Pim Fortuyn Der niederländische Haider
07.05.2002, 09:00 UhrMit Pim Fortuyn war Leben in den niederländischen Wahlkampf gekommen. Der bekennende Homosexuelle erschütterte das politische Establishment mit Tabubrüchen en masse. Fortuyn kam nicht einfach, er ließ sich in einem britischen Daimler mit Chauffeur zu seinen Auftritten fahren. Oder er gab Autogramme auf der Kühlerhaube seines Porsche. Er rauchte kubanische Zigarren, trug italienische Maßanzüge und das blankpolierte Haupt stets erhoben.
Fortuyn sorgte aber vor allem mit seinen ausländerfeindlichen Ansichten für Aufsehen. Mit rechtspopulistischen Thesen ging er auf Stimmenfang, propagierte die Abschaffung des Schengen-Abkommens mit seinen offenen Grenzen und trat für eine harte Bekämpfung illegaler Zuwanderung ein. Mit anderen Rechtspopulisten wie Jean-Marie Le Pen in Frankreich oder Jörg Haider in Österreich wollte sich Fortuyn dennoch keinesfalls vergleichen lassen. Er stehe allenfalls CSU-Chef Edmund Stoiber nahe. Er teile dessen Auffassungen über die Bedeutung gesellschaftlicher Normen und Werte, sagte Fortuyn bei einem der seltener gewordenen Treffen mit Journalisten noch Anfang April.
Zuvor hatte Fortuyn den etablierten Parteien einen gehörigen Schrecken eingejagt. Auf Anhieb gewann der 54-Jährige bei den Gemeinderatswahlen am 6. März in seiner Heimatstadt Rotterdam 35 Prozent der Stimmen. Nur 22 Prozent blieben für die jahrzehntelang regierenden Sozialdemokraten der PvdA.
Die letzten Meinungsumfragen sahen ihn bei den Parlamentswahlen am 15. Mai mit seiner "Liste Fortuyn " bei 29 Mandaten. Das wäre nur noch knapp hinter der Arbeiterpartei (30 Sitze), gleichauf mit den Christdemokraten (29) und vor der liberalen VVD (25 Mandate).
Der frühere Soziologie-Professor, der auch als Redner, Journalist und Berater arbeitete, analysierte in einem Buch die Versäumnisse des sozialliberalen Kabinetts von Ministerpräsident Wim Kok und traf damit den Nerv vieler Niederländer, die trotz geringer Arbeitslosenzahlen von dem politischen Stillstand in ihrem Land genug hatten. "Der Scherbenhaufen des violetten Kabinetts" war gleichzeitig sein Wahlprogramm und in den Niederlanden ein Bestseller. Fortuyn zählte einfach auf: immer längere Wartelisten für schwierige medizinische Operationen, gravierende Mängel im Erziehungssystem, wachsende Kriminalität in den Großstädten, eine verfehlte Asyl- und Einbürgerungspolitik.
Politische Beobachter sahen Fortuyn, der sich nach einem Tortenangriff bei einer Buchpräsentation auf Fernsehauftritte konzentriert hatte, jedoch schon entzaubert. Der Grüne Paul Rosenmöller schnitt ihm bei der zweiten großen Fernsehdebatte schlicht das Wort ab. "Pim, du nennst kein einziges Argument. Du machst hier nur Theater." Der wortgewaltige Fortuyn, der bislang selten auf das letzte Wort verzichtet hatte, wütete kurz und verschwand aus dem Studio.
Quelle: ntv.de