Politik

Van Aken verlässt den Bundestag "Der Job verändert einen nicht zum Guten"

"Hans-Christian Ströbele wird mir fehlen", sagt Jan van Aken.

"Hans-Christian Ströbele wird mir fehlen", sagt Jan van Aken.

(Foto: picture alliance / dpa)

Jan van Aken sitzt seit 2009 für die Linke im Bundestag, bei der Wahl tritt er jedoch nicht wieder an. Im Interview mit n-tv.de erklärt der 56-Jährige, wieso er aufhört, und erinnert sich an seinen unangenehmsten Moment in seiner Zeit als Abgeordneter.

Jan van Aken

Jan van Aken

(Foto: imago/Jürgen Heinrich)

n-tv.de: Vor einem Jahr haben Sie gesagt, der Politikbetrieb sei "manchmal ziemlich scheiße". Sie seien froh, bald raus zu sein. Freuen Sie sich, dass es bald endlich vorbei ist?

Jan van Aken: Ja! Aber es waren auch tolle Sachen dabei. Ich habe viel gelernt, deshalb will ich die acht Jahre nicht missen. Trotzdem ist es jetzt genug.

Sie sind erst 56. Warum hören Sie auf?

Es ist eine Mischung aus politischen und privaten Gründen. Politisch bin ich überzeugt, dass es am besten wäre, wenn die Mandatsdauer für alle Abgeordnete auf acht Jahre begrenzt wäre. Dann würde sich die Zusammensetzung des Bundestages ändern und alles viel lebendiger werden. Wenn die Abgeordneten wissen, dass sie sowieso nicht noch einmal antreten dürfen, sind sie auch nicht mehr so an Fraktionsdisziplin gebunden. Und aus privater Sicht ist es auch etwas Selbstschutz, nicht zu lange im Bundestag zu sitzen und immer mehr zum Abgeordneten - im schlechten Sinne - zu werden.

Hat der Aktivist Jan van Aken Angst, sonst im Bundestag hängen zu bleiben?

Nein, davor habe ich keine Angst.

Bevor Sie in den Bundestag eingezogen sind, waren sie unter anderem Biowaffeninspekteur der Uno und engagierten sich für Greenpeace. Wo haben Sie die besseren Debatten erlebt, bei Greenpeace oder in der Linken-Bundestagsfraktion?

Van Aken bei einer Greenpeace-Pressekonferenz 1998

Van Aken bei einer Greenpeace-Pressekonferenz 1998

(Foto: imago/Rolf Zöllner)

In der Summe wahrscheinlich bei Greenpeace. Es gab aber auch in der Fraktion viele extrem gute Debatten, zum Beispiel zu den kontroversen Waffenlieferungen an die Kurden.

Über Ihre Zeit bei Greenpeace haben Sie mal gesagt: Noch Mitte der 90er Jahre hätten Sie gedacht, der Kampf gegen die Gentechnik sei nicht zu gewinnen, und dann sei es Greenpeace trotzdem gelungen. Jetzt verlassen Sie die Politik, obwohl der Kampf gegen die Waffenexporte - Ihr großes Thema - noch nicht gewonnen ist.

Es hat ja niemand gesagt, dass ich aufhöre, mich dafür einzusetzen. Mein Job im Bundestag ist beendet, aber ich werde weiter politisch arbeiten und meinen Themen treu bleiben. Ich bin mir sicher, dass wir den Kampf gegen Waffenexporte noch gewinnen werden.

Was war die unangenehmste Situation in Ihrer Zeit als Abgeordneter?

Jan van Aken

Van Aken wurde 1961 in Reinbek in Schleswig-Holstein geboren. Zwischen 1997 und 2009 engagierte sich der promovierte Biologie engagierte für Greenpeace. Von 2004 bis 2005 arbeitete er als Biowaffeninspekteur für die Vereinten Nationen. Im Jahr 2009 zog er für die Linke in den Bundestag ein. Seit 2012 ist er außenpolitischer Sprecher der Partei.

(nach langem Überlegen) Das war wahrscheinlich meine allererste Rede im Bundestag. Eigentlich gibt es im Parlament die Regel, dass die anderen Fraktionen einen in Ruhe lassen, wenn man zum ersten Mal vorne steht. Dieses Dazwischenrufen und Gepöbel fängt angeblich erst später an, wurde mir gesagt. So bin ich dann auch in die erste Rede rein. Aber es hat keine 60 Sekunden gedauert, dann haben die mich voll angepöbelt - was man im normalen Leben ja nicht gewohnt ist. Bei späteren Reden war es dann andersrum: Wenn es völlig ruhig geblieben ist während einer Rede von mir, habe ich wohl etwas falsch gemacht.

