 Menschen angemeldet.
Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP