Politik

Die Kriegsnacht im Überblick Ukraine: Russen vor Kiew gestoppt - Berichte über erfolgreiche Gegenoffensiven

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Am 29. Tag der russischen Invasion in der Ukraine treffen sich zahlreiche Spitzenvertreter in Brüssel, um über den Konflikt zu beraten. Dabei soll es sowohl um weitere militärische Unterstützung der Ukraine als auch um Importe russischer Energieträger gehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ruft die Menschen weltweit auf, für Frieden zu demonstrieren. Derweil mehren sich Berichte über erfolgreiche Gegenoffensiven der ukrainischen Kämpfer vor allem westlich der Hauptstadt Kiew. Das russische Militär soll derzeit nicht vorrücken können, sondern versuchen, seine Positionen zu festigen.

Für die Reaktion der westlichen Länder auf den Krieg soll der Donnerstag ein entscheidender Tag werden: In Brüssel stehen Gipfeltreffen der NATO, der Siebener-Gruppe wichtiger Industrieländer (G7) und der Europäischen Union (EU) an. Dazu ist US-Präsident Joe Biden nach Europa gekommen. Die Spitzenberatungen sollen nach Worten seines Sicherheitsberaters Jack Sullivan die "nächste Phase" der militärischen Unterstützung für die Ukraine einläuten. "Auf diesen drei Gipfeln werden wir sehen: Wer ist ein Freund, wer ist ein Partner, und wer hat sich verkauft und betrogen?", sagte Selenskyj. Man müsse zusammenarbeiten und verhindern, dass Moskau Mitglieder der NATO, EU oder G7 auf die Seite des Krieges ziehe. Die Kämpfe in der Ukraine gingen unterdessen mit unveränderter Härte weiter. Auf Befehl von Präsident Wladimir Putin hatte Russland in der Nacht zu Donnerstag, 24. Februar, das Nachbarland angegriffen.

Russische Truppen vor Kiew aufgehalten

Die russischen Einheiten greifen nach Angaben des ukrainischen Militärs weiter zahlreiche Städte und Gebiete an, sind aber bei Kiew am Vorrücken gehindert worden. Beim östlichen Kiewer Vorort Browary seien russische Truppen gestoppt worden, teilte der ukrainische Generalstab mit. Es sei ihnen auch nicht gelungen, ukrainische Verteidigungsstellungen zu durchbrechen, um den nordwestlichen Rand der Hauptstadt zu erreichen. Im Gegenteil sind nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes ukrainische Truppen im Nordwesten von Kiew zu erfolgreichen Gegenangriffen übergegangen. Der ukrainischen Armee ist es nach Angaben eines Pentagon-Vertreters vom Mittwoch gelungen, die russischen Truppen im Osten von Kiew binnen 24 Stunden mehr als 30 Kilometer zurückzudrängen. "Wir beginnen zu sehen, wie sie sich verschanzen und Verteidigungspositionen aufbauen", fügte er hinzu. Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, erklärte, dass ukrainische Streitkräfte "die kleine Stadt Makariw und fast ganz Irpin" wieder unter ihrer Kontrolle hätten. AFP-Journalisten berichteten von heftigem Artilleriebeschuss in Irpin.

Russen kommen bei Chernihiw nicht voran

Nicht voran kommen die russischen Streitkräfte nach Einschätzung des Pentagon auch in der Umgebung der nördlich von Kiew gelegenen Großstadt Chernihiw. Dort säßen die russischen Soldaten zehn Kilometer vom Zentrum entfernt fest. In einigen Bereichen seien die russischen Soldaten zuletzt zurückgewichen. "Sie bewegen sich sogar in die entgegengesetzte Richtung, aber nicht viel", sagte der Ministeriumsvertreter.

Im Gebiet Donezk im Osten stand nach Kiewer Angaben die überwiegende Mehrheit ukrainischer Einheiten unter Beschuss. Russische Truppen wollten dort die Orte Werchnoterezke, Marjinka und weiterhin die hart umkämpfte Großstadt Mariupol einnehmen. Einem Pentagon-Vertreter zufolge verfolgt das russische Militär offenbar die Strategie, die entlang der früheren Frontlinie in der Ostukraine stationierten ukrainischen Streitkräfte zu "binden", damit sie "nicht anderswo eingesetzt werden können". Die Berichte aus den Kampfzonen lassen sich aber weiterhin nicht unabhängig überprüfen.

