Scholz bereit, USA lehnen ab Debatte über "Leopard"-Lieferung gerät in Sackgasse
19.01.2023, 08:05 Uhr
Ein Leopard-2-Panzer der Bundeswehr fährt beim Besuch von Bundeskanzler Scholz durch das Camp Adrian Rohn.
(Foto: Michael Kappeler/dpa)
Lange sträubt sich Scholz gegen die Lieferung von "Leopard 2"-Panzern in die Ukraine. Berichten zufolge soll er nun dazu bereit sein - wenn die USA ihrerseits Abrams-Panzer liefern. Doch das lehnt Washington derzeit ab.
Bundeskanzler Olaf Scholz ist Medienberichten zufolge unter einer Bedingung bereit, "Leopard"-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Diese Bedingung laute, dass die USA ihrerseits schwere Kampfpanzer vom Typ Abrams liefern, berichteten übereinstimmend die "Süddeutsche Zeitung" und die "Bild"-Zeitung. Ein hochrangiger Pentagon-Vertreter sagte allerdings in Washington, dass die USA derzeit eine Abrams-Lieferung ablehnen.
Scholz habe in seinem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden am Dienstag gesagt, dass Deutschland nur "Leopard"-Panzer liefern würde, wenn die USA ihrerseits Kampfpanzer vom Typ Abrams liefern, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". Biden habe sich in dem Gespräch noch nicht festgelegt.
Laut "Bild" geht es Scholz darum, "Kampfpanzer nur zusammen" an die Ukraine zu liefern. Dies habe er auch am Mittwoch bei der Kabinettssitzung angemerkt. Der Bundeskanzler habe seine Haltung mit der Sorge vor einer Spaltung der NATO begründet.
Die Bundesregierung wollte die Berichte zunächst nicht kommentieren. Scholz hatte sich bisher gegen die Lieferung der Leopard-Panzer an die Ukraine gesträubt. Als Argument nannte er, dass es keinen deutschen Alleingang geben dürfe. Inzwischen wollen allerdings Polen und weitere EU- und NATO-Staaten eigene Leopard-Panzer an die Ukraine liefern und dringen auf die dafür erforderliche Genehmigung des Herstellerlandes Deutschland.
Selenskyj kritisiert Scholz' Haltung scharf
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Deutschlands Zögern bei der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern kritisiert. "Es gibt Zeiten, in denen man nicht zögern und vergleichen sollte", sagte Selenskyj per Videoansprache in Davos. Er halte es nicht für die richtige Strategie, "wenn jemand sagt: 'Ich werde Panzer geben, wenn jemand anderes auch Panzer gibt'". Er bezog sich auf Berichte, wonach Berlin nur zur Lieferung von Leopard-Panzern bereit ist, wenn die USA Kampfpanzer vom Typ Abrams liefern.
Laut "SZ" verlangen die USA ihrerseits, dass das Kanzleramt nicht nur anderen Staaten die Lieferung von "Leopard 2"-Kampfpanzern erlaubt, sondern auch selbst welche liefert. Am Donnerstag kommt US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zu Gesprächen mit seinem neuen deutschen Amtskollegen Boris Pistorius nach Berlin.
Vor dem Besuch sagte US-Verteidigungsstaatssekretär Colin Kahl in Washington, dass sein Land derzeit eine Lieferung des Kampfpanzers Abrams an die Ukraine ablehne. Der Panzer sei ein "sehr kompliziertes" Rüstungsgut. Er sei teuer, erfordere eine schwierige Ausbildung und verbrauche mit seinem Turbinenantrieb sehr viel Treibstoff. "Es ist in der Wartung nicht das einfachste System."
Die USA wollten den Ukrainern keine Waffen liefern, "die sie nicht reparieren können, die sie nicht unterhalten können und die sie sich langfristig nicht leisten können, weil das nicht hilfreich ist", sagte Kahl vor Journalisten. "Es geht nicht um einen Nachrichtenzyklus oder darum, was symbolisch wertvoll ist, sondern darum, was der Ukraine auf dem Schlachtfeld wirklich hilft." Zugleich schloss Kahl nicht völlig aus, dass die USA der Ukraine in Zukunft Abrams-Panzer liefern könnten.
"Welt wartet darauf, dass Deutschland grünes Licht gibt"
Nach Einschätzung des früheren Leiters der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, erwartet die ganze Welt von Deutschland die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine. Er habe festgestellt, dass auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos "alle Welt darauf wartet, dass Deutschland - mit oder ohne USA - nun tatsächlich das grüne Licht gibt", sagte Ischinger im Deutschlandfunk.
Dabei gehe es laut Ischinger sowohl um die Bereitstellung von Leopard-Panzern von Partnerländern, als auch um die Lieferung von Panzern aus deutschen Beständen an die Ukraine. Die Entscheidung sei überfällig, sagte Ischinger. Durch die britischen und polnischen Ankündigungen, Panzer zu liefern, müsse Scholz "keinen Alleingang" befürchten - unabhängig davon, wie sich die USA in dieser Frage entscheiden sollten.
Zudem rief der Diplomat dazu auf, Unterstützungen für die Ukraine langfristig zu planen. Es dürfe bei der Planung nicht nur um die nächsten Wochen, sondern um die kommenden sechs bis zwölf Monate gehen. Russland stelle sich allen Anzeichen zufolge auf einen längeren Krieg ein, sagte Ischinger. Darauf müsse man antworten können.
Klingbeil: "Immer noch ein Abwägungsprozess"
Die Debatte um die von Kiew immer vehementer geforderten Kampfpanzer dürfte auch das Treffen von Pistorius und Austin in Berlin beherrschen. Der neue Bundesverteidigungsminister tritt am Donnerstagvormittag sein Amt an, unmittelbar danach empfängt er seinen US-Kollegen. Am Freitag nehmen beide Minister auf der US-Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz an Beratungen der 30 NATO-Staaten und weiterer Länder der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe über eine Aufstockung der Militärhilfen für die Ukraine teil.
Vor den Beratungen trat SPD-Chef Lars Klingbeil angesichts der vielfältigen Forderungen nach weiteren Waffenlieferungen auf die Bremse. "Wir haben seit dem russischen Angriff am 24. Februar eine Menge getan, um die Ukraine zu unterstützen", sagte Klingbeil dem "Münchner Merkur". Es sei klar, dass Deutschland jeden Tag mit seinen Partnern prüfen müsse, wie Kiew weiter unterstützt werden könne. Doch das sei "immer auch ein Abwägungsprozess, über den man ein paar Tage nachdenken sollte", sagte der SPD-Vorsitzende.
Dagegen drängte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter auf eine "Leopard"-Lieferung an die Ukraine. "Ich wünsche Boris Pistorius für sein neues Amt viel Erfolg und erwarte, dass er sich als Verteidigungsminister dafür einsetzt, dass wir der Ukraine endlich 'Leopard 2" zur Verfügung stellen", sagte er t-online.
Quelle: ntv.de, vmi/AFP