NATO, G7 und EU zur Ukraine Darum geht es bei den Krisengipfeln in Brüssel
24.03.2022, 07:49 Uhr
Wegen des russischen Angriffs will die NATO eine Verstärkung ihrer Kampftruppen in den östlichen Mitgliedsländern auf den Weg bringen.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Vier Wochen nach Kriegsbeginn in der Ukraine kommen NATO, EU und die sieben führenden Industriestaaten in Brüssel zusammen. Bei den drei Gipfeln soll es unter anderem um weitere Unterstützung für die Ukraine und neue Maßnahmen gegen Russland gehen. Auch US-Präsident Joe Biden ist dafür angereist.
Gleich drei Gipfel tagen an diesem Donnerstag in Brüssel zu Beratungen über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auf dem Programm stehen ein Sondergipfel der NATO sowie Gipfel der Europäischen Union und der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7). Bei den Spitzentreffen soll es unter anderem um weitere Unterstützung für die Ukraine und neue Maßnahmen gegen Russland gehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll bei allen drei Treffen per Video zugeschaltet werden.
Auch US-Präsident Joe Biden ist nach Brüssel gereist, um an den drei Gipfeln teilzunehmen. Der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, sagte Reportern auf dem Flug, die USA hofften, "dass die Entschlossenheit und Einigkeit" der westlichen Verbündeten, "die wir im letzten Monat gesehen haben, so lange wie nötig anhalten wird". Er bekräftigte: "Dieser Krieg wird weder leicht noch schnell enden." Sullivan sagte zudem, dass das für Donnerstag angekündigte neue Sanktionspaket gegen Russland "sich sowohl auf politische Persönlichkeiten, Oligarchen, ... als auch auf Unternehmen beziehen" werde.
Bei den Beratungen in Brüssel wollen die Verbündeten laut Sullivan aber auch besprechen, wie "gegen russische Versuche, die Sanktionen zu umgehen, wirksam vorgegangen werden kann." Die Rolle Chinas im Ukraine-Krieg wollen die USA laut dem Sicherheitsberater "genau beobachten". Biden werde "sicherlich die Frage einer möglichen Beteiligung Chinas am Ukraine-Konflikt erörtern, während er in Brüssel ist", sagte Sullivan. Er werde dies sowohl bei der NATO, als auch beim Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der EU ansprechen. Sullivan verwies vor diesem Hintergrund auf ein Gipfeltreffen der EU mit China am 1. April und sagte: "Wir glauben, dass wir mit unseren europäischen Partnern auf einer Wellenlänge sind".
NATO-Gipfel: Verstärkung der Kampftruppen im Fokus
Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine will die NATO eine Verstärkung ihrer Kampftruppen in den östlichen Mitgliedsländern auf den Weg bringen. Nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg wird ein politischer Beschluss für vier neue multinationale Gefechtseinheiten in Rumänien, Bulgarien, Ungarn und der Slowakei erwartet. Das wäre eine Verdoppelung der sogenannten Battlegroups, die bisher in Polen und in den Baltenstaaten stationiert sind. Deutschland hatte zuletzt seine NATO-Präsenz in Litauen ausgeweitet sowie Soldaten für die Slowakei angekündigt.
Derzeit haben die USA nach NATO-Angaben in Europa rund 100.000 Soldaten stationiert, hinzu kommen 40.000 in erhöhter Einsatzbereitschaft unter NATO-Kommando. Die NATO hat Selenskyj eingeladen, eine Videoansprache zur "katastrophalen Situation" in seinem Land zu halten, wie ein Bündnisvertreter sagte. Selenskyj hatte bereits mehrfach eindringlich an die Allianz appelliert, eine Flugverbotszone über der Ukraine einzurichten, um russische Angriffe aus der Luft zu stoppen.
Dies schließt das Bündnis jedoch weiter aus. "Die NATO wird nicht militärisch in diesen Krieg eingreifen" - so hatte es Kanzler Scholz vergangene Woche formuliert, und dies bekräftigte er auch am Mittwoch im Bundestag. Zu groß wäre die Gefahr eines Weltkriegs.
G7-Treffen: Neue Sanktionen gegen Russland
In großer Sorge sind die 30 Bündnispartner über den möglichen Einsatz chemischer oder anderer Massenvernichtungswaffen durch Russland in der Ukraine. US-Präsident Biden warnte Kreml-Chef Wladimir Putin in diesem Fall vor einer "starken" Reaktion der NATO. Zuvor soll Russland bereits Hyperschallraketen gegen die Ukraine eingesetzt haben, die theoretisch nuklear bestückt werden könnten.
Nach dem NATO-Gipfel will Bundeskanzler Scholz als amtierender G7-Präsident mit Biden sowie den Spitzenvertretern Frankreichs, Italiens, Kanadas, Großbritanniens und Japans beraten. Scholz könnte in seiner anschließenden Pressekonferenz auf das Thema neuer Sanktionen gegen Russland eingehen, die Washington bereits in Aussicht gestellt hat. Zu Wochenbeginn hatte sich Biden telefonisch mit Scholz und den anderen europäischen G7-Ländern abgestimmt.
EU-Gipfel: "Solidaritäts"-Fonds für Ukraine
Mit einer weiteren Verschärfung der Sanktionen gegen Russland befasst sich ab Donnerstagnachmittag auch der EU-Gipfel, zu dem Biden als Gast geladen ist. Insbesondere Deutschland steht unter Druck, seinen Widerstand gegen ein Öl- und Gasembargo gegen Russland aufzuheben. Scholz erteilte dem im Bundestag erneut eine Absage, weil es "unser Land in die Rezession stürzen" würde. Zur Unterstützung der Ukraine will die EU auf ihrem zweitägigen Gipfel einen "Solidaritäts"-Fonds ins Leben rufen, wie aus einem Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen hervorgeht. Die Mittel sollen von einer internationalen Geberkonferenz kommen.
Zuvor hatte die EU bereits Krisenhilfen im Umfang von 1,2 Milliarden Euro für die Ukraine auf den Weg gebracht. Zudem wollen die Europäer ihre Militärhilfe für das Land auf eine Milliarde Euro verdoppeln. Auch eine neue Sicherheitsstrategie wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs billigen. Sie sieht ab 2025 eine schnelle EU-Eingreiftruppe mit bis zu 5000 Soldaten vor. Die Bundesregierung hat angeboten, im ersten Jahr den Kern dieser neuen Einheit zu stellen.
Ein weiteres Thema dürfte humanitäre Hilfe für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sein. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks haben seit Kriegsbeginn rund 3,6 Millionen Menschen die Ukraine verlassen. Kein anderes Land hat bisher so viele Ukraine-Flüchtlinge aufgenommen wie das Nachbarland Polen.
Bei aller demonstrativen Geschlossenheit: Streit droht auf dem EU-Gipfel beim Thema Energie. Länder wie Spanien und Griechenland fordern bereits seit Monaten ein europäisches Vorgehen gegen die massiv gestiegenen Gas- und Treibstoffpreise, bisher ohne Durchbruch. Erwartet werden erneut zähe Verhandlungen.
Quelle: ntv.de, hek/dpa/AFP