Uiguren fordern Absage China-Reise wird zur Prüfung für Scholz
01.11.2022, 16:35 Uhr
Die Sorge vor einer stärkeren Abhängigkeit von China wächst in Deutschland. Diese wird auch genährt durch den kürzlich von Scholz durchgedrückten Hamburger Hafen-Deal.
(Foto: picture alliance/dpa)
Vor seinem Besuch in China bekommt Bundeskanzler Scholz Druck von allen Seiten. Außenministerin Baerbock sendet deutliche Signale aus Zentralasien. Vertreter der verfolgten Uiguren verurteilen die Reise scharf. Die chinesische Staatspresse warnt derweil vor offener Kritik.
Außenministerin Annalena Baerbock hat kurz vor der ersten Reise von Kanzler Olaf Scholz nach Peking auf Änderungen in der deutschen China-Politik gepocht. Bei einem Besuch in der zentralasiatischen Republik Usbekistan machte die Grünen-Politikerin deutlich, "dass wir als Bundesregierung eine neue China-Strategie schreiben, weil das chinesische Politiksystem sich in den letzten Jahren massiv verändert hat und damit sich auch unsere China-Politik verändern muss".
Scholz wird am Freitag zu seinem ersten Besuch als Kanzler in Peking erwartet. Am Zeitpunkt der Reise und an der von ihm durchgesetzten Genehmigung der Übernahme eines Anteils des Hamburger Hafens durch ein chinesisches Staatsunternehmen gibt es Kritik. Dabei geht es insbesondere um die Sorge, dass Deutschland von der Volksrepublik noch abhängiger werden könnte. Auch aus den Reihen der Koalitionspartner Grüne und FDP kommen immer noch kritische Stimmen.
Baerbock sagte nach einem Treffen mit dem usbekischen Außenminister Wladimir Norow in der Hauptstadt Taschkent, sie erwarte, dass Scholz Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zentrale Botschaften der Bundesregierung übermittele. "Der Bundeskanzler hat den Zeitpunkt seiner Reise entschieden. Jetzt ist entscheidend, die Botschaften, die wir gemeinsam festgelegt haben im Koalitionsvertrag - die Botschaften, die ich auch hier mit nach Zentralasien gebracht habe - auch in China deutlich zu machen." Dazu gehöre, dass Fragen wie faire Wettbewerbsbedingungen, Menschenrechte und die Anerkennung des internationalen Rechts "Grundlage der internationalen Kooperation" seien - "sei es mit Blick auf Zentralasien, sei es mit Blick auf andere Regionen der Welt".
Profit über Menschenrechten?
Druck auf Scholz beim Thema Menschenrechte machen auch Vertreter der verfolgten uigurischen Minderheit in China. Auf Einladung der Bundespressekonferenz trat der Präsident des Weltkongresses der Uiguren, Dolkun Isa, vor Medien in Berlin auf - und übte scharfe Kritik an den Reiseplänen. Mit dem Besuch am Freitag in Peking entscheide sich Scholz, "Präsident Xi zu huldigen und damit das Leid von Millionen Menschen völlig außer Acht zu lassen", sagte Isa. Scholz solle auf die Reise verzichten.
Besonders scharfe Kritik übte Isa daran, dass Scholz eine hochrangige Wirtschaftsdelegation mit nach Peking nimmt. Dies zeige, "dass für Deutschland der Profit weiter über den Menschenrechten steht". Damit widerspreche Scholz auch den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags der Ampel-Parteien. Isa berichtete von Millionen Uiguren, die in den vergangenen fünf Jahren in der chinesischen Provinz Xinjiang interniert worden seien. Er sprach von "Konzentrationslagern" und warf China "Völkermord" vor.
Der Deutschland-Direktor von Human Rights Watch, Wenzel Michalski, forderte von Scholz eine klare Position zu Menschenrechtsverletzungen in China. "Die Reise sollte nicht abgesagt werden", sagte Michalski bei der Pressekonferenz mit Isa. "Man muss aber auch über die unangenehmen Dinge sprechen - nämlich die Menschenrechtsverletzungen." Positiv hob Michalski hervor, dass der Kanzler persönlich mit den Menschenrechtlern gesprochen habe.
Der CDU-Außenpolitikexperte Jürgen Hardt forderte Scholz ebenfalls dazu auf, bei seiner China-Reise die Menschenrechtslage in der Volksrepublik anzusprechen. Er würde sich dies von Scholz "wünschen", sagte Hardt im ZDF.
Intervention der chinesischen Botschaft
Nach Angaben der Bundespressekonferenz gab es vor der Veranstaltung mit den China-Kritikern eine Intervention seitens der chinesischen Botschaft in Berlin. Der regierungsunabhängige Verein der Hauptstadtjournalisten habe dies "mit Befremden" zur Kenntnis genommen, sagte Ute Welty von der Bundespressekonferenz. Falls der chinesische Botschafter "hier zu Gast sein möchte zu unseren Bedingungen, erneuern wir hier unsere Einladung", fügte sie hinzu.
Die chinesische Führung reagiert in der Regel sehr sensibel auf ausländische Kritik. Dies wurde auch in der Berichterstattung der Staatspresse über Scholz' Besuch deutlich, in der Erwartungen an den Kanzler formuliert wurden. "Um die Reise zu einem Erfolg zu machen, muss er sich auf pragmatische Kooperation konzentrieren und nicht auf Geopolitik - ungeachtet des Drucks radikaler westlicher Politiker und Medien", heißt es in einem veröffentlichten Kommentar der nationalistisch ausgerichteten staatlichen Zeitung "Global Times" mit Bezug auf Scholz. Die Staatszeitung warnte ausdrücklich vor offener Kritik der Deutschen an den chinesischen Gastgebern: "Das Gastgeberland vor einem Besuch mit unfundierten Forderungen unter Druck zu setzen, ist in vielerlei Hinsicht falsch."
UN prangern Menschenrechtslage an
Bei den Vereinten Nationen schlossen sich am Montag Deutschland und weitere 49 UN-Mitgliedstaaten einer Erklärung an, in der "schwere und systematische" Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Provinz Xinjiang angeprangert werden. Die Staaten seien "zutiefst besorgt" über "anhaltende Menschenrechtsverletzungen an Uiguren und anderen überwiegend muslimischen Minderheiten in Xinjiang", heißt es in der von Kanada vor dem für Menschenrechte zuständigen Ausschuss der UN-Generalversammlung verlesenen Erklärung.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa/AFP