Politik

Steht Gefangenenaustausch bevor? Russland verlegt heimlich inhaftierte Kreml-Kritiker

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Im November 2022 wurde Jaschin wegen angeblicher Verbreitung falscher Informationen über das russische Militär der Prozess gemacht.

Im November 2022 wurde Jaschin wegen angeblicher Verbreitung falscher Informationen über das russische Militär der Prozess gemacht.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Russland verhaftet und verurteilt Staatsbürger und Ausländer, die dem Kreml nicht genehm sind. Westliche Staaten unterstellen Kalkül. Der Kreml versuche so, im Westen inhaftierte Russen freizupressen. Nun werden zahlreiche Oppositionelle plötzlich verlegt.

In Russland mehren sich Nachrichten einer ungewöhnlichen Verlegung von politischen Gefangenen. Der prominente Oppositionspolitiker Ilja Jaschin sei nun ebenfalls aus dem Straflager Nummer drei im Gebiet Smolensk in eine unbekannte Richtung weggebracht worden, teilte seine Anwältin Tatjana Solomina mit. Er wurde zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Zuvor hatten unabhängige russische Medien auch über die Verlegung anderer politischer Gefangener berichtet.

Jaschin ist einer der wenigen bekannten Kremlkritiker, die nach Beginn des Krieges in Russland geblieben sind. Er wurde im Juni 2022 verhaftet und der Verbreitung falscher Informationen über russische Soldaten für schuldig befunden, weil er auf Youtube über getötete Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha berichtet hatte. Trotz des harten Urteils setzte Jaschin seine Kritik fort. Seine Mitarbeiter aktualisieren regelmäßig seine Seiten in sozialen Medien mit Botschaften, die er aus dem Gefängnis heraus verbreitet. Jaschins Youtube-Kanal hat mehr als 1,5 Millionen Abonnenten.

Insgesamt gab es bis zum Nachmittag sechs bekannte Verlegungen, darunter der Menschenrechtler Oleg Orlow von der Organisation Memorial. Orlow war Co-Vorsitzender der 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Organisation. Memorial teilte mit, auch der in Deutschland geborenen Russe Kevin Liik sei aus seinem Gefängnis verlegt worden. Liik war wegen Weitergabe von Informationen an deutsche Stellen zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Auch ehemalige Nawalny-Mitarbeiterinnen verlegt

Unklar ist auch der Aufenthaltsort der Künstlerin Alexandra Skotschilenko, die zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war, weil sie Preisschilder in einem Supermarkt gegen Botschaften gegen die Offensive in der Ukraine ausgetauscht hatte. Alle sind Gegner des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und erhielten langjährige Strafen. Der Westen hatte die Urteile als Justizwillkür kritisiert und die Freilassung der Gefangenen gefordert.

An andere unbekannte Orte gebracht wurden den Berichten nach auch die früheren Leiterinnen der Regionalstäbe des in Haft gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny. Wo Lilija Tschanyschewa, die in Ufa für Nawalny gearbeitet hatte, und Xenia Fadejewa aus Tomsk sind, darüber hatten aber weder Anwälte noch Angehörige den Berichten zufolge Informationen. Nicht erst seit dem Tod Nawalnys, der in ein Straflager in die Arktisregion verlegt worden war und dort starb, sind die Sorgen um die wegen ihrer kremlkritischen Ansichten inhaftierten Gefangenen groß.

Putin will "Tiergartenmörder" befreien

Die Nachrichten lösten im Internet Spekulationen aus, dass ein Gefangenenaustausch bevorstehen könnte. "Allem Anschein nach stehen wir vor einem sehr großen Austausch mit den Amerikanern (und nicht nur da)", schreibt die im Exil lebende russische Politologin Tatjana Stanowaja in ihrem Nachrichtenkanal bei Telegram. Näher führte sie ihre Aussage nicht aus, postete die Nachricht aber inmitten sich häufender Nachrichten über das Verschwinden inhaftierter Kremlgegner. Die russischen Behörden verlegen allerdings häufig Häftlinge, ohne dass ihre Anwälte und Familien davon wissen. Manche tauchen erst nach Wochen wieder auf.

Kremlchef Wladimir Putin, der in der Kritik steht, politische Gefangene als Geiseln zu nutzen, um Russen aus westlichen Gefängnissen freizupressen, hatte zuletzt wiederholt die Bereitschaft zu einem Austausch erklärt. Die USA wollen etwa die Freilassung des wegen Spionage verurteilten Korrespondenten Evan Gershkovich vom "Wall Street Journal" erreichen. Der war kürzlich zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Kremlchef Putin hat besonders großes Interesse an einem in Deutschland inhaftierten Russen, der wegen eines Mordes im Berliner Tiergarten verurteilt worden war.

Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP/AP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen