"Halten uns an Recht und Gesetz" Deutschland schließt Verhaftung Netanjahus nicht aus
22.05.2024, 16:04 Uhr Artikel anhören
Wegen des Haftbefehlsantrags in Den Haag für Israels Premier Netanjahu droht Kanzler Scholz ein politisches Dilemma.
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Der Internationale Strafgerichtshof beantragt Haftbefehle sowohl gegen israelische Regierungspolitiker als auch Führer der Terrororganisation Hamas. In Israel ist die Empörung groß. Regierungssprecher Hebestreit erklärt derweil, Deutschland würde einen entsprechenden Beschluss akzeptieren.
Die Bundesregierung werde sich "natürlich" an die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs halten. Das sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshof, Karim Ahmad Khan, hatte zuvor Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und den israelischen Verteidigungsminister Joav Galant sowie gegen den Chef der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, Jahja Sinwar, beantragt. Die Bundesregierung sei "grundsätzlich" Unterstützer des Internationalen Strafgerichtshofs. "Und dabei bleibt es auch", so Hebestreit. "Wir halten uns an Recht und Gesetz."
Begründet wurde der Antrag des Chefanklägers mit mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gaza-Krieg. Die Bundesregierung hat jedoch eine Gleichsetzung durch die gleichzeitige Beantragung von Haftbefehlen gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und die Führung der radikalislamischen Hamas durch den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs kritisiert.
"Durch die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle gegen die Hamas-Führer auf der einen und die beiden israelischen Amtsträger auf der anderen Seite ist der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung entstanden", erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Jedoch werde das Gericht nun sehr unterschiedliche Sachverhalte zu bewerten haben, die der Chefankläger in seinem Antrag ausführlich dargestellt habe.
Israelische Politiker reagierten indes empört auf den Schritt. Die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara sieht keine Grundlage für diesen Antrag. Israel habe wiederholt klargemacht, dass der Gerichtshof keinerlei Zuständigkeit habe, um eine Untersuchung in Angelegenheiten von Staatsvertretern durchzuführen, schrieb sie in einer Stellungnahme. Israel und seine Sicherheitskräfte seien den Regeln des Völkerrechts verpflichtet, betonte sie.
Weder die USA noch Israel erkennen den Strafgerichtshof an. Die palästinensischen Gebiete aber sind Vertragsstaat. Daher darf Khan ermitteln. Ob die Haftbefehle tatsächlich erlassen werden, müssen nun die Richter entscheiden. Wenn sie die Tatvorwürfe als bestätigt ansehen, kann das Hauptverfahren gegen die Beschuldigten eingeleitet werden.
Vorurteilsfreie Prüfung der Vorwürfe
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich fordert trotz einer problematischem Vorgehensweise des Internationalen Strafgerichtshofs eine vorurteilsfreie Prüfung der Vorwürfe gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu. "Es ist nicht nur bedauerlich, sondern unangemessen, die Anträge auf Haftbefehle gegen Mitglieder der Hamas und der israelischen Regierung im gleichen Atemzug zu begründen", sagte Mützenich dem Magazin "Stern". "Wenn der Chefankläger beim Internationalen Strafgerichtshof aber belastbare und evidente Beweise auch gegen israelische Amtsträger sammeln konnte, so müssen diese jetzt durch ein unabhängiges Richterkollegium am Strafgerichtshof vorurteilsfrei beschieden werden."
Mützenich mahnte zur Zurückhaltung in der öffentlichen Debatte und warnte vor einer Beschädigung des Gerichts. Es sei "klug, sich einer voreiligen Kommentierung zu enthalten", sagte der Sozialdemokrat. "Das übergeordnete Interesse an der Integrität und Legitimität des Internationalen Strafgerichtshofs wiegt schwerer als eine nachvollziehbare politische Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft."
"Die Hamas-Führer verantworten ein barbarisches Massaker, bei dem am 7. Oktober in Israel Männer, Frauen und Kinder auf brutalste Weise gezielt ermordet, vergewaltigt und verschleppt wurden", betonte er. Die israelische Regierung habe das Recht und die Pflicht, ihre Bevölkerung davor zu schützen und dagegen zu verteidigen.
Die Hamas halte weiterhin israelische Geiseln unter unsäglichen Bedingungen gefangen, greife Israel mit Raketen an und missbrauche die Zivilbevölkerung in Gaza als menschliche Schutzschilde. "Klar ist, dass dabei das humanitäre Völkerrecht mit all seinen Verpflichtungen gilt", so der Sprecher.
Quelle: ntv.de, gut/DJ/dpa