Mariupol: Behandlung im Krankenhaus bei Kerzenschein

Dramatisch bleibt die Lage in der von russischen Truppen eingekesselten Stadt Mariupol am Asowschen Meer. Wie der Stadtrat auf Telegram mitteilte, würden im größten Krankenhaus der Stadt die Patienten im Keller bei Kerzenlicht behandelt. "Sie versuchen, so viel Treibstoff wie möglich zu sparen, daher werden Dieselgeneratoren nur für komplizierte Operationen verwendet", erklärte der Rat. Den Angaben nach haben sich neben den Patienten auch bis zu 700 Menschen aus der Umgebung in das Krankenhaus geflüchtet.

Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums haben die russischen Streitkräfte auch einen Monat nach Kriegsbeginn nicht die Lufthoheit in der Ukraine erobert. Die USA und ihre Verbündeten arbeiteten daran, den Ukrainern mehr Luftabwehrsysteme mit großer Reichweite zu beschaffen. Die derzeit vorhandenen Systeme setzten die Ukrainer "sehr effektiv" ein. Das sei ein Grund dafür, "warum wir ein ziemlich risikoscheues Verhalten einiger russischer Piloten beobachten". Durch russischen Beschuss in Kiew wurde am Mittwoch die russische Journalistin Oxana Baulina getötet, die für das unabhängige Investigativportal The Insider (theins.ru) arbeitete. Seit Beginn des Kriegs gab es Berichte über mindestens sechs getötete Journalisten.

Appell von Selenskyj

"Kommen Sie aus Ihren Büros, Ihren Wohnungen, Ihren Schulen und Universitäten!", sagte Selenskyj in seinem Aufruf zu weltweiten Protesten. Der Krieg ziele nicht nur auf die Ukraine, sondern Russland versuche, die Freiheit aller Menschen in Europa und der Welt zunichtezumachen, sagte er. Moskau versuche zu zeigen, "dass nur grobe und grausame Gewalt zählt". Der Präsident in Kiew wandte sich ein weiteres Mal auf Russisch an die Bürger Russlands. Er sei überzeugt, dass es dort viele Menschen gebe, denen schon "schlecht sei" von den "Lügen der Propagandisten". Die Ukraine habe nie die Sicherheit der Russischen Föderation bedroht, und Kiew tue alles, um den Krieg zu beenden.

Flächenbrände bei Tschernobyl gelöscht

Im Sperrgebiet um das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl sind mehrere Flächenbrände erfolgreich bekämpft worden. Die ukrainische Atomaufsichtsbehörde habe die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) darüber informiert, dass die Feuerwehr der Stadt Tschernobyl vier Brände gelöscht habe. Das teilte Generaldirektor Rafael Grossi am Mittwochabend mit. Zur Ursache der Feuer gab es keine Angaben. Russische Truppen hatten das Gelände um das AKW vor rund einem Monat unter ihre Kontrolle gebracht. Dort kam es 1986 zum schwersten Atomunglück in der Geschichte der zivilen Nutzung der Kernkraft.

Das wird heute wichtig

  • Gipfeltreffen von NATO, G7 und EU in Brüssel zu militärischer Unterstützung der Ukraine und dem Umgang mit russischen Energielieferungen
  • Bundesinnenministerin Nancy Faeser berät sich mit den Innenministern der Bundesländer zur Frage der Verteilung von Flüchtlingen in Europa und Deutschland
  • Die Moskauer Börse nimmt den Aktienhandel wieder auf - Der Handelstag ist verkürzt (7.50 Uhr bis 12 Uhr MEZ) und es dürfen nur Aktien von 33 Unternehmen gehandelt werden, darunter Gazprom, Lukoil und Aeroflot

Alle weiteren Entwicklungen des Tages können Sie in unserem Liveticker zum Ukraine-Krieg nachlesen.

Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP

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