Schlagabtausch im Kieler Landtag Carstensen verliert Vertrauen
23.07.2009, 13:02 UhrWie gewünscht verliert Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen die Vertrauensfrage im Kieler Landtag. Damit kann es am 27. September Neuwahlen geben. Vor der Abstimmung hatte Carstensen SPD-Chef Stegner vorgeworfen, hinterhältig einen Dauerkonflikt zu führen. Stegner kontert, der Ministerpräsident sei "ohne jede Legitimation und Moral".

Die Kieler Große Koalition ist baden gegangen: Demonstranten bringen eine Papp-Wanne zum Landtag.
(Foto: dpa)
Der Weg zu Neuwahlen in Schleswig-Holstein ist frei. Nach dem Bruch der Großen Koalition und der Entlassung aller vier SPD-Minister verlor Ministerpräsident Peter Harry Carstensen wie von ihm angestrebt die Vertrauensfrage. Nun soll der Landtag am 27. September, dem Tag der Bundestagswahl, neu gewählt werden. Danach wollen CDU und FDP gemeinsam regieren. Dies wäre nach den jüngsten Umfragen gut möglich.
In der namentlichen Abstimmung votierte die Opposition aus SPD, FDP, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) geschlossen mit Nein und verweigerte dem Ministerpräsidenten damit das Vertrauen. Bis auf einen enthielten sich alle CDU-Abgeordneten der Stimme, auch der Ministerpräsident selbst. Nur Landtagspräsident Martin Kayenburg (CDU) stimmte mit Ja. Insgesamt gab es 37 Nein-Stimmen, 28 Enthaltungen und 1 Ja-Stimme.
Persönlicher Schlagabtausch
Vor der Abstimmung lieferten sich Carstensen und SPD-Fraktionschef Ralf Stegner noch einen harten Schlagabtausch. Beide machten sich in einer teils hitzigen, aber auch mit mahnenden Worten geführten Debatte gegenseitig für das Scheitern der Großen Koalition verantwortlich. Außerdem warfen sie einander vor, die Unwahrheit gesagt zu haben. Landtagspräsident Kayenburg sprach Carstensen abweichend von der Fraktionsmehrheit das Vertrauen aus: "Ich bin der Meinung, dass das eine unechte Vertrauensfrage ist", sagte er vor der Abstimmung. Auch Stegner sprach von einer fingierten Vertrauensfrage.

Wie es aussieht, wird keine der Landtagsfraktionen dem Ministerpräsidenten das Vertrauen aussprechen.
(Foto: dpa)
"Dieses Bündnis aus CDU und SPD hat keine Zukunft", sagte Carstensen in der Debatte. "So wie bisher kann es nicht mehr weitergehen, denn das Vertrauen zwischen den ehemaligen Koalitionspartnern ist nachhaltig gestört." In dieser Konstellation sehe er keine Möglichkeit mehr, das Beste für das Land zu erreichen. Die SPD habe sich aus der gemeinsamen Verantwortung gestohlen. "Wir brauchen Neuwahlen", sagte Carstensen. "Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass ich nicht auf eine SPD vertrauen kann, die von Herrn Dr. Stegner geführt wird." Er könne sich nicht sicher sein, dass Beschlüsse nicht nachträglich von Stegner hintertrieben werden und er künftig die notwendigen parlamentarischen Mehrheiten bekomme. Deshalb habe er die Vertrauensfrage gestellt.
Carstensen ohne "Legitimation und Moral"
Stegner warf dem Regierungschef und CDU-Landesvorsitzenden vor, er habe den Koalitionsbruch aus wahltaktischen Gründen herbeigeführt und seit Monaten vorbereitet. In den letzten Tagen habe Carstensen alles getan, um den letzten Rest von Vertrauen in ihn und seine "Rumpfregierung" zu zerstören. Die Entlassung der SPD-Minister sei verantwortungslos gewesen. Carstensens Vertrauensfrage sei unehrlich. Vieles spreche dafür, dass dieses Vorgehen verfassungswidrig sei. Der ehrlichste Weg wäre ein Rücktritt gewesen, sagte Stegner. "Ihnen fehlt jede Legitimation und Moral."
Carstensen sagte, Stegner habe das Regieren unberechenbar gemacht einen Dauerkonflikt mit Winkelzügen und Hintertürchen betrieben. Er betonte, dass er die von ihm entlassenen vier SPD-Minister fachlich und menschlich sehr schätze. Mit dem Nein zur Auflösung des Landtages habe die SPD ihn aber zur Entlassung und zur Vertrauensfrage gezwungen. Nicht persönlicher Streit zweier gegensätzlicher Charaktere habe zum Bruch geführt, sagte Carstensen. Vielmehr sei es um Auseinandersetzungen zwischen Parteien und Fraktionen, um verschiedene Konzepte und Grundhaltungen gegangen. "Es ist eine Auseinandersetzung über Verantwortung."
Stegner wertete Carstensens Vorgehen auch als eine Flucht vor der Umsetzung der weitreichenden Sparbeschlüsse der Koalition. Er selbst habe sich ohne Wenn und Aber zu diesen bekannt.
Nach langer Koalitionskrise hatte die CDU in der vergangenen Woche das seit 2005 bestehende Regierungsbündnis mit der SPD aufgekündigt. Beim Versuch, den Landtag aufzulösen, verfehlten CDU und Opposition am Montag wegen des Widerstandes der SPD die nötige Zwei-Drittel- Mehrheit. Danach stellte Carstensen die Vertrauensfrage und entließ die vier SPD-Minister. Es war das erste Mal, dass in einem Land das Instrument der Vertrauensfrage angewendet wurde. In allen bisherigen Fällen von vorgezogenen Landtagswahlen hatten sich die Parlamente selbst aufgelöst.
Quelle: ntv.de, tis/dpa