Politik

Europäische Einigung in Frage gestellt Dänemark empört die EU

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(Foto: dpa)

Der dänische Plan, wieder Grenzkontrollen einzuführen, stößt vor allem in Deutschland auf scharfe Kritik. Es sei eine populistische Entscheidung, heißt es. Außenminister Westerwelle fordert Aufklärung von Kopenhagen. Dort wird der Schritt mit der ansteigenden Kriminalität begründet. Passkontrollen sind demnach nicht vorgesehen.

Die Bundesregierung sieht dringenden Klärungsbedarf bei den Plänen Dänemarks zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen. "Die Reisefreiheit und das sind wesentliche Errungenschaften der europäischen Einigung und dürfen nicht infrage gestellt werden", erklärte Außenminister Guido Westerwelle in Berlin. Er sehe in dieser Frage "raschen und detaillierten Aufklärungsbedarf".

Auch die EU-Kommission forderte Erklärungen von Kopenhagen. Die Kommission werde eine Infragestellung der Reisefreiheit der Bürger und des Transports von Waren in der EU nicht akzeptieren, sagte eine Sprecherin in Brüssel. Ein Sprecher von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström sagte, "einseitige" Aktionen der Mitgliedsländer müssten vermieden werden. Die Kommission will prüfen, ob die neuen Grenzkontrollen möglicherweise Vertragsregeln verletzen.

Dänemark begründete die geplante Wiedereinführung von Kontrollen mit wachsender Kriminalität von EU-Ausländern. Die Kontrollen seien eine vernünftige Lösung, da es grenzüberschreitende kriminelle Aktivitäten gebe, sagte Integrationsminister Sören Pind in Brüssel. Es werde nur Zoll-, aber keine Passkontrollen an den Grenzen geben, um Drogen- oder Waffenschmuggel aufzudecken. Der Schritt stehe völlig im Einklang mit dem Schengen-Abkommen, mit dem Grenzkontrollen fast überall in Europa abgeschafft wurden. "Wir wollen damit nicht die Grenzen zurückbringen."

Bereits in zwei bis drei Wochen sollen die neuen Kontrollgebäudestehen.

Bereits in zwei bis drei Wochen sollen die neuen Kontrollgebäudestehen.

(Foto: AP)

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will derweil Grenzkontrollen im Schengen-Raum weiter nur in Ausnahmefällen zulassen. "Dass es Ausnahmefälle bleiben, dazu müssen wir genaue Kriterien definieren", sagte der CSU-Politiker vor einem Treffen der EU-Innenminister in Brüssel der ARD. Solche Ausnahmefälle könnten beispielsweise Fußball-Weltmeisterschaften sein. "Aber wir wollen das sehr, sehr eng begrenzen."

Zöllner und elektronische Überwachung

Die dänischen Behörden wollen in zwei bis drei Wochen erstmals wieder regelmäßige Kontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Schweden durchführen. Wie ein Sprecher des Finanzministeriums mitteilte, sollen die entsprechenden Vorbereitungen sofort anlaufen. Neben Personenkontrollen durch Zöllner an wichtigen Grenzübergängen wollen die Dänen Kontrollgebäude neu errichten, elektronische Überwachungsanlagen installieren und die Hinterland-Überwachung sowie Kontrollen durch mobile Einsatzteams verstärken.

Die Chefin der dänischen Volkspartei, Pia Kjaersgaard, hatte am Vortag erklärt, sie habe sich mit der Minderheitsregierung von Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen darauf geeinigt, wieder Grenzkontrollen einzuführen. Dies dürfte vor allem den Reiseverkehr mit Deutschland betreffen. Die rechtspopulistische Volkspartei begründete ihre Forderung mit einem Zustrom illegaler Einwanderer.

Nach dem Schengen-Abkommen gibt es an den EU-Binnengrenzen nur stichprobenartig Kontrollen. Die zeitweilige Einführung von Grenzkontrollen ist nur in Ausnahmesituationen möglich. Dänemark kündigte aber an, weiter Teil des Schengenraumes bleiben zu wollen. Der FDP-Innenexperte im Europaparlament, Alexander Alvaro, stellte dies allerdings in Frage.

"Eine problematische Entwicklung"

Die Auswirkungen auf den Grenzverkehr sind noch nicht abzusehen.

Die Auswirkungen auf den Grenzverkehr sind noch nicht abzusehen.

(Foto: dapd)

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte die Grenzkontrollen scharf. "Ich halte das für eine problematische Entwicklung", sagte die FDP-Politikerin im Deutschlandfunk. Die Reisefreiheit sei eine der Errungenschaften der EU und ein "unglaublicher Wert" für die Bürger. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy rief die Bundesregierung auf, den Dänen deutlich zu machen, "dass das Wiedereinführen von Schlagbäumen auf Dauer nicht akzeptabel" sei.

Der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz von der SPD, warf der dänischen Regierung Populismus vor. Ein mögliches Flüchtlingsproblem in Nordafrika lasse sich nicht an der deutsch-dänischen Grenze lösen, sagte Schulz dem "Tagesspiegel". Kritisch äußerte sich auch die Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, SSW. Vertreter der Wirtschaft in Schleswig-Holstein bezeichneten die dänischen Pläne als "Rückschritt", erwarteten aber keine spürbaren Beeinträchtigungen im Handel.

Friedrich fordert Flexibilität

Bundesinnenminister Friedrich bekräftigte in Brüssel seine Forderung nach erleichterten Grenzkontrollen. "Es sollte künftig möglich sein, auf außergewöhnlichen Migrationsdruck flexibel reagieren zu können", sagte er der "Welt". Laut Friedrich sollten "temporäre Grenzkontrollen der Lage angepasst und mit Augenmaß an den Schengen-Binnengrenzen möglich" sein. Innenkommissarin Malmström hat vorgeschlagen, zumindest zeitweilige Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums zu erleichtern, etwa bei einem plötzlichen Flüchtlingsansturm oder wenn ein Land die EU-Außengrenze nicht kontrollieren kann.

Friedrich wandte sich außerdem gegen eine EU-weite Verteilung von Flüchtlingen: "Es muss klar sein, dass die Mitgliedstaaten selbst entscheiden, ob und wie viele Flüchtlinge sie aus anderen Mitgliedstaaten aufnehmen. Wir sind im Einzelfall offen für eine freiwillige personelle Lastenteilung. Voraussetzung ist aber auf jeden Fall, dass ein EU-Mitgliedsland wirklich unverhältnismäßig belastet ist und es geltendes EU-Recht anwendet."

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP/rts

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