Amerikas schlimmster Richter? Clarence Thomas und sein geheimes Luxusleben
20.04.2023, 17:02 Uhr Artikel anhören
Clarence Thomas ist der dienstälteste Richter am Supreme Court.
(Foto: picture alliance / abaca)
Clarence Thomas ist seit drei Jahrzehnten einer der streitbarsten Köpfe am Obersten Gerichtshof der USA. Nun macht sich der erzkonservative Richter mindestens moralisch unglaubwürdig. Er soll jahrelang von einem Großspender der Republikaner zu Luxusreisen eingeladen worden sein - Privatjet und Jacht inklusive.
Clarence Thomas ist ein kauziger, eher unauffälliger Typ. Sieben Jahre lang sagt er am höchsten Gericht der Vereinigten Staaten kein einziges Wort, obwohl er zu den neun einflussreichsten Richtern der USA gehört. Erst 2013 bricht der erzkonservative Supreme-Court-Vertreter sein Schweigen. 2016 stellt er zum ersten Mal seit zehn Jahren sogar wieder eine Nachfrage. Der Mann, der sich seit 1991 Oberster Verfassungsrichter der USA nennen darf, mag es gerne ruhig. Auch in seiner Freizeit.
In einer Dokumentation über sein Leben erzählt Thomas, dass ihm Camping und Walmart-Parkplätze lieber sind als Strände und ähnliche Orte. "Ich komme aus normalen Verhältnissen und bevorzuge ein normales Leben", erzählt der Richter im Film "Created Equal".
Aber "normal" scheint im Leben von Clarence Thomas gar nichts zu sein. Der dienstälteste Richter am Supreme Court führt abseits der Kameras ein Leben in Saus und Braus, wie Propublica aufgedeckt hat: Privatjet, Superjacht, Männerurlaub im kalifornischen Luxusresort, dekadentes Inselhopping in Indonesien -Ausflüge, die mit dem Image des Walmart-Richters nichts zu tun haben, erzählt Propublica-Reporter Joshua Kaplan in einem Youtube-Video der Investigativ-Plattform. "Das Ausmaß war für uns wirklich überraschend. Wir fanden heraus, dass Richter Thomas seit 20 Jahren praktisch jedes Jahr diese Luxusreisen macht, mit Flügen in einem großen Privatjet, mit Kreuzfahrten auf einer Superjacht."
500.000-Dollar-Trip nach Indonesien
Oberste Verfassungsrichter verdienen in den USA 285.000 Dollar im Jahr. Alles andere als wenig, aber auch nicht genug für Privatjet und Luxusjacht. Aber seine Reisen hat Thomas auch nicht selbst bezahlt, sondern Harlan Crow. Der milliardenschwere Immobilienmogul aus Texas ist seit vielen Jahren als Großspender der republikanischen Partei bekannt. Seit zwei Jahrzehnten soll er außerdem Richter Thomas und dessen Ehefrau Ginni auf etliche Reisen eingeladen haben.
Besonders dekadent soll der Ausflug nach Indonesien gewesen sein, wie Propublica-Reporter Kaplan berichtet. Thomas und seine Frau seien 2019 mit dem Privatjet von Crow nach Asien geflogen und hätten anschließend neun Tage an Bord einer Jacht des Milliardärs verbracht - inklusive Privatkoch und Bewirtung rund um die Uhr. Die Kosten für den Trip sollen bei mehr als einer halben Million Dollar gelegen haben - zwei Jahresgehälter von Thomas also. Tatsächlich hat der Richter keinen einzigen Penny bezahlt.
Die Urlaubsreise war ein Geschenk. Eine Zuwendung, die Thomas aber nie in seinen Finanzberichten angegeben hat. Genauso wenig, wie alle anderen Einladungen und Annehmlichkeiten von Crow. Thomas soll im Privatjet des Milliardärs Dauergast gewesen sein. Auch die Luxusjacht des Republikaners soll er nicht nur einmal zur Entspannung genutzt haben.
Zudem soll Thomas häufiger in einem Luxusresort von Crow in den Adirondack Mountains, einem Gebirge im US-Bundesstaat New York, geurlaubt haben. Genauso auf einer weitläufigen Ranch Crows in Texas.
Denn es waren ja keine Zuwendungen, sondern einfach nur Urlaubstrips mit "engen persönlichen Freunden" - so erklärt Thomas, warum er die Luxusreisen allesamt verschwiegen hat. Zu Beginn seiner Karriere habe er sogar bei seinen Kolleginnen und Kollegen am Obersten Gerichtshof nachgefragt. Diese hätten ihm gesagt, dass er die Reisen nicht bekannt machen müsse, weil Crow ein Freund sei und es keinen Interessenkonflikt mit seiner Richtertätigkeit gebe.
Immobiliendeals zwischen Thomas und Crow
Allerdings beschränkt sich die Beziehung von Thomas und Crow nicht auf gemeinsame Urlaubstrips. Propublica hat anschließend noch gemeinsame Immobiliengeschäfte aufgedeckt, von denen finanziell vor allem Thomas profitierte - und die der Richter ebenfalls verschwieg. Demnach hat Thomas 2014 drei Grundstücke im US-Bundesstaat Georgia an Crow verkauft. Diese Einnahmen soll der Verfassungsrichter in seinen Finanzberichten nicht angegeben haben.
Schuld sind wie immer die anderen: CNN meldet unter Verweis auf das nähere Umfeld von Thomas, dass er seine Formulare angeblich immer mit der Unterstützung von Helfern ausgefüllt habe und das Nichtmelden der Einnahmen ein Versehen gewesen sei.
Anscheinend eines von sehr vielen, denn auch die Washington Post hat finanzielle Ungereimtheiten bei Thomas aufgedeckt: Der 74-jährige Thomas soll über Jahrzehnte Mieteinnahmen in Höhe von Hunderttausenden Dollar angegeben haben - von einer Immobilienfirma, die es seit 2006 gar nicht mehr gibt. Ehefrau Ginni hat die Firma demnach zusammen mit Verwandten gegründet, 2006 dann aufgelöst und in ein neues Unternehmen überführt. Die neue Firma erwähnt Richter Thomas in seinen jährlichen Finanzangaben aber nicht.
Für Aufregung sorgen die teuren Luxustrips und die Immobiliendeals von Thomas mit Harlan Crow vor allem deshalb, weil der Milliardär mit Großspenden an die republikanische Partei seit vielen Jahren versucht, die USA und ihr Justizsystem nach seinen Wünschen zu gestalten.
Ein Vorwurf, den nicht nur der schweigsame Luxusrichter, sondern auch Crow zurückweist. Er habe dem Ehepaar Thomas über viele Jahre Gastfreundschaft entgegengebracht, erklärt er auf Nachfrage von Propublica. Diese Gastfreundschaft unterscheide sich aber nicht von der, die er anderen "lieben Freunden gewährt". Es sei ihm nie darum gegangen, Entscheidungen des Richters zu beeinflussen.
"Wir haben mit Leuten gesprochen, die Crow und Thomas kennen, und sie haben uns gesagt, dass die beiden echte Freunde geworden sind", erzählt Reporter Kaplan. Die beiden erzkonservativen Männer haben viel Zeit miteinander verbracht, aber man wisse natürlich nicht, "was sie besprochen haben". Ob und wie Crow möglicherweise Einfluss auf seinen Freund genommen hat, könne niemand genau sagen. "Aber jeder Politikwissenschaftler wird sagen, dass die Menschen, mit denen Sie viel Zeit verbringen, unweigerlich Einfluss auf Ihre Ansichten haben."
Thomas' Ehefrau ist treuer Trump-Fan
Clarence Thomas ist mittlerweile seit 1991 einer der neun Obersten Verfassungsrichter und damit das dienstälteste Mitglied im aktuellen Supreme Court. Auch die Freundschaft mit Crow reicht in die 90er Jahre zurück: Seitdem haben die beiden Männer sehr viel Zeit miteinander verbrachtet.
Auch wenn niemand weiß, worüber Thomas und Crow an Bord von Privatjet oder Luxusjacht reden, ist sicher, dass sie politisch auf einer Wellenlänge schwimmen. Beide sind erzkonservativ. Richter Thomas hatte zuletzt voriges Jahr für Wirbel gesorgt mit einer brisanten Aussage zum vom Supreme Court gekippten Abtreibungs-Urteil im Fall "Roe vs. Wade". Der 74-Jährige forderte, auch andere Grundsatzurteile auf den Prüfstand zu stellen, wie das Recht auf Verhütung, die gleichgeschlechtliche Ehe oder Sex unter gleichgeschlechtlichen Partnern.
Thomas pocht darauf, dass Crow keinen Einfluss auf seine Entscheidungen am Obersten Gerichtshof der USA hat. Klar ist aber auch, dass der Richter, der wie alle anderen in den USA auf Lebenszeit ernannt ist, nun schon zum zweiten Mal mit persönlichem Umgang der fragwürdigen Sorte auffällt. Denn Ehefrau Ginni gilt als treue Trump-Unterstützerin und soll versucht haben, gegen das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 vorzugehen.
Auch damals tat Thomas das, was er offensichtlich am besten kann: Er schwieg.
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Quelle: ntv.de