Gab es auch einen besonders schönen Moment, den Sie nicht vergessen werden?

Die ergreifendsten Momente waren für mich die Reden zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar. Da gab es viele, die mich richtig bewegt haben.

Am 24. September wird gewählt. Wer wäre Ihnen lieber: eine Kanzlerin Merkel oder ein Kanzler Schulz?

Gregor Gysi.

Traurig, dass es für Rot-Rot-Grün vermutlich nicht reichen wird?

Da gibt es ein lachendes und ein weinendes Auge. Es wäre Zeit, dass sich in diesem Land mal etwas ändert. Wenn es jetzt wieder eine Große Koalition gibt und den Stillstand, den wir seit 12 Jahren erleben, wäre das unerträglich. Auf der anderen Seite ist es vielleicht einfach noch zu früh für Rot-Rot-Grün. Deshalb ist es vielleicht auch ganz gut, wenn es noch vier Jahre dauert.

Will die Linke überhaupt regieren?

Ja klar, ich glaube das ginge, wenn die Inhalte stimmen. Mit großen Teilen der SPD würde es inhaltlich schon gut passen. Das sage ich für die ganz große Mehrheit der Linken.

Ist die Linke in fünf Jahren mehr Dietmar Bartsch oder mehr Sahra Wagenknecht?

Mehr Katja Kipping.

Wenn Sie Ihrer Partei einen Rat geben könnten, welcher wäre das?

Van Aken mit Linken-Chefin Kipping beim Parteitag 2014

Van Aken mit Linken-Chefin Kipping beim Parteitag 2014

(Foto: imago/Jens Jeske)

Da hätte ich so viel im Kopf. Aber eines stört mich an der Frage: Ich bin ja nicht weg, ich bleibe im Parteivorstand. Deshalb muss ich zum Abschied auch keinen Rat geben.

Wer ist der größte Hoffnungsträger der Partei die Linke?

Was mich am meisten beeindruckt hat, ist, dass in den vergangenen ein bis zwei Jahren im Umfeld der Flüchtlingsdiskussion so viele junge Leute in die Partei eingetreten sind. Das sind meine Hoffnungsträger.

Welcher Kollege aus den anderen Fraktionen wird Ihnen am meisten fehlen?

Hans-Christian Ströbele wird mir fehlen. Ich finde ihn einfach klasse. Der ist menschlich gut, hat viele tolle Sachen gemacht und nie locker gelassen. Dass jemand bis weit über 70 noch so viel Feuer hat, beeindruckt mich.

Sind Sie froh, dass Sie die AfD im Bundestag nicht mehr erleben müssen?

Ja. Das ist aber kein Grund, nicht noch einmal anzutreten. Trotzdem bin ich heilfroh, dass ich mir den Scheiß nicht anhören muss.

Was macht der Bundestag mit einem?

Der Job im Bundestag verändert einen nicht zum Guten. Bei einigen Abgeordneten hat man schon nach einem halben Jahr im Bundestag das Gefühl, dass sie alles zu wissen glauben und sich für etwas Besseres halten, nur weil sie Abgeordnete sind. Das ist eine ganz grobe Fehleinschätzung.

Was werden Sie vermissen?

Ich komme ja aus den sozialen Bewegungen und hatte nie etwas mit Partei zu tun. Deshalb war ich vor acht Jahren skeptisch, was den Job des Abgeordneten betrifft. Ich bin sehr positiv überrascht, wie viel man auch als Oppositionspolitiker im Bundestag erreichen kann. Man hat eine Diskursmacht und Einfluss auf die öffentlichen Debatten. Das werde ich bestimmt vermissen. Wir haben es geschafft, das Thema Waffenexporte stärker auf die Tagesordnung zu setzen. Das geht ganz schwer ohne dieses Mandat. Das ist schon beeindruckend.

Was haben Sie künftig vor?

Ich muss Geld verdienen (lacht), ich habe ja noch ein paar Jahre vor mir. Ich weiß noch nicht genau, was ich jetzt mache. Wahrscheinlich werde ich erst einmal eine Zeitlang als Freier arbeiten, zum Beispiel für Nichtregierungsorganisationen, um mich zu orientieren, was ich in welcher Funktion und wo machen will. Es ist jedenfalls gut, dass die ständige Pendelei zwischen Berlin und Hamburg vorbei ist. Ich kann den Zug echt nicht mehr sehen.

Mit Jan van Aken sprach Christian Rothenberg

Quelle: ntv.de

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