Plus von 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung Deutscher Staat erzielt Überschuss
23.08.2013, 08:45 Uhr
(Foto: dpa)
Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung in Deutschland erwirtschaften in den ersten sechs Monaten des Jahres einen Überschuss von 8,5 Milliarden Euro. Die einzelnen Zahlen offenbaren allerdings ein gespaltenes Bild. Demnach verzeichnet der Bund weiterhin ein Defizit, auch wenn dieses schrumpft.
Überschuss statt Defizit - das weckt im Wahljahr 2013 Begehrlichkeiten. Europas Sparkommissar Deutschland hat mitten in der Schuldenkrise geschafft, wovon die meisten seiner Euro-Partner derzeit nur träumen können: Der Staat nimmt unter dem Strich mehr ein als er ausgibt. Volkswirte mahnen jedoch, jetzt nicht das Geld mit vollen Händen auszugeben. Trotz der positiven Momentaufnahme zum ersten Halbjahr schwimme auch Deutschland keineswegs im Geld, der Schuldenberg sei immer noch gewaltig.
"Wir sollten nicht jeden Euro gleich wieder ausgeben, sondern uns freuen, dass wir auf dem Konsolidierungskurs etwas schneller vorankommen", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Für Deutschland, das mit seiner in der Verfassung verankerten Schuldenbremse Maßstäbe setzt, sei das jetzt der Lackmustest. Überschüsse müssten tatsächlich als Puffer für schlechte Zeiten genutzt werden. "Für jeden Bürger ist es doch auch eine beruhigende Perspektive, dass die Schulden zurückgeführt werden", meint Kater.
Der deutsche Schuldenberg türmt sich derzeit auf mehr als zwei Billionen Euro - das ist eine Zahl mit 13 Stellen. Die Schuldenquote gemessen an der Wirtschaftsleistung (BIP) lag Ende des ersten Quartals bei 81,2 Prozent und damit deutlich über den in den europäischen Verträgen vereinbarten 60 Prozent.
"Made in Germany" ist gefragt
Dass Europas größte Volkswirtschaft dennoch weitaus besser dasteht als seine Euro-Partner, liegt vor allem daran, dass Waren "made in Germany" - Fahrzeuge, Präzisionsmaschinen, Spezialchemikalien - auch in Krisenzeiten weltweit gefragt sind. Die relativ stabile Konjunktur in Deutschland sorgt wiederum für einen robusten Arbeitsmarkt. Das entlastet unter anderem die Sozialkassen, etwa beim Arbeitslosengeld.
Vor allem jedoch hat Deutschland nach Überzeugung von Ökonomen früher als Spanien, Italien, Frankreich und Co. Reformen auf den Weg gebracht. "In der Boomphase vor der jetzigen Krise sind strukturelle Weichen gestellt worden, um den Staatshaushalt auf eine solidere Basis zu stellen", erklärt Postbank-Experte Heinrich Bayer. Er erinnert an die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent im Jahr 2007.
Auch die "Agenda 2010" des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder wird immer wieder als wichtiger Baustein für die Trendwende angeführt: Lohnnebenkosten sanken, der Arbeitsmarkt wurde flexibler. Deutschland stärkte so nach Ansicht von Ökonomen früher als andere Volkswirtschaften seine Wettbewerbsfähigkeit.
Der Zeitpunkt war günstig: Die durchaus harten Reformen wurden in einem relativ starken weltwirtschaftlichen Umfeld umgesetzt. Die Versäumnisse der Vergangenheit mitten in einer Dauerkrise nachzuholen, fällt den Euro-Partnern aktuell deutlich schwerer. Verständlich, dass da der eiserne Sparkurs der Regierung Merkel im Ausland nicht überall gut ankommt. Zumal Deutschland auch vom Misstrauen der Märkte gegenüber den Euro-Krisenländern profitiert. Die Zinsen für deutsche Staatspapiere wurden auch wegen der hohen Nachfrage immer geringer.
Der Spielraum ist allerdings klein
Das Jahr 2012 brachte erstmals seit fünf Jahren einen Überschuss für Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung (plus 0,2 Prozent). Und im ersten Halbjahr 2013 nahm der Staat 8,5 Milliarden Euro mehr ein als er ausgab - ein Überschuss von 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung.
"Von jeder Menge Spielraum kann man nicht reden", dämpft Postbank-Ökonom Bayer die Euphorie. "Für das Gesamtjahr 2013 ist weitgehend ein ausgeglichener Haushalt zu erwarten." Die EU-Kommission geht in ihrer Anfang Mai veröffentlichten Frühjahrsprognose von einem Mini-Defizit (minus 0,2 Prozent) aus.
Aber selbst damit wäre Deutschland innerhalb der Europäischen Union einsame Spitze: Die Defizit-Vorhersagen etwa für Großbritannien (minus 6,8 Prozent), Spanien (minus 6,5), Frankreich (minus 3,9) und Italien (minus 2,9) für das laufende Jahr sind deutlich düsterer. Auch Länder, die längst am Tropf der Gemeinschaft hängen, stehen nach Beobachtung von Commerzbank-Experte Christoph Weil wieder verstärkt im Fokus - spätestens seit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ein drittes Griechenland-Hilfsprogramm angedeutet habe.
Weil schreibt: "Unsere Analyse zeigt, dass nur Irland und - mit Abstrichen - Portugal eine Chance haben, bald wieder auf eigenen Beinen zu stehen." Das dürfte Euro-Retter Deutschland beunruhigen, denn das Risiko aus der Haftung für Hilfskredite an Krisenländer wiegt milliardenschwer.
Quelle: ntv.de, dpa