Politik

Baerbock, Klima, Drohnen Darum geht es beim Grünen-Parteitag

Die vergangenen Wochen liefen alles andere als rund für die Parteichefs Baerbock und Habeck.

Die vergangenen Wochen liefen alles andere als rund für die Parteichefs Baerbock und Habeck.

(Foto: picture alliance/dpa)

Wenig Schlaf, Rampenlicht und Tausende Entscheidungen - für die Grünen wird es ein wichtiges Wochenende. Beim Online-Parteitag wollen sie ihr Wahlprogramm verabschieden. "Alles ist drin", versprechen sie darin. Das Wahlkampfmotto "Bereit, weil Ihr es seid" ist nicht weniger forsch. Die Grünen hoffen darauf, dass sie und ihr Kernthema, der Kampf gegen den Klimawandel, Ende September endlich relevante Teile der Wählerschaft mobilisieren werden. Doch nach mehr als drei Wochen immer neuer grüner Patzer schwingt ungewollt auch etwas anderes mit: Zweckoptimismus.

Ausgangslage: Es läuft nicht richtig rund

Seit die "Bild"-Zeitung im Mai über Sonderzahlungen berichtete, die Parteichefin Annalena Baerbock dem Bundestag nachgemeldet hatte, läuft es nicht mehr richtig rund. Baerbock selbst und ihre Partei mussten wiederholt Angaben in Lebensläufen korrigieren. "Das war Mist", räumt die designierte Kanzlerkandidatin insbesondere mit Blick auf Letzteres zerknirscht ein. Zwischendurch sorgte Robert Habeck mit einer Forderung nach der Lieferung von "Defensivwaffen" an die Ukraine für Verwirrung. Auch das Ergebnis von 5,9 Prozent bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt fiel schlechter aus als erhofft.

"Die letzten drei Wochen sind natürlich nicht so cool gelaufen", räumt Parteichef Robert Habeck ein. "Wir haben Fehler gemacht, und aus kleinen Fehlern sind große Debatten geworden", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Unterstützung für Baerbock in der Partei sei fulminant. "Es wird auf dem Parteitag ein starkes Signal der Solidarität geben." Ex-Parteichef Cem Özdemir sagte der "Rheinischen Post" und dem "Bonner General-Anzeiger": "Besser, wir machen jetzt die Fehler, die man korrigieren kann, als kurz vor der Wahl." Der Blick gehe nun nach vorne. Der Parteitag eröffnet den Grünen die Chance auf erfreulichere Schlagzeilen.

Baerbock-Wahl: "100 Prozent werden es hoffentlich nicht"

Erstmals stellt die Partei mit Baerbock auch eine eigene Kanzlerkandidatin. Deren Wahl steht am Samstag an, in der gleichen Abstimmung, mit der sie mit Habeck als Spitzenduo bestätigt werden will. "100 Prozent werden es hoffentlich nicht", meint Baerbock - das sei langweilig und passe auch nicht zu ihrer Partei. Ein gutes Omen wäre ein solches Ergebnis wohl auch nicht. 2017 erzielte es Martin Schulz bei seiner Wahl zum SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten. Ein halbes Jahr später fuhren die Sozialdemokraten mit 20,5 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte bei einer Bundestagswahl ein.

Debatten: Es gibt 3280 Änderungsanträge

"Wir werden sehr leidenschaftlich diskutieren, weil es bei dieser Wahl um eine grundlegende Frage geht: Führen wir das Land entschlossen aus der Krise in dieses entscheidende Jahrzehnt oder wurschteln wir uns weiter durch?", sagt Baerbock. Die Partei mache konkrete Vorschläge zur Erneuerung, "für sozialen Klimaschutz, gerechten Wohlstand, eine gute Zukunft für Kinder und Familien und ein starkes Europa mit einer starken Wirtschaft". Es gibt 3280 Änderungsanträge zum Entwurf des Bundesvorstands, Bundesgeschäftsführer Michael Kellner nennt es "das intensivstdiskutierte Wahlprogramm der grünen Geschichte".

Die engagierten Diskussionen gehen schon beim Titel des Wahlprogramms los. "Alles ist drin", klar - aber Deutschland davor schreiben oder nicht? "Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Und nicht Deutschland", heißt es in einem von zwei Gegenanträgen, die das Wort streichen wollen. Eine andere Gruppe von Antragstellern fühlt sich an die AfD erinnert und meint: "Deutschland assoziiert eher eine nationalistische Politik."

Klimaschutz: Wie viel soll CO2 kosten?

Angeregte Debatten sind gleich heute Abend absehbar, vor allem beim Klimaschutz. "Wir wollen einen klimagerechten Wohlstand sichern und mit unserem Programm unser Land auf den 1,5-Grad-Pfad bringen", sagt Baerbock und meint die Begrenzung der Temperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Hunderte von Anträgen sind zu diesem Komplex eingegangen. Auch die Kanzlerkandidatin selbst erwartet rege Debatten über die Höhe des CO2-Preises, die Stromsteuer oder den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Diskutiert wird auch die Forderung, dass Deutschland bereits in 20 Jahren klimaneutral werden sollte - und nicht erst 2045, wie es die Bundesregierung vorhat. Eine Gruppe pocht auf einen deutlich höheren CO2-Preis auf Öl und Gas.

Bereits der Vorschlag des Bundesvorstands von 60 Euro pro Tonne bis 2023 hatte in den vergangenen Tagen heftige Debatten und Warnungen vor höheren Benzinpreisen ausgelöst. Dabei hatte die Bundesregierung selbst im Jahr 2019 entschieden, den CO2-Preis bis 2025 auf 55 Euro steigen zu lassen und damit auch höhere Spritpreise beschlossen. "Man darf es mit dem Preis nicht übertreiben", mahnte Habeck im RND-Interview. "Was wir beschließen, sollte umsetzbar sein", fügte er hinzu.

Auch die Grüne Jugend hat sich vorgenommen, in diesen drei Tagen zu kämpfen. Sicherheiten in Zeiten des Umbruchs will der Nachwuchs schaffen, einen kostenlosen ÖPNV und eine volle Rückerstattung der CO2-Kosten erreichen.

Soziales: Grüne Jugend macht Druck

Auch zum dritten Kapitel "Solidarität sichern", das am Samstag behandelt wird, gibt es Hunderte Änderungsanträge. Die Grüne Jugend ist in der sozialen Frage besonders engagiert. Der Nachwuchs pocht auf höhere Hartz-IV-Sätze, auf eine staatliche Jobgarantie, auf eine längere Bezugsdauer für Arbeitslosengeld I und auf die Vergesellschaftung von Wohnungen, um "die Spekulation mit dem Grundrecht Wohnen" zu beenden, wie es in der Antragsübersicht heißt. Hier könnte es zu Abstimmungen kommen.

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Außenpolitik: Wie halten es Grüne mit Kampfdrohnen?

Diskussionen werden vor allem um die Haltung der Partei zu bewaffneten Drohnen erwartet. Im Programmentwurf des Vorstands ist davon gar nicht die Rede, sondern nur von "autonomen tödlichen Waffensystemen", die zu ächten seien. Kampfdrohnen müssen aber nicht autonom operieren, sondern können auch von Soldaten gesteuert werden. In einem Antrag wurde vor dem Parteitag die Beschaffung bewaffneter Drohnen zum Schutz der eigenen Truppen und von Zivilisten ausdrücklich gefordert - ein anderer Antrag lehnt den Einkauf ausdrücklich ab. Auch zur Sozial- und Gesellschaftspolitik mit Themen wie Rente, Verwaltung und Gleichstellung gibt es besonders viele Anträge.

Quelle: ntv.de, Fatima Abbas und Martina Herzog, dpa